Protokoll der Sitzung vom 24.03.2006

Jetzt sage ich Ihnen einmal, was andere zum Thema „Atomkonsens erhalten“ sagen. Dazu heißt es hier wörtlich: Ich bin besorgt, dass Schwellenländer wie China und Indien verstärkt umweltverträgliche Lösungen für ihre Wachstumsprozesse anstreben. Währenddessen sagen in Deutschland viele, jetzt sei nicht die Zeit für offensive Umweltpolitik. Das Gegenteil sei der Fall. Das sei auch ein entscheidender Beitrag für eine friedliche Entwicklung. - Das sagte ein Christdemokrat, von dem ich früher nicht gedacht hätte, dass ich ihn zitieren würde. Lesen Sie sich einmal durch, was Herr Töpfer über Ihre rückständigen Positionen äußert!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Töpfer ist da sehr viel weiter als so ziemlich jeder von Ihnen, der hier heute gesprochen hat. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat ebenfalls um zusätzliche Redezeit gemäß § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung gebeten. Sie haben zwei Minuten, Herr Janßen. - Einen Augenblick, bitte, Herr Janßen. Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Hirche gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich 1974 als junger Abgeordneter zum ersten Mal in diesen Landtag gewählt wurde, waren in Niedersachsen alle Kernkraftwerke genehmigt. Wir hatten zu dieser Zeit Ministerpräsidenten, die alle der SPD angehörten. Alle diese Kernkraftwerke im Land Niedersachsen sind von der SPD genehmigt worden. Das ist unbestreitbar.

(Zurufe - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

- Das hat Herr Dehde bestritten.

In den 70er-Jahren hat die Regierung unter Ernst Albrecht auf Druck der Bundesregierung unter Helmut Schmidt und Forschungsminister Matthöfer die Erkundung von Lagerstätten festgelegt, nämlich Schacht Konrad für schwach aktive und Gorleben für hoch aktive Abfälle.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Jetzt war es Helmut Schmidt und nicht Ernst Albrecht! Das ist eine Legendenbil- dung!)

Meine Damen und Herren, wir können uns heute über alles Mögliche streiten und unterschiedlicher Auffassung sein. Aber historische Wahrheiten bleiben historische Wahrheiten, lieber Herr Dehde, und Sie tun sich keinen Gefallen, diese zu verdrehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich appelliere noch einmal an das Parlament. Dieser Antrag - so haben es die Fraktionen signalisiert soll in die Ausschüsse überwiesen werden. Dort kann noch viel darüber debattiert werden. Deshalb muss es nicht diese große Aufgeregtheit geben, die hier teilweise herrscht. Wir sollten dem Redner zuhören. Das ist jetzt der Herr Janßen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von 1990 bis 1994 sind jedenfalls in Niedersachsen keine kerntechnischen Anlagen genehmigt worden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das stelle ich hier einmal fest. Das ist schon einmal ein Punkt.

Ansonsten möchte ich kurz auf das zurückkommen, was Herr Hirche in seiner ersten Rede gesagt hat. Aufgrund des EEG und durch regenerative Energien erzielen wir auch in Niedersachsen flächendeckende Investitionen. In der Bundesrepublik sind es in den nächsten 15 Jahren insgesamt bis zu 200 Milliarden Euro. Diese Gewinne fließen in die Breite; sie werden nicht an einzelnen Orten konzentriert. Die Gewinne werden diversifiziert. Viele haben daran Anteil. Das ist auch gut so. Genau das wollen wir auch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kernenergie, meine Damen und Herren, bindet enormes Kapital und führt zu einer Verstärkung der Monopolstrukturen. Auch das ist Fakt. Wenn Sie hier beispielsweise, wie Herr Dürr das gemacht hat, damit argumentieren, dass Norsk Hydro Standorte in Deutschland aufgegeben hat, dann muss ich sagen: Wir können nun einmal nicht mit einem Energiepreis von nahezu null wie in Dubai konkurrieren. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Wir haben die Energie hier nicht einfach so herumliegen, wie es dort der Fall ist. Von daher ist Ihre Technologie, wie Sie es hier verkaufen, wirtschaftsfeindlich, weil Sie den Fortschritt und die Möglichkeiten der Exportorientierung bei einer Schwerpunktsetzung auf regenerative Energien nicht sehen wollen. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die SPD-Fraktion hat noch einmal um zusätzliche Redezeit gebeten, nachdem Herr Minister Hirche gesprochen hat. Herr Schack, ich erteile Ihnen das Wort für zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hirche, Sie haben anfangs gesagt, Sie wollten die Debatte versachlichen, sind dann aber sehr laut geworden.

Ich möchte Ihnen etwas aus der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Neue Energie zitieren, was die Wirtschaftlichkeit von Energieträgern angeht. Diese Zeitschrift bekommen Sie ja wohl auch.

(Ursula Körtner [CDU]: Das hat Frau Zachow schon gehabt!)

Darin steht: Eine Studie von EUROSOLAR kam zu dem Schluss, dass aufgrund technischer Gegebenheiten durch den Windstrom Kapital in diese Grundlastkraftwerke verdrängt werde und eine Windstromvergütung von 16 Pfennig - dies war noch zu Pfennig-Zeiten - pro Kilowattstunde preiswerter sein würde als der Bau neuer Grundlastkraftwerke. Eine Studie der Uni in Flensburg kommt zu dem Schluss, dass die Fördersysteme der erneuerbaren Energien aufgrund des Vorhabens des CO2-Handels in den Jahren 2005 bis 2007 zu niedrigen Strompreisen geführt haben. Meine Damen und Herren, das müssen Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen!

Herr Hirche, Sie haben auf die Arbeitsplätze hingewiesen. - Nach einer Pressemitteilung der Bundesregierung hat der anhaltende Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland zu einem deutlichen Beschäftigungszuwachs geführt. Danach erscheint in Deutschland ein Anstieg der Beschäftigung auf dem Feld der erneuerbaren Energien auf etwa 300 000 Arbeitsplätze im Jahr 2020 realistisch. 2005 lag die Beschäftigtenzahl bei rund 170 000. Der erwartete Zuwachs kommt vor allem strukturschwachen Gebiete zugute, meine Damen und Herren.

Herr Hirche, Sie haben die Sicherheit von Kernkraftwerken angesprochen. - Ich habe ausgeführt, dass auch unsere deutschen Atomkraftwerke Sicherheitsmängel haben. Ich habe auf die Gefahr von Anschlägen mit Flugzeugen - wie in den USA hingewiesen. So etwas, meine Damen und Herren,

ist leider auch bei uns nicht mehr undenkbar. Unfälle mit Atomkraftwerken können auch bei uns passieren; dies haben wir in Tschernobyl gesehen.

(Beifall bei der SPD)

Gerade von Ihrer Seite, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, ist doch gekommen, dass hier überall Terroristen herumlaufen.

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Schünemann sieht die Feinde unter uns.

(Lachen und Beifall bei der CDU und bei der FDP- David McAllister [CDU]: Was ist denn mit Ihnen los?)

Schäuble will bei Weltmeisterschaft Panzer aufstellen, und der Verteidigungsminister will Kampfflugzeuge hochschicken.

(David McAllister [CDU]: Wer hat Ih- nen das denn aufgeschrieben?)

Herr Abgeordneter Schack, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Sie sind es doch, die hier Ängste schüren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Zugabe! - Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie oft ich heute schon den Appell an Sie gerichtet habe, ruhig zu sein.

Herr Dürr, auch Sie erhalten nach § 71 Abs. 3 eine zusätzliche Redezeit von zwei Minuten.

Herr Präsident! Herzlichen Dank für die zusätzliche Redezeit. Die brauche ich auch; denn ich muss hier eine Sache klarstellen, die von der Opposition

wieder einmal ganz bewusst falsch dargestellt wird.

Meine Damen und Herren, es geht nicht um ein Entweder-Oder, sondern es geht darum, dass wir beides brauchen: Wir brauchen die erneuerbaren Energien, und wir brauchen auch die anderen Technologien. Das ist der eigentliche Punkt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Schack, wenn man das Lobbyblatt der entsprechenden Branche zurate zieht, findet man natürlich sehr schnell die entsprechenden Antworten.

(Beifall bei der FDP - Klaus-Peter Dehde [SPD]: Das ist so, als wenn Minister Sander zum Atomforum ge- hen würde!)

Das wäre so, als wenn ich aus dem Kernenergieforum zitieren würde. Dies tue ich aber nicht, Herr Kollege Dehde.

Meine Damen und Herren, am Ende geht es einzig und allein um Frage - ich hätte mich darüber gefreut, wenn wir die Entscheidung heute ganz öffentlich hier getroffen hätten -, ob wir einen deutschen Alleingang wollen oder ob wir, eingebettet in eine europäische Strategie, für den technologieoffenen Energiemix kämpfen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Da der Energiegipfel bereits am 3. April stattfindet, möchte ich mein Bedauern darüber sehr deutlich zum Ausdruck bringen, dass die SPD-Fraktion die Ausschussüberweisung beantragt. Der Umweltausschuss soll dabei federführend sein. Dies begrüße ich natürlich, weil wir ja den Energiebereich besprechen.

Ich hätte mir aber schon gewünscht, dass, wenn es hier zum Schwur kommt, auch die SPD-Fraktion vor aller Öffentlichkeit sagt, wie sie zu dieser Sache steht. Dass dies nicht passiert, finden wir traurig. Wenn Sie uns erneut die Hand reichen wollen, meine Damen und Herren, nehmen wir sie gerne. Wir können gerne zu einer Abstimmung kommen, aber Sie drücken sich davor. Das ist die Wahrheit.