- Meine Damen und Herren, dem Anliegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben mehr als dreißig Mitglieder widersprochen. - Wir kommen nun zur Ausschussüberweisung. Der Antrag soll an den Kultusausschuss überwiesen werden. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenenthaltungen? - Ich sehe, dass das nicht der Fall ist.
Tagesordnungspunkt 4: Zweite Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage in Niedersachsen - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2157 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drs. 15/2823
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen.
Dieser Empfehlung haben alle Ausschussmitglieder mit Ausnahme desjenigen der Antrag stellenden Fraktion, also der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, zugestimmt. In den mitberatenden Ausschüssen ist ebenso abgestimmt worden.
Der Ausschuss hat am 3. Februar 2006 eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchgeführt, bei der insgesamt 16 Vereinigungen und öffentliche Stellen Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Das Ergebnis der Anhörung ist allerdings in den Ausschussberatungen von den Fraktionen recht unterschiedlich bewertet worden.
Die große Mehrheit des Ausschusses sah sich durch die Stellungnahmen der Einrichtungen und Verbände darin bestärkt, dass eine gesetzliche Regelung zur Einführung einer Verbandsklage auf dem Gebiet des Tierschutzes nicht erforderlich sei und den allgemeinen Zielsetzungen zum Bürokratieabbau und zur Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren zuwiderlaufen würde. Ein Ausschussmitglied der CDU-Fraktion erklärte, der Tierschutzstandard in Deutschland könne als gut bewertet werden, und es sei zweifelhaft, ob die Einführung der beantragten verfahrensrechtlichen Vorkehrungen eine Verbesserung des Tierschutzes bringen könne. In diesem Zusammenhang wurde auch auf bereits vorhandene Gremien, insbesondere auf die Tierschutzkommission, hingewiesen. Das Ausschussmitglied der FDP-Fraktion verwies darauf, dass auch von ihrer Interessenlage her nicht eindeutig festgelegte Verbände die Verbandsklage skeptisch beurteilt hätten.
Das Ausschussmitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sah hingegen das Anliegen seiner Fraktion durch das Ergebnis der Anhörung bestätigt. Es gehe nicht um die Einführung zusätzlicher gesetzlicher Vorschriften, sondern um die Behebung eines Ungleichgewichts im Bereich des Verfahrensrechts. Damit werde ein Ausgleich dafür geschaffen, dass Tiere nicht klagebefugt seien und dass deshalb nur ein Übermaß an Tierschutz gerichtlich überprüft werden könne, nicht aber ein Schutzdefizit. Befürchtungen, dass das neue Instrument der Verbandsklage missbraucht werden könne oder dass übermäßige Verzögerungen von Genehmigungsverfahren damit verbunden seien, würden durch die Erfahrungen mit der naturschutzrechtlichen Verbandsklage widerlegt.
Die Ausschussmitglieder der SPD-Fraktion sprachen sich dafür aus, nur die Mitwirkungsrechte in § 1 und die Anerkennung von Vereinen in § 2 gesetzlich zu regeln, auf die Regelung zur Verbandsklage in § 3 aber zu verzichten. Eine solche Verbesserung der Mitwirkungsmöglichkeiten tierschutzrechtlicher Verbände sei derzeit ausreichend; die Wirkungen einer solchen Regelung sollten nach Ablauf von fünf Jahren überprüft werden. Dieser Vorschlag wurde jedoch von der Ausschussmehrheit der Fraktionen von CDU und FDP, aber auch vom Ausschussmitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Namens und im Auftrag des Ausschusses für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bitte ich Sie nunmehr darum, der Beschlussempfehlung zuzustimmen und damit den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen.
Herr Präsident! - Tiere können keine Klage einreichen. Deswegen müssen Tierschutzverbände ein Verbandsklagerecht erhalten. - So argumentieren die Grünen für den vorliegenden Gesetzentwurf. Für uns als Fraktion der FDP stellt sich der Sachverhalt aber differenzierter dar.
Gibt es einen gravierenden Mangel im deutschen Rechtssystem und in der Tierschutzpraxis, den wir beseitigen müssen?
Sind die derzeitigen Mechanismen zur Umsetzung des Tierschutzes ausreichend, oder müssen wir sie ändern? Ist die Einbindung der Tierschutzverbände über den Tierschutzbeirat erfolgreich, oder wollen wir ihm das Instrument eines Verbandsklagerechts in die Hand geben?
haben. Um das Thema sachgerecht zu behandeln, haben wir im Februar eine öffentliche Anhörung durchgeführt, bei der 16 Vereinigungen und öffentliche Stellen Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Ich wiederhole es: Wir hatten 16 Vereine und Anzuhörende im Agrarausschuss. - Ich meine, damit haben wir allen Beteiligten die Möglichkeit gegeben, ihre Vorstellungen einzubringen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Alles andere wäre auch undemokratisch gewesen!)
In dieser Anhörung ist allerdings nichts wesentlich Neues berichtet worden. Die Debatte zur Einführung des Tierschutzverbandsklagerechts hat das Land Schleswig-Holstein im Bundesrat schon einmal angestoßen, ist damit aber gescheitert.
Wir haben eine Reihe von Tierschutzverbänden angehört, die - wer hat es anders erwartet? - für ihr eigenes Verbandsklagerecht gesprochen haben. An der Debatte haben sehr viele engagierte und sachlich argumentierende Vertreter des Tierschutzes teilgenommen. Auf der anderen Seite standen die Forschungseinrichtungen, die aus Sorge um ihre Forschungsarbeiten natürlich gegen ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände argumentiert haben.
Als Dritte - ich nenne sie einmal die neutrale Seite - waren die Tierärztliche Hochschule, die Tierärztekammer und die kommunalen Spitzenverbände zu der Anhörung geladen. Auch sie lehnten das Verbandsklagerecht aus Sorge um zusätzliche Bürokratie und mit dem Hinweis auf die ohnehin bestehenden hohen Tierschutzstandards ab.
Letztlich bleibt die Beantwortung der anfangs gestellten Fragen. Herr Kollege Klein, aus meiner Sicht gibt es in der Tierschutzpraxis in Niedersachsen kein Defizit. Die Tierschutzverbände konnten aus meiner Sicht nicht schlüssig vortragen, dass es ein solches Defizit bei uns gibt.
Auch die Befürchtungen, was bürokratischen Mehraufwand und Verzögerung von Genehmigungen angeht, konnte die Anhörung nicht entkräften. Ich sage hier: Im Gegenteil!
Während einige Tierschutzverbände beteuerten, das Verbandsklagerecht nicht überzustrapazieren und eher selten einzusetzen - ich sage hier ganz deutlich: der Mehrheit der Tierschutzverbände, die teilgenommen haben, glaube ich das auch -, erweckten andere Verbände eher den Eindruck, nur darauf zu warten, der medizinischen Forschung und der Landwirtschaft das Leben schwer machen zu können. - Das können wir nicht unterstützen, meine Damen und Herren.
Deswegen, Herr Kollege Klein, kann ich hier nur sagen: Für die FDP-Fraktion kommt in der Abwägung nur die Ablehnung Ihres Gesetzentwurfs in Betracht. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn schon die Politik nicht für Schwächere, für Benachteiligte und gegen Ungerechtigkeiten Partei ergreift, so sollte sie ihre Aufgabe doch wenigstens darin sehen, für Chancengleichheit in der Gesellschaft zu sorgen. Wir wollen mit unserer Gesetzesinitiative für die Verbandsklage im Tierschutz diesen Ausgleich, diese Chancengleichheit zwischen Tiernutzern und Tierschützern, herstellen. Diese Chancengleichheit ist nicht gegeben, solange jeder Tiernutzer ein vermeintliches Zuviel an Tierschutz vor Gericht bringen kann, aber ein Zuwenig an Tierschutz von niemandem beklagt werden kann. Tiere brauchen eben diesen menschlichen Treuhänder, und Tierrechte brauchen die Judikative als dritte Gewalt wie alle anderen Rechtsbereiche auch.
Natürlich ist nachvollziehbar, dass die klageberechtigten Tiernutzer ihr Privileg und ihre Machtposition behalten wollen und entsprechende Horrorszenarien für die Verbandsklage in die Welt set
zen. Aber wenn auch alle anderen Fraktionen - außer den Grünen - diesen einseitigen Lobbyinteressen das Wort reden, dann finde ich das nicht akzeptabel, dann macht das betroffen. Auf dieses Alleinstellungsmerkmal würden wir gern verzichten.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie wollen keine Chancengleichheit. Sie wollen weiter Hühner in Käfige sperren, ohne dass Ihnen dabei jemand in die Quere kommt. Darum geht es doch letzten Endes.
(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Sie wis- sen doch, dass die alten Käfige aus- gedient haben, Herr Kollege!)
Der Vorschlag der SPD, auf die Klage zu verzichten und nur die Beteiligungsmöglichkeiten ins Gesetz zu nehmen, bringt keine andere Qualität. Sie haben nicht begriffen, dass die Klagemöglichkeit das entscheidende Instrument für mehr Tierschutz ist.
Die Beteiligungsmöglichkeiten sind nur juristische Voraussetzung und Folge des eingeräumten Klagewegs. Wer die Klage streicht und nur die Beteiligungsmöglichkeiten übrig lässt, der baut auch Häuser ohne Dächer, und das ist bekanntlich sinnlos.
Alle wortreichen Begründungen der Privilegierten, die dieses Unrecht rechtfertigen sollten, sind in der Anhörung meiner Ansicht nach widerlegt worden. Das wollten Sie allerdings nicht zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren.
Die demonstrative Ignoranz einiger Ausschussmitglieder gegenüber den Befürwortern unserer Initiative war wahrlich keine Sternstunde des Parlamentarismus und zumindest unhöflich.