Lassen Sie uns den Kombilohn einführen, Herr Lenz, und dann sehen, welche Auswirkungen er auf die Langzeitarbeitslosigkeit und die Lohnhöhe hat!
Unser Hauptproblem ist doch nicht das niedrige Lohnniveau in Deutschland. Unser Hauptproblem ist die nicht mehr erträgliche und auch nicht mehr zu vertretende Massenarbeitslosigkeit hier in diesem Land.
Sie vernichtet nicht nur unsere Sozialsysteme, sondern sie zerfrisst auch - das sollte man immer wieder hervorheben - die Seele von Hunderttausenden von Menschen. Der Kombilohn ist sicherlich nur ein kleiner, aber richtiger Schritt, um dieses Problem zu mindern. Machen Sie ihn bitte nicht schon vor seinem Start mit Ihren Angstargumenten kaputt!
Als Nächstem erteile ich dem Wirtschaftsminister Walter Hirche das Wort. Bitte schön, Herr Minister!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag richtet sich eigentlich stärker an die Bundesregierung. Denn es heißt dort: „Für eine ausgewogene Bundesregelung - staatlich subventionierte Lohndrückerei verhindern“. Das klingt wie ein verzweifelter Appell an den Parteipatriarchen
Müntefering. Uns geht es hier aber um die Situation in Niedersachsen. So schön es ist, dass jetzt „Lenz“ ist: Dreiviertel des Jahres ist eben kein Lenz. Wir müssen eine etwas solidere Politik machen, meine Damen und Herren.
Im Januar haben wir dargestellt, dass der Niedersachsen-Kombi kommen wird. Am 13. Juni ist eine große öffentliche Startveranstaltung mit der Regionaldirektion für Arbeit, mit den Optionskommunen, mit den Landräten und allen Betroffenen geplant. Die Resonanz im Vorfeld ist äußerst positiv. Ich freue mich, dass der Ministerpräsident dort den Startschuss geben wird. Wir wollen nämlich nicht länger diskutieren und lamentieren, sondern wir wollen endlich handeln, so wie es der Kollege Hermann eben gesagt hat.
Sie fordern mit Ihrem Antrag erneut, die Hände in den Schoß zu legen, abzuwarten, ob die Bundesregierung etwas tut bzw. was sie tut. Das kann man sich vielleicht als Oppositionsfraktion im Landtag leisten, um in der Opposition zu bleiben. Wir wollen uns diesen Luxus nicht leisten. Wir wollen für die gering Qualifizierten eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt schlagen. Das gilt insbesondere für ältere Arbeitslose.
Meine Damen und Herren, wie Sie alle wissen, haben wir 150 000 Langzeitarbeitslose. Davon sind 100 000 über 50 Jahre alt. Ich denke, viele Ältere würden gerne arbeiten, treffen aber auf Ängste und Vorbehalte. Hier setzen wir z. B. mit dem Modell Niedersachsen-Kombi an.
Denn diese Kombination - das ist das Neue im Vergleich zu den anderen Kombi-Modellen - eines Zuschusses für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer wird zu neuen Angeboten führen. Ich bleibe dabei: Das ist kein Patentrezept, wir müssen viele Dinge ausprobieren. Aber die Einführung eines Kombilohns mit der Einführung eines Mindestlohns zwingend zu koppeln, hieße ja, dieses Instrument schon von vornherein wieder kaputt zu machen. Wenn Sie das dann noch möglicherweise durch Allgemeinverbindlichkeitserklärungen zementieren wollen, dann sage ich Ihnen: Das ist der absolut falsche Weg.
Ich warne auch davor, dass sich der Staat zum verlängerten Arm von Tarifvertragsparteien macht. Mit welcher Berechtigung soll denn je nach Branche ein Tariflohn von 5,90 Euro oder 8 Euro - einige reden von 10 Euro - als Mindestlohn festgelegt werden? - Das kann man vonseiten des Staates schon gar nicht regeln. Wer solche Forderungen stellt, der stellt eigentlich die Forderung nach Vernichtung von Arbeitsplätzen.
Denn wir müssen einfach feststellen, meine Damen und Herren, dass von der Lohnstrategie, die in den letzten Jahrzehnten verfolgt worden ist, zweierlei Wirkungen ausgegangen sind. Auf der einen Seite haben die Gewerkschaften gegen den Willen der Arbeitgeber eine Modernisierung der Industrie erzwungen; der Ausweg aus höheren Löhnen wurde durchaus in Rationalisierung gesucht. Damit deutet sich aber schon an: Auf der anderen Seite sind durch die Rationalisierung Arbeitsmöglichkeiten für Menschen kaputt gemacht worden, weil die Leichtlohngruppen abgeschafft worden sind. Ich meine, das darf uns nicht noch einmal passieren. Wir brauchen an dieser Stelle keine staatliche Überregulierung.
Allerdings ist es auf der anderen Seite auch richtig, dass Kombilöhne - das meinen Sie vielleicht - nicht durch Dumpinglöhne missbraucht werden dürfen. Aber, meine Damen und Herren, wir wollen ja dafür sorgen, dass Kombilöhne nur gewährt werden, wenn sich der Arbeitgeber an ortsübliche Stundenlöhne hält. In Hamburg ist das so; in Niedersachsen wird das auch so sein. Deswegen ist die Resonanz in Hamburg sehr positiv. Meine Damen und Herren, mit ihrem Antrag macht die SPD wider besseren Wissens eine Angstdebatte auf.
Ich nenne am Schluss fünf Punkte, von denen ich meine, dass wir auf dieser Linie weiterkommen können: Erstens. Wir haben in Niedersachsen mit unserem Vorschlag die Kombilohn-Debatte auf Bundesebene vorangetrieben - denn der Bund will sich ja nicht lange sagen lassen, dass so etwas nur in Niedersachsen funktioniert.
Zweitens. Die positiven Erfahrungen aus Hamburg zeigen: Niedersachsen ist mit seinem Niedersachsen-Kombi auf dem richtigen Weg. Deswegen wollen wir keine Zeit verlieren.
Drittens. Wichtige Arbeitsmarktpartner wie die Unternehmerverbände und viele der örtlichen Träger von Hartz IV sehen das genauso.
Viertens. Die Vorbereitungen liegen voll im Plan. Der Niedersachsen-Kombi wird zum 1. Juli im Lande beginnen.
Fünftens. Wenn der Bund eine bessere Lösung entwickeln sollte, dann wird sich Niedersachsen dieser selbstverständlich nicht verschießen.
Aber, meine Damen und Herren, der Antrag der SPD-Fraktion führt uns in eine falsche Richtung. Ich glaube nicht, dass er sehr weiterführend ist.
Herr Hirche, ich hätte es Ihnen ersparen können, dass ich jetzt noch einige Bemerkungen mache. Aber dass Sie uns unterstellen, dass wir mit diesem Antrag Arbeitsplätze vernichten wollen, ist nicht in Ordnung. Denn ich denke, wir alle sind bemüht, einen Weg in die andere Richtung zu suchen und zu finden, nämlich mehr Arbeitsplätze zu schaffen und die Arbeitslosigkeit in diesem Land zu reduzieren.
Ich möchte einige Anmerkungen machen. Wir reden hier darüber, dass es bei der Entlohnung von Arbeit untere Grenzen geben muss, dass Arbeit anständig entlohnt werden muss. In diesem Zusammenhang steht doch genau das Problem, das wir seit mehreren Jahren in diesem Land zu verzeichnen haben: Warum kommt denn die Wirtschaft nicht richtig in Gang? - Das liegt doch daran, dass die Binnennachfrage seit Jahren stagniert bzw. rückläufig ist. Das hat nicht nur etwas mit Massenarbeitslosigkeit zu tun, sondern damit, dass diejenigen, die noch in Arbeit stehen, immer weniger Geld im Portmonee haben, das sie überhaupt noch ausgeben können.
Ich meine, dass es legitim ist, Herr Hillmer - das steht doch auch im Mittelpunkt unseres Antrages -, darüber zu reden, wie wir Untergrenzen einziehen können - wohl wissend, dass es von Branche zu Branche Unterschiede gibt. Herr Hagenah ist ja
Wir wollen eben nicht, dass das mit einem einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro - oder wie hoch auch immer - in den Branchen, in denen die Tarife, die zwischen den Tarifvertragsparteien ausgehandelt worden sind, deutlich geringer liegen, zerstört wird.
Im Übrigen haben wir das hohe Gut der Tarifautonomie. Das gilt es in diesem Land auch zu berücksichtigen.
Lassen Sie uns auf eine vernünftige Basis der Diskussion kommen! Uns geht es beileibe darum, hier Arbeitsplätze zu schaffen.
Herr Hillmer, weil Sie die ganze Zeit an Ihrem Platz so herumzappeln: Beschäftigen Sie sich bitte einmal mit dem Niedriglohnsektor! Dann werden Sie feststellen, dass mittlerweile 64,2 % der im Niedriglohnsektor Beschäftigten eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Mittlerweile ist also auch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht mehr Garant dafür, in diesem Land noch einen anständigen Lohn zu bekommen, mit dem man eine Familie ernähren kann. Darüber sollten Sie sich einmal Gedanken machen, Herr Hillmer, und nicht vom hohen Ross darüber diskutieren.
Ich bitte Sie noch einmal herzlich, vernünftig über diese Fragen zu reden. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sein, mitberatend sollen der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit sowie der Ausschuss für den ländlichen Raum,
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sein. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das ist einstimmig so entschieden worden.
Tagesordnungspunkt 42: Erste Beratung: Deutschland muss sich am Modellversuch „Reduzierter Mehrwertsteuersatz für arbeitsintensive Dienstleistungen“ beteiligen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/2716