Protokoll der Sitzung vom 24.03.2006

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ihre Argumente machen noch weniger Sinn, wenn wir die Stichworte Chancenvollzug und Rückfallstatistiken nehmen. Das können Sie nach dem jetzigen Bundesgesetz auch schon; dazu brauchen Sie keine niedersächsische Gesetzgebungskompetenz.

Was mir ebenfalls langsam auf die Nerven geht, ist das Argument, dass Sie zu 100 % in finanzieller und personeller Hinsicht zuständig seien. Das sind Sie bei der Justiz auch; Sie bezahlen die Gerichtsgebäude und die Richter. Deshalb fordern wir aber kein niedersächsisches Strafgesetzbuch. Und einen niedersächsischen Mord brauchen wir schon gar nicht. Das ist blödsinnig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In diesem Sinne halte ich es mit Herrn Kauder, der im Bundestag ausgeführt hat, dass noch Änderungen möglich seien. Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesen Tagesordnungspunkten nicht vor. Wir kommen damit zu den Abstimmungen.

Zunächst die Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 40: Es ist beantragt worden, diesen Antrag zusätzlich zu den Ausschüssen, auf die sich der Ältestenrat geeinigt hatte, noch dem Umweltausschuss zu überweisen. Ist das strittig?

(David McAllister [CDU]: Nein! Das können wir machen!)

- Das ist nicht der Fall. Wir kommen zu den Ausschussüberweisungen. Zur federführenden Beratung soll der Antrag dem Ausschuss für Rechtsund Verfassungsfragen überwiesen werden, zur Mitberatung dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien, dem Ausschuss für Wissenschaft und Kultur, dem Kultusausschuss sowie nun auch dem Umweltausschuss. Wer stimmt dem zu? - Gibt es andere Meinungen? Das ist nicht der Fall. Dann ist einstimmig so beschlossen worden.

Nun die Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 31: Hierzu liegt die Beschlussempfehlung des Ausschusses vor, die auf Ablehnung lautet. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Dann ist mehrheitlich so beschlossen worden.

Zu Tagesordnungspunkt 32: Auch hier liegt eine Beschlussempfehlung des Ausschusses vor, die auf Ablehnung lautet. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist mehrheitlich so beschlossen worden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 41: Erste Beratung: Kombilohn: Für eine ausgewogene Bundesregelung - staatlich subventionierte Lohndrückerei verhindern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2725

(David McAllister [CDU]: Wann ist denn Mittagspause?)

Meine Damen und Herren, bitte bleiben Sie noch sitzen. Wir haben uns noch nicht auf eine Mittagspause nach diesem Tagesordnungspunkt geeinigt.

Das Wort zur Einbringung erteile ich dem Kollegen Lenz.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Bereits im Januar haben wir an dieser Stelle in der Aktuellen Stunde über die Einführung von Kombilöhnen diskutiert. Grund war damals die Ankündigung von Ministerpräsident Wulff, zum 1. Juli ein eigenes Kombilohn-Modell, das so genannte Niedersachsen-Kombi, angelehnt an das Hamburger Modell, einzuführen. Seitdem ist es in Niedersachsen um dieses Thema verdächtig ruhig geworden. Herr Minister Hirche, ich hoffe, dass Sie fleißig am Arbeiten sind; denn im Januar hatten wir den Eindruck, dass im Vordergrund weniger ein konkretes Konzept Ihres Ministeriums als vielmehr die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit stand.

(Minister Walter Hirche: So kann man sich irren!)

Herr Minister Hirche, Sie hatten in der Debatte zugegeben, dass Ihr Vorschlag - ich zitiere - kein Allheilmittel, kein Patentrezept und keine Wunderwaffe sei.

(Zuruf von Hermann Dinkla [CDU])

Sie forderten uns auf, bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit an einem Strang zu ziehen. Deswegen haben wir diesen Entschließungsantrag eingebracht und wollen mit Ihnen konstruktiv, Herr Dinkla, über den wirksamsten Weg streiten.

Meine Damen, meine Herren, wir sind uns sicherlich schnell einig, dass jeder Euro besser in Arbeit als in die Finanzierung von Arbeitslosigkeit investiert werden sollte. Wir sind sicherlich auch darin schnell einig, dass wir mit einem Kombilohn-Modell schwerpunktmäßig Geringqualifizierte fördern und

Mitnahmeeffekte weitestgehend ausschließen sollten. Was uns in Ihrem Vorschlag jedoch völlig fehlt, ist eine Aussage zu Mindestlöhnen.

Der Anteil von Beschäftigten im Niedriglohnsektor ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Mittlerweile gibt es in Deutschland mehr als 3 Millionen Menschen, die als Bezieher von Armuts- oder prekären Einkommen bezeichnet werden. Stundenlöhne von 5, 6 oder 7 Euro sind mittlerweile nicht nur in den neuen Bundesländern anzutreffen, sondern leider auch immer häufiger in Niedersachsen. Für ein so reiches Land wie die Bundesrepublik ist dies, wie ich finde, ein Skandal,

(Beifall bei der SPD)

insbesondere dann, wenn man auf der anderen Seite sieht, wie sich die Managergehälter entwickeln. Wir haben gerade gestern und heute Morgen lesen können, was Herr Ackermann bei der Deutschen Bank verdient hat.

(Ulrich Biel [SPD]: Was er bekommt, wissen wir! Was er verdient, wissen wir nicht!)

Die SPD tritt dafür ein, dass Löhne und Gehälter existenzsichernd sein müssen.

(Beifall bei der SPD)

Es darf nicht sein, dass ein Familienvater den ganzen Tag schuftet und trotzdem zum Sozialamt gehen muss, um begleitende Hilfe zu beantragen. Wir wollen auch keine Verhältnisse wie in den USA, wo die so genannten Working Poors zwei oder drei Jobs haben und trotzdem ihre Familie kaum ernähren können. Für die SPD ist daher die Einführung von Kombilöhnen zwingend mit der Einführung von Mindestvergütungen verbunden.

(Beifall bei der SPD)

Vorrang vor einem einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn muss daher eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung für die untersten tariflichen Lohngruppen haben. Nur in Branchen ohne Tarifvertrag muss in Anlehnung an tarifliche Mindeststandards ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden, der branchenspezifisch ausgestaltet werden sollte.

Meine Damen, meine Herren, mit dieser aus unserer Sicht sehr differenzierten Position zu Mindestlöhnen befinden wir uns in der Nähe von Bundeskanzlerin Merkel, die die Einführung von Mindestlöhnen ebenfalls für eine unverzichtbare Voraus

setzung für die Einführung von staatlichen Zuschüssen zur Förderung von gering qualifizierter Arbeit hält.

Der zweite Punkte, an dem wir, Herr Hirche, deutlich auseinander liegen, ist folgender: Sie wollen in Niedersachsen einen eigenständigen Weg gehen und nicht, wie im Koalitionsvertrag festgelegt, eine bundeseinheitliche Regelung anstreben. Wir haben oder hatten bis zum heutigen Tage 15 unterschiedliche regional und zeitlich begrenzte Kombilohn-Modelle. Die meisten davon haben nur eine sehr begrenzte Wirkung entfalten können; weder das hessische noch das Mainzer Modell war wirklich ein Renner.

Auch das von Ihnen als Basis für das Niedersachsen-Kombi favorisierte Hamburger Modell ist bei näherem Hinsehen nicht ganz so erfolgreich. Von den 7 806 bis Ende 2005 geförderten Personen haben immerhin 50 % die Maßnahme abgebrochen. Die Inanspruchnahme der Qualifizierungsmöglichkeiten lag unter 10 %. Insbesondere der hohe Anteil der Zeitarbeitsbranche im Rahmen dieser geförderten Fälle deutet auf Mitnahmeeffekte hin, die nicht unerheblich sind. Bis zum heutigen Tage ist das Hamburger Modell noch nicht evaluiert. Dies sind aus unserer Sicht alles Gründe, um einen Schnellschuss zu vermeiden und einen Alleingang in Niedersachsen ebenfalls.

Herr Hirche, bei der letzten Debatte zu diesem Thema haben Sie unsere Argumente für eine bundeseinheitliche Regelung falsch interpretiert. Wir fordern von Ihnen ja keinesfalls Untätigkeit, wie es uns in der Debatte im Januar unterstellt worden ist. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich sehr wohl in den Prozess aktiv einschaltet aber bitte in Richtung einer einheitlichen Regelung auf Bundesebene!

(David McAllister [CDU]: Wir können doch nicht ewig warten! Der Bund kommt nicht in Fahrt!)

- Herr McAllister, der Bund hat das für den Herbst angekündigt. Wir haben jetzt Frühling. Der Lenz ist gekommen.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Dieses halbe Jahr können wir noch darauf warten und uns aktiv in die Debatte einbringen.

Wir sagen: Wir brauchen keine 16. regionale Regelung in Deutschland. Was wir brauchen, ist eine

Arbeitsmarktpolitik aus einem Guss. Nur so werden wir einen entscheidenden Beitrag zur Reduzierung, zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in diesem Lande leisten können. Folgen Sie also unserem Antrag! Dann sind Sie auf dem richtigen Weg. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich dem Kollegen Hagenah das Wort erteile, möchte ich Sie darüber informieren, dass die Fraktionen übereingekommen sind, nach diesem Tagesordnungspunkt in die Mittagspause einzutreten. Das wäre nach meiner Berechnung etwa um 13.20 Uhr.

(Zurufe: Wiederbeginn?)

- Die Haushälter tagen. Reicht eine Stunde aus? Um 14.15 Uhr setzen wir dann die Sitzung fort.

(Zurufe: 14.30 Uhr!)

- Gut, einverstanden. Um 14.30 Uhr geht es weiter.

Bitte schön, Herr Hagenah, Sie haben jetzt das Wort.