Protokoll der Sitzung vom 22.03.2006

heitsbehörden die Befürchtung vortragen, ihre VLeute oder ihre Ermittlungsmethoden, also technische Überwachungsmaßnahmen, würden gefährdet werden oder würden offen gelegt, wenn die Betroffenen benachrichtigt werden. Diese wohl nicht nur in Niedersachsen festzustellende Praxis hat das Verfassungsgericht zum Anlass genommen festzustellen, dass eine Zurückstellung der Benachrichtigung einen eigenen Grundrechtseingriff darstellt, der deshalb auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken sei. Bei einer länger andauernden Zurückstellung der Benachrichtigung bedürfe es außerdem einer wiederkehrenden gerichtlichen Überprüfung. Dem tragen die von uns vorgelegten Änderungen Rechnung.

Meine Damen und Herren, es ist jetzt dringende Zeit, die vom Verfassungsgericht eingeforderten Änderungen umzusetzen und nicht noch auf Zeit zu spielen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Angesichts des Eingeständnisses von Herrn Rösler, die FDP-Fraktion habe einen Fehler gemacht, als sie dem Polizeigesetz der Landesregierung zugestimmt habe, hoffe ich, dass die FDP sich unseren Vorschlägen anschließen wird. Sie können jetzt unter Beweis stellen, dass Sie zur Fehlerkorrektur in der Lage sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Abschließend meine Bitte - das ist im Ältestenrat versehentlich unterblieben -, auch die Mitberatung des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zu beschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Wörmer-Zimmermann, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass sich Minister Schünemann mit der Überarbeitung der Sicherheitsgesetze so viel Zeit lässt, verwundert uns eigentlich nicht so sehr. Was uns aber wirklich erstaunt - leider sind die Reihen bei der FDP-Fraktion ein bisschen leer -, ist die andauernde Passivität der FDP-Fraktion in diesem Punkt. Der Kollege Dr. Lennartz hat eben schon darauf

hingewiesen. Ich möchte es noch einmal deutlich machen.

Meine Damen und Herren, das muss man sich doch einmal vorstellen: Einige FDP-Bundespolitiker erstreiten ein Aufsehen erregendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff. Die FDP in Niedersachsen aber schafft es nicht, dieses Urteil in Niedersachsen auch nur ansatzweise umzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Wohl selten hat die FDP ihre liberalen Wurzeln so verraten wie hier in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, aber nicht nur das Urteil zum großen Lauschangriff macht eine Überarbeitung des Polizeigesetzes unabdingbar. Tatsache ist auch - der Kollege Dr. Lennartz hat schon darauf hingewiesen -, dass laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2005 die präventive Telefonüberwachung, also der zentrale Bestandteil der Neufassung des niedersächsischen Polizeigesetzes, so unwirksam ist, dass sie mit sofortiger Wirkung für nichtig erklärt wurde.

Auch in dieser Hinsicht ist also eine rechtsstaatliche Neuausrichtung der CDU/FDP-Polizeigesetzgebung mehr als überfällig. Meine Fraktion hat hierzu im September 2005 einen Gesetzentwurf eingebracht. Aber wie es immer so ist: Die Mehrheit im Innenausschuss hält ihn immer noch zurück.

Es reicht übrigens auch nicht - ich möchte an dieser Stelle Herrn Rösler persönlich ansprechen; ich hoffe, er hört es irgendwo am Lautsprecher -, dass Sie, lieber Herr Rösler, jetzt auf Parteitagen den Geläuterten spielen und scheinbar reumütig einräumen, dass Sie dem niedersächsischen Polizeigesetz niemals hätten zustimmen dürfen. Sie hätten es auch nicht zulassen dürfen, dass sich die Landesregierung seit nunmehr zwei Jahren - schön, dass Sie jetzt da sind, Herr Rösler - nicht darum kümmert, die verfassungsrechtlich gebotene Überarbeitung der niedersächsischen Sicherheitsgesetze auch nur im Entwurf vorzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Es tut weh, Herr Rösler. Ich weiß. Ich muss Sie aber noch ein bisschen ärgern. In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 20. März stand zu lesen, dass Sie zu Beginn Ihrer Regierungszeit

einen Fehler gemacht hätten, indem Sie dem Polizeigesetz zugestimmt haben. Lassen Sie mich Sie jetzt noch mit einem Satz zitieren. Weil das so schön ist, lese ich ihn einmal vor: Aber daraus haben wir gelernt und seitdem Farbe bekannt. - Ich möchte Ihnen einmal sagen, lieber Herr Rösler, wie das in Niedersachsen in Wahrheit aussieht. Sie haben Farbe bekannt, indem Sie die weiße Flagge gehisst haben. So sieht es aus.

(Beifall bei der SPD)

Herr Rösler, was meinen Sie übrigens damit, wenn Sie davon sprechen, dass es ein Fehler war, dem Polizeigesetz in seiner damaligen Form zuzustimmen? - Entweder ist es Unkenntnis, oder Sie haben die Delegierten auf Ihrem Parteitag bewusst in die Irre geführt. Tatsache ist, dass das Polizeigesetz jetzt immer noch genau denselben Wortlaut hat wie Ende 2003 und dass von Ihrer Partei bis heute nichts dagegen unternommen wurde.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, in seiner Entscheidung zum großen Lauschangriff hat das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren ganz klare Vorgaben für das Abhören in Wohnungen gemacht. Nicht nur der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hier im Landtag hat bestätigt, dass die Regelung im niedersächsischen Polizeigesetz verfassungswidrig ist, sondern auch im einschlägigen Polizeirechtskommentar, der auch bei der Ausbildung unserer Beamtinnen und Beamten verwendet wird, wird auf die Verfassungswidrigkeit der derzeitigen Regelungen hingewiesen.

Man kann sich darüber nur wundern: Der zuständige Minister tut nichts, und die Schmalspurliberalen von der hiesigen FDP dulden diesen verfassungswidrigen Zustand mittlerweile geschlagene zwei Jahre.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, man könnte von fortgesetztem Verfassungsverstoß durch vorsätzliches Unterlassen einer Gesetzesänderung sprechen. Das könnte man.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Wenn man nach Berlin guckt, sollte man das lieber lassen!)

Was mich aber besonders ärgert, meine Damen und Herren von CDU und FDP, ist die Tatsache, dass Sie die Anwenderinnen und Anwender Ihrer

Sicherheitsgesetze - also die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Polizei und Verfassungsschutz - mit dieser Rechtsunsicherheit einfach im Regen stehen lassen. In der Kommentarliteratur zum niedersächsischen Sicherheitsgesetz ist längst zu lesen, was alles verfassungswidrig ist und welche Vorschriften deshalb nicht angewendet werden dürfen.

Meine Damen und Herren, aus unserer Sicht ist es für den Innenminister ein Armutszeugnis, dass eine kleine Oppositionspartei eher in der Lage ist, eine Gesetzesänderung vorzuschlagen, als er selbst. Ich sehe keinen sachlichen Grund, warum Sie sich mit der Überarbeitung der niedersächsischen Sicherheitsgesetze derart viel Zeit lassen. Herr Minister Schünemann, ich fordere Sie auf: Beenden Sie die Missachtung des Bundesverfassungsgerichts, und legen Sie uns endlich einen Vorschlag zur Überarbeitung des Polizeigesetzes und des Verfassungsschutzgesetzes vor. Sie müssen dabei gar nicht bei Null anfangen; denn der von der Grünen-Fraktion vorgelegte Entwurf dürfte ein guter Ausgangspunkt sein. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Für die CDU-Fraktion Herr Kollege Biallas. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, worüber wir hier heute debattieren, haben wir meiner Erinnerung nach in den letzten zwölf Jahren so noch nicht erlebt. Herr Dr. Lennartz, es hat noch nie den Fall gegeben, dass eine Fraktion zu einem bestimmten Sachverhalt einen Gesetzentwurf in den Landtag einbringt, dass dieser Gesetzentwurf in den verschiedenen Ausschüssen beraten wird und dass dieselbe Fraktion schon vor der Beschlussfassung über diesen Gesetzentwurf zum gleichen Sachverhalt einen weiteren, einen anderen Gesetzentwurf einbringt. Soweit ich mich erinnern kann, hat es so etwas in den vergangenen zwölf Jahren noch nie gegeben. Insofern sind Sie sehr innovativ. Jetzt liegen also zwei unterschiedliche Gesetzentwürfe von ein und derselben Fraktion zu ein und demselben Sachverhalt vor. Das ist bemerkenswert.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Keine Füh- rung in der Fraktion!)

Herr Dr. Lennartz, bevor wir jetzt über Ihren Gesetzentwurf reden, müssen Sie zunächst einmal erklären, über welchen wir im Ausschuss weiter debattieren sollen. Es wäre ja möglich, dass Sie den einen dieser beiden Gesetzentwürfe wieder zurückziehen. Dann könnten wir uns darüber einigen, was Sie tatsächlich wollen. Das jedenfalls müssten Sie noch klären, bevor wir weiter beraten.

Nun hat sich die Kollegin Wörmer-Zimmermann besonders der FDP zugewandt. Die FDP kann sich selbst damit auseinander setzen. Das kann sie viel besser. Ich war nicht beim FDP-Parteitag. Ich weiß auch nicht, wer da irre geworden sein soll. Ich habe davon auch nichts gehört. Ansonsten - sage ich einmal - beeindrucken mich geschmeidige Reden wie die von Frau Wörmer-Zimmermann durchaus, wenn es um die Sachverhaltsdarstellung geht.

Das, was Sie, Frau Wörmer-Zimmermann, in der Ihnen eigenen sympathischen Art dargestellt haben, ist ja richtig. Wir haben in der Tat bestimmte Dinge zu regeln. Das ist niemals bestritten worden. Deswegen haben wir im Innenausschuss - Sie sind ja dabei gewesen - ohne großes Zeter und Mordio ein Verfahren vereinbart. Das haben Sie angesprochen. Deshalb werfe ich Ihnen das gar nicht vor. Der Innenminister - ich meine, er hat es sogar allen Fraktionsvorsitzenden schriftlich zugestellt hat gesagt, auch er habe den Eindruck, dass jetzt etwas geregelt werden müsse. Außerdem müsse dafür gesorgt werden, dass den Erfordernissen, die sich aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergäben, Rechnung getragen werden müsse. Er hat geschrieben, er wolle - ich glaube - im nächsten Monat einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Wenn Sie sehen, ohne dass ich verrate, was wir da im Einzelnen beraten, dass wir uns - -

(Zuruf von Prof. Dr. Hans-Albert Len- nartz [GRÜNE])

- Herr Kollege Lennartz, wir müssen doch ehrlich miteinander umgehen. Sie haben gesagt, Sie hätten dafür gesorgt, dass es soweit ist. Sehr zu Ihrem eigenem Erstaunen habe ich mit Ihnen dafür gesorgt; denn ich habe gesagt, dass auch wir als CDU-Fraktion - die FDP-Fraktion hat das ebenfalls erklärt - im April einen solchen Gesetzentwurf haben wollen, um dann über ihn beraten zu können. So viel zum Faktischen.

(Monika Wörmer-Zimmermann [SPD]: Das ist schon zwei Jahre her!)

- Frau Kollegin Wörmer-Zimmermann, es lohnt auch zu dieser Stunde keine künstliche Erregung über dieses Thema.

Es geht, wie Sie selbst dargestellt haben, um ein sehr sensibles Thema, das sehr brisant, aber auch sehr ernst zu nehmen ist. Man kann dieses Thema nicht nebenbei behandeln; Herr Dr. Lennartz, darin gebe ich Ihnen Recht. Das Bundesverfassungsgericht, aus dessen Beschluss Sie zitiert haben, hat einige klare Anforderungen hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots an den Gesetzgeber gestellt. Nun haben Sie uns aber nicht gesagt - dies ergänze ich hier der Vollständigkeit halber -, dass Niedersachsen nicht allein vor der Notwendigkeit einer Nachbesserung steht. Vielmehr gilt dies für andere Bundesländer ebenso und im Übrigen auch für den Bund. Wäre ich ein parteipolitischer Kämpfer - der ich, wie man weiß, gar nicht bin -, könnte ich darauf hinweisen, dass Rot-Grün in Berlin es auch nicht hinbekommen hat.

(Ulrich Biel [SPD]: Sie sind schon ein richtiger Kämpfer! - Zuruf von der SPD: Völlig überparteilich!)

- Ich bin Ihnen dankbar, Herr Vizepräsident a. D. - als solcher sitzen Sie dort ja; sonst würde ich mir diese Bemerkung nie erlauben -, dass Sie dies so ohne Neid feststellen.

Herr Dr. Lennartz, wenn man sagt, es sei Eile geboten, dann muss man der Ehrlichkeit halber auch sagen, dass von all den anderen Ländern und dem Bund, die vor einer ähnlichen oder gleichen Notwendigkeit stehen, bisher nur Sachsen ein geändertes Gesetz vorgelegt hat. Alle anderen bewegen sich mit demselben schnellen Tempo wie Niedersachsen. Wenn man davon spricht, wir würden weit hinterherhinken und seien viel zu langsam, dann muss man sich über Sinn und Inhalt des Geschwindigkeitsbegriffs unterhalten. Dazu können wir vielleicht Professor Zielke befragen, der fachlich davon sicherlich mehr als ich versteht. Eines steht fest: Wir wollen das ordentlich machen und vernünftig beraten. Die Grünen entscheiden sich, welchen ihrer Gesetzentwürfe sie aufrechterhalten wollen; danach werden wir darüber ordnungsgemäß beraten.

Sie haben uns gerade vor einigen Monaten vorgeworfen, wir seien bei der Beratung von Gesetzen nicht genau genug.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt!)

Herr Bartling spricht dann in seiner sympathischen Art gelegentlich von „schlampig“ oder „schnöselig“; alles, was mit „sch“ anfängt, ist Ihnen ja besonders nahe.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Heiner Bartling [SPD]: Das war auch gerechtfertigt!)

- Ich kann es ja nicht ändern; ich registriere es nur. Wir aber haben uns dafür entschieden - Herr McAllister hat das heute an anderer Stelle gesagt -, dass Sorgfalt vor Eile geht. Deswegen werden wir über dieses Thema sorgfältig beraten.