Protokoll der Sitzung vom 16.05.2006

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit fördern Sie ganz gewiss nicht die Einbürgerungsbereitschaft hier lebender Migranten und Migrantinnen. Im Gegenteil, Sie werden Migranten und Migrantinnen noch stärker das Gefühl vermitteln, in Deutschland unerwünscht zu sein. Statt Anreize für Einbürgerung zu schaffen, setzen Sie Pflöcke für zusätzlich erhöhte Zäune. Das Tor für den Durchlass öffnen Sie nur einen winzigen Spaltbreit. Wir brauchen Einbürgerung in Niedersachsen. Es ist doch alarmierend, dass die Zahl der Einbürgerungsanträge in der Vergangenheit deutlich zurückgegangen ist, obwohl auch in Niedersachsen schon lange viele Migranten und Migrantinnen leben, hier ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben und hier bleiben wollen, aber dennoch keinen Einbürgerungsantrag stellen.

Meine Damen und Herren, Innenminister Schünemann hat einmal gesagt: Die Einbürgerung ist die Krönung einer gelungenen Integration. - Recht hat er! Genau darin liegt doch aber die Herausforderung auch für uns. Es liegt nämlich an uns, im Vorfeld die entsprechenden Integrationsangebote zu machen. Wie sieht es aber in Niedersachsen in dieser Hinsicht aus? - Sie haben die Mittel für die Migrationsforschung erheblich gekürzt und gestrichen.

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang einen kleinen Hinweis auf die Förderung an Schulen. Die PISA-Studie, die sich mit der Situation von Migrantinnen und Migranten in unserem deutschen Schulsystem befasst, stellt Ihnen ein Armutszeugnis aus.

(David McAllister [CDU]: Uns allen!)

Insbesondere bei der Integration in der zweiten Generation versagt unser Schulsystem total. Wir liegen im Vergleich mit 17 OECD-Staaten am absoluten Ende.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen abschließend nur eines sagen. Es reicht nicht aus, bei der Einbürgerung zusätzliche Zwangsmaßnahmen einzuführen; denn diese signalisieren Migranten ganz gewiss nicht das, was notwendig wäre, nämlich das Gefühl: Ihr seid hier willkommen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Bode das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir nach dem in den letzten Wochen gefundenen Konsens das Thema heute in einer angemessenen Art und Weise behandeln könnten. Herr Kollege Bachmann ist aber wohl noch zu sehr im OberbürgermeisterWahlkampf,

(David McAllister [CDU]: Im Bürger- meister-Wahlkampf!)

- im Bürgermeister-Wahlkampf -, dass er diesen Stil hier in die Aktuelle Stunde mit hereingenommen hat.

(David McAllister [CDU]: Wir wollen ihn nicht überbewerten!)

Liebe Frau Langhans, wenn Sie hier so viel über Toleranz und entsprechende Maßnahmen, die Sie einfordern, reden, muss man sagen, dass Toleranz auch ihre klaren Grenzen hat und dass man diese klaren Grenzen benennen können muss. Wir sind der Meinung, dass jemand, der sich in Deutschland einbürgern lassen will, unsere Wertorientierung akzeptieren muss, dass er in ihrem Sinne leben muss und hier dann auch nach seiner Fasson glücklich werden kann. Genau dieses hat die Innenministerkonferenz umgesetzt.

Was ist dort genau beschlossen worden? - Es wurde beschlossen, dass sich alle, die deutsche Staatsbürger werden wollen, in gewissen Bereichen entsprechend schulen lassen müssen und die Ergebnisse der Schulung hinterher auch überprüft werden. Es geht bei dieser Schulung um Themen wie Demokratiebewusstsein, Konfliktlösung in einer demokratischen Gesellschaft, Rechtsstaat, Sozialstaat, Verantwortung des Einzelnen für das Gemeinwohl, Teilhabe an der politischen Gestaltung, Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie die Grundrechte. All dies sind Themen und Dinge, die wir in unserem Wertekanon voraussetzen und voraussetzen müssen. Das hat die Innenministerkonferenz hervorragend gelöst. Dafür sollten wir allen Innenministern und

auch unserem Innenminister Uwe Schünemann dankbar sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist auch richtig, dass ein derart weitgehender Schritt wie eine Einbürgerung, also der Wechsel von einer Staatsbürgerschaft in eine andere, in einem angemessenen Rahmen und einem angemessenen Akt vollzogen werden muss, also nicht in irgendeinem Hinterzimmer bei einer Kommune oder im Kreis. Wir sollten jemanden, der zu uns kommt, der unsere Staatsbürgerschaft annehmen will und in unserer Gesellschaft aufgenommen werden will, angemessen begrüßen und willkommen heißen. Diese Aufgabe gilt es in der Zukunft konkret auszugestalten.

Wir haben mit dem Beschluss der Innenministerkonferenz natürlich noch nicht alles das erreicht, was erforderlich ist, um unser Staatsbürgerschaftsrecht und auch unser Zuwanderungsrecht auf den aktuellen Stand zu bringen. Natürlich müssen wir - das haben wir hier gesagt; wir sagen es aber auch dort, wo es hingehört, nämlich in den Deutschen Bundestag - über die Frage einer entsprechenden Bleiberechtsregelung bzw. Kettenduldung im Zuwanderungsrecht noch reden und auch geeignete Lösungen finden. Das ist, denke ich, uns allen bewusst. Wir sollten dies aber dort tun, wo es hingehört, nämlich im Deutschen Bundestag, nicht aber in Landtagen oder auf irgendwelchen Konferenzen.

(Zustimmung von Dr. Philipp Rösler [FDP] und Zustimmung bei der CDU)

Wir sollten auch mit Stichtagsregelungen und allem, was es in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit gegeben hat, Schluss machen und eine vernünftige, lange und nachhaltig wirkende Bleiberechtsregelung für Menschen finden, die lange Jahre hier leben, die vielleicht sogar als Kinder hier aufgewachsen sind, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen und die ihren Lebensunterhalt selber verdienen. Diese Bleiberechtsregelung muss der Situation der Betroffenen gerecht werden. Dafür werben wir. In dieser Hinsicht wollen wir einen Konsens erreichen. Es wäre schön, wenn die SPD im Bundestag hier auch ein bisschen mehr Tempo machen und nicht nur Herrn Bachmann und Frau Merk hier in Niedersachsen vorschicken würde. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung hat sich Herr Innenminister Schünemann zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entscheidungen von GarmischPartenkirchen sind kein Kompromiss, sondern aus meiner Sicht ein Signal für die Ausländerpolitik in Deutschland. Das will ich erläutern.

Was ist dabei vor allen Dingen der niedersächsische Weg? - Wir müssen die Integration insgesamt intensivieren. Wir müssen es natürlich ermöglichen, dass derjenige, der hier besondere Integrationsleistungen erbracht hat, die deutsche Staatsbürgerschaft erringen kann.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: „Erringen“ ist gut!)

Wir müssen auch den Mut haben, Einwanderung und Ausländerpolitik zu steuern. Ein Weiteres will ich aufgrund der aktuellen Diskussion klar sagen: Wir müssen auch diejenigen, die ausreisepflichtig sind, und vor allen Dingen diejenigen, die sich hier etwas zuschulden kommen lassen, zurückführen. Wir müssen alles daransetzen, dass diese Menschen unser Land wieder verlassen können. Das ist meines Erachtens wichtig; denn ansonsten werden wir keine Akzeptanz haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was haben wir auf der Zugspitze vereinbart? - Wir haben vereinbart - das halte ich für wichtig; Frau Langhans hat es schon dargestellt -, dass wir die Integrationsleistungen für die Jugendlichen verbessern. Diese Vereinbarung geht übrigens auf einen Antrag Niedersachsens zurück, der einstimmig beschlossen worden ist. Er sieht 300 zusätzliche Unterrichtsstunden für die Jugendlichen vor, die nicht einfach auf die 600 Stunden draufgesattelt, sondern ganz gezielt in der Schule berufs- bzw. schulbegleitend eingesetzt werden. Denn es ist doch erschreckend, dass 20 bis 30 % der ausländischen Jugendlichen keinen Hauptschulabschluss schaffen. Das haben wir auf Vorschlag Niedersachsens einmütig vereinbart. Das ist meines Erachtens ein ganz wichtiger Beitrag, um diesen Jugendlichen wirklich zu helfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Krönung der Integration - das kann man gar nicht besser sagen, als Sie mich zitiert haben - ist natürlich die Einbürgerung. Es ist wichtig, dass man dabei nach einheitlichen Standards vorgeht. Ich bin sehr froh, dass die lauthals geführte Diskussion über Vorschläge beendet ist und wir uns jetzt wieder auf das Wesentliche konzentrieren können. Es ist doch klar, dass man die deutsche Sprache sprechen können muss. Deshalb ein einheitliches Niveau B 1. Wer straffällig geworden ist, kann meiner Ansicht nach nicht eingebürgert werden. Das ist völlig klar. Darauf haben wir uns auch geeinigt. Außerdem ist es doch selbstverständlich, dass man die Grundwerte unserer Verfassung kennt und dass man Möglichkeiten schafft, dass dieses Wissen in Erwachsenenbildungskursen vermittelt und am Ende auch überprüft werden kann. Meiner Ansicht nach ist es völlig richtig, dass wir das vereinbart haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sollten diese Einigkeit, die jetzt unter den Innenministern besteht, nutzen, um jetzt auch über die anderen Fragen, die hier zu Recht angesprochen worden sind, vernünftig zu sprechen, und wir sollten uns nicht gegenseitig vorwerfen, dass der eine oder andere unmenschlich oder vielleicht unchristlich ist. Es geht vielmehr darum, einen vernünftigen Weg zu finden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben vereinbart - übrigens einmütig, auch mit den A-Ländern -, dass wir auf der Herbstkonferenz auch über Bleiberechtsregelungen sprechen. Übrigens habe ich als Erstes auch in dieser Hinsicht einen Vorschlag unterbreitet, weil ich weiß, wie schwierig es mit den Kindern ist. Ich habe ein Wiederkehrrecht bzw. für Jugendliche über 15 Jahre ein Daueraufenthaltsrecht gefordert, das im Ausländerrecht übrigens schon geregelt ist. Ich meine, dass wir auf dieser Basis und auf der Grundlage der anderen Vorschläge, die Niedersachsen unterbreitet hat, im Herbst zu einer Einigung gelangen werden. Das ist auch wichtig, um hier ein Signal zu setzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Um Akzeptanz zu gewinnen, müssen wir uns aber auch darüber überhalten, wie wir Straftäter zurückführen können. Denn das, was auch heute

wieder in den Zeitungen berichtet worden ist, ist schlichtweg nicht zu akzeptieren: Intensivtäter, die 30, 35, 40 Straftaten begangen haben, die ihre Identität verschleiert haben und deren Herkunftsländer - hier geht es um den Libanon, um es einmal klar zu sagen - sich weigern, sie zurückzunehmen. Das ist meiner Ansicht nach nicht zu akzeptieren. Darüber müssen wir auf der Innenministerkonferenz im Herbst auf jeden Fall zu einer Einigung kommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Werner Buß [SPD]: Das wollen wir doch auch!)

- Dann lassen Sie uns doch gemeinsam daran gehen! Wir haben jetzt nicht nur eine Innenministerkonferenz, die sich einig ist, sondern wir haben auch eine große Koalition. Insoweit sage ich hier sehr deutlich: Wenn sich der Libanon weigert, diese Straftäter zurückzunehmen, dann kann er nicht verlangen, dass er von der Europäischen Union irgendwelche Hilfsleistungen bekommt. Meine Damen und Herren, dann müssen wir den Mut haben, diese Hilfsleistungen zu streichen, um dieses Problem zu lösen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Richtig! Damit ist dann Schluss!)

Deshalb möchte ich Sie, meine Damen und Herren, alle bitten, darüber wirklich unaufgeregt zu sprechen und diese Einigkeit zu nutzen, um zu vernünftigen Beschlüssen zu kommen. Wir müssen nach dem Motto „Fördern und fordern“ die Integration verbessern. Auf diesem Wege sind wir in Niedersachsen weit vorangekommen. Auch auf Bundesebene sind wir hier, insbesondere was die Jugendlichen angeht, einen Schritt weitergekommen. Aber die anderen Fragen müssen wir genauso unaufgeregt klären. Dann haben wir endlich einen Konsens und Ruhe in dieser Frage, wie es sich gehört, wenn es um Menschen in unserem Land geht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt sehe ich nicht. Damit stelle ich fest, dass wir den Tagesordnungspunkt 8 b) abgeschlossen haben.

Ich rufe auf:

c) Zwei Welten - Busemanns 100 % und die Realitäten an den Schulen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2880

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Jüttner. Bitte schön, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt geht es wieder um einen der ganz Großen auf der Regierungsbank, um einen der ganz großen Anscheinserwecker, Herr Busemann.

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Heute Morgen sind Sie schon hinreichend entlarvt worden: Sie genehmigen Ganztagsschulen und lassen sie im Alltag absaufen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)