Protokoll der Sitzung vom 16.05.2006

Wir haben erwartet, dass Sie in einer Regierungserklärung dazu Stellung nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben aber gerade eine klassische Einbringungsrede gehalten, nicht weniger, aber auch nicht mehr. War Ihre Ankündigung einer Regierungserklärung nur ein medienwirksamer Trick?

(Reinhold Coenen [CDU]: Sie haben nicht zugehört! - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wenn man es nicht versteht!)

Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede eben fast beschwörend auf Gemeinsamkeiten hingewiesen. Sie machen es sich sehr einfach, wenn Sie meinen, uns mit Ihrem Gesetzentwurf einlullen zu können.

(Beifall bei der SPD)

Die Unterschiede zwischen Ihrer und unserer Schulpolitik sind einfach zu groß.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Gott sei Dank!)

Auch wenn wir uns in der Zielsetzung von mehr Selbständigkeit für die Schulen einig sind, sind unsere Wege dahin sehr unterschiedlich. Das wird in den einzelnen Paragrafen deutlich. Ich bezweifle, dass Ihr Entwurf Ziel führend ist.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf soll auch § 23 Abs. 1, der die Ganztagsschule betrifft, verändert werden.

(Walter Meinhold [SPD]: Unglaublich! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Trickser!)

Damit sollen der Widerspruch zwischen dem Schulgesetz und dem Ganztagsschulerlass aufgelöst und die Ganztagsschule light rechtlich abgesichert werden.

(Walter Meinhold [SPD]: Genau so!)

Bisher entsprach die Genehmigung nach § 8 Abs. 2 des Erlasses nicht geltendem Recht. Bildungspolitisch bleiben auch nach dieser Nachbesserung die Ganztagsschulen mit einem dreitägigen Angebot falsch. Sie bleiben, was sie bisher waren: eine Mogelpackung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ganztagsschule heißt nicht, dass vormittags Pflichtunterricht erfolgt und sich nachmittags Ehrenamtliche abstrampeln. Mit dieser Vorgehensweise diskreditieren Sie eines der zentralen bildungspolitischen Zukunftsprojekte.

(Beifall bei der SPD)

Sie sind auch noch stolz auf die Schulen, für die Sie Zuschüsse aus dem Ganztagsschulprogramm des Bundes beantragen und die das Land mit keinem Cent unterstützt.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich nun konkret auf die Eigenverantwortliche Schule zu sprechen kommen. Das Erste, was uns, meine Damen und Herren von CDU und FDP, auffällt, ist dies: Indem Sie Kompetenzen von der Gesamtkonferenz verlagern, nehmen Sie den Eltern Beteiligungsrechte weg. Der Schulbeirat ist kein Ersatz und schon gar nicht eine Weiterentwicklung. Kein Wunder, dass der Landeselternrat den Entwurf ablehnt.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Eine moderne Schule braucht die Kompetenz von Eltern. Das muss im Gesetz verankert sein.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Minister, Sie dürfen nicht auf die Zustimmung der Eltern verzichten. Nehmen Sie den Elternwillen ernst, und ändern Sie Ihren Gesetzentwurf! Wir sollten uns in den Ausschussberatungen intensiv mit diesem Part beschäftigen.

Bei der Einbringung unseres Entwurfes zur Selbständigen Schule im Februar habe ich darauf hingewiesen, dass wir uns an einigen Stellen offen für Änderungen zeigen wollen. Nach den vielen Gesprächen, die wir inzwischen mit Elternverbänden und Elternvertretern geführt haben, wollen wir die

Einführung einer Schulkonferenz und die Auswahl der Zuständigkeiten, die ja von der Gesamtkonferenz übertragen werden können, im Grundsatz vom Votum der Eltern- und Schülervertretung abhängig machen. Damit stärken wir - im Gegensatz zu Ihnen - Elternbeteiligung.

(Beifall bei der SPD)

Sie machen einen weiteren kapitalen Fehler. Herr Minister: Sie ersetzen die Allzuständigkeit der Gesamtkonferenz durch die Allzuständigkeit der Schulleiterin oder des Schulleiters.

(Widerspruch bei der CDU)

Die Lehrkräfte nehmen Ihnen das zu Recht übel und lassen sich durch Lobhudelei nicht hinter die Fichte führen.

(Beifall bei der SPD)

Wie sieht denn die Realität für die Lehrkräfte in Niedersachsen zurzeit aus? Sie sieht so aus: Überlastung durch ständige Neuerungen, mehr Arbeit, große Klassen.

Das Verhältnis zwischen Gesamtkonferenz und Schulleitung ist nicht ausgewogen, wie Sie uns glauben machen wollen. Sie nehmen pädagogische Entscheidungsmöglichkeiten von der Gesamtkonferenz weg und verlagern sie auf die Schulleitung. Die Entscheidung über die Einführung von Schulbüchern - um ein weniger schwer wiegendes Beispiel zu nennen -, aber auch die Einführung der alternativen Stundentafel geben Sie in die Hand des Schulleiters. Damit düpieren Sie die Kollegien, aber gleichzeitig auch die Elternund Schülervertreter in der Gesamtkonferenz, und Sie widersprechen den Erkenntnissen moderner Führung; die setzt nämlich auf Teamarbeit und nicht auf die Heraushebung Einzelner. Schule ist nun einmal kein Wirtschaftsbetrieb. Der Umgang zwischen Kollegium und Leitung muss ein anderer sein.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich hatte in der Einbringung gesagt, dass für uns der neu gefasste § 32 die wichtigste Vorschrift ist, in der den Schulen größtmögliche Freiheit für die pädagogische Gestaltung gegeben wird. Sie nennen in Ihrem Entwurf einen festgelegten Katalog von Aufgaben für die Gesamtkonferenz und haben diesen gegenüber der Anhörungsfassung um den Punkt „Ausgestaltung der eigenverantwortlichen Arbeit

der Schule“ erweitert. Das, Herr Minister, ist eine Verbesserung gegenüber dem ersten Entwurf.

Aber: So gewaltig, wie Sie ihn angekündigt haben, ist der Befreiungsschlag nun doch nicht geworden.

(Zustimmung von Marie-Luise Hemme [SPD])

Sie haben versprochen, dass wir uns hier noch wundern werden, wie viele Freiheiten Sie geben. Aber das ist nicht eingetreten. Sie versprechen, dass über die Anwendung von 30 benannten Erlassen die Schulen selbst entscheiden können. Darunter sind so wichtige wie der Erlass über die Schulfahrten oder der über den Verkauf von Esswaren und Getränken. Die Teilnahme an der Fitnesslandkarte soll auch kein Muss mehr sein. So schaffen Sie sich dieses Problem vom Hals. Weitere 13 Erlasse sollen noch darauf überprüft werden, ob man ihre Einhaltung der Schule überlassen kann.

Sie haben eben behauptet, dass Sie damit das einlösen, was wir im Februar gefordert hätten. Mitnichten, Herr Minister!

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion legt die Deregulierung gesetzlich fest. - Sie hingegen geben den Schulen pädagogische Freiheit nach Gutsherrenart.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, der von der Schule einzurichtende Schulbeirat hat eine deutliche Aufwertung erfahren. Dieses Gremium soll nun bei der Erarbeitung des Schulprogramms und der Aufstellung des Wirtschaftsplans mitwirken, sich mit den Ergebnissen interner und externer Evaluation befassen dürfen und - das ist wichtig, denn hier machen Sie ein Fass auf - über Werbung und Sponsoring an der Schule entscheiden. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Eigenverantwortlicher und Selbständiger Schule: Wir überlassen die Einrichtung eines Beirats der Schule. Wir schreiben nichts vor. - Sie regulieren, statt zu deregulieren - „kann“ steht bei uns -, und ziehen sich zu Recht den Unmut von Philologenverband und GEW zu, wie heute in der Presse zu lesen war.

Neu ist auch die Zusammenstreichung der Vorschrift: Auf die eigene pädagogische Verantwortung der Lehrkräfte, insbesondere auf deren methodische und didaktische Freiheit, ist Rücksicht zu nehmen. - Ihr Entwurf will nur noch auf die päda

gogische Verantwortung Rücksicht nehmen. Welche Auswirkung wird, welche Auswirkung soll diese Streichung haben? - Die Leitlinie, an der eine Schule ihre Qualitätsentwicklung ausrichten will, ist in allen drei Entwürfen das Schulprogramm. Es lohnt sich, darüber Genaueres festzustellen. Im Schulprogramm geht es um das Leitbild, um Werte und Ziele, aber es ist auch ein ganz konkretes Arbeitsprogramm, das Einzelmaßnahmen und Zeitvorgaben enthält und den Entwicklungsprozess einer Schule überprüfbar macht. Welche Beratungsund Unterstützungssysteme stehen zur Verfügung, wenn eine Schule hierbei Hilfe braucht?

(Ursula Körtner [CDU]: Das hat er ge- rade eben gesagt, und zwar umfas- send!)

Auch darauf antworten Sie nicht. Lassen Sie die niedersächsischen Schulen nicht im Regen stehen! Qualitätsentwicklung braucht regelmäßige Überprüfungen und Schulinspektionen.

(Beifall bei der SPD)

Aber wenn die Ergebnisse vorliegen, dann brauchen Schulen Unterstützung.