Für diese Aktuelle Stunde liegen insgesamt vier Beratungsgegenstände vor: 8 a) „Wirklich mehr Freiheit wagen: ‚Antidiskriminierungsgesetz‘ stoppen!“, ein Antrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 2878, 8 b) „Der niedersächsische Weg zur Einbürgerung - Vorbild für Deutschland“, ein Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2879, 8 c) „Zwei Welten - Busemanns 100 % und die Realitäten an den Schulen“, ein Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 2880, sowie
8 d) „Mehrwertsteuererhöhung - beschäftigungsfeindlich und sozial ungerecht“, ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 2881.
Ich mache darauf aufmerksam, dass eine Redezeit von insgesamt 80 Minuten zur Verfügung steht, die gleichmäßig auf die vier Fraktionen aufgeteilt wird. Das bedeutet, dass jede Fraktion höchstens 20 Minuten Zeit zur Verfügung hat. Wenn mehrere Themen zur Aktuellen Stunde vorliegen, wie es heute der Fall ist, bleibt es jeder Fraktion überlassen, wie sie ihre 20 Minuten für die einzelnen Themen verwendet. Jeder Redebeitrag - ich sage sehr deutlich: auch die Redebeiträge der Landesregierung - darf höchstens fünf Minuten dauern. Nach vier Minuten Redezeit werde ich durch ein Klingelzeichen darauf hinweisen, dass die letzte Minute der Redezeit läuft. Auch weise ich darauf hin, dass Erklärungen und Reden nicht verlesen werden dürfen.
a) Wirklich mehr Freiheit wagen: „Antidiskriminierungsgesetz“ stoppen! - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 15/2878
Ich eröffne die Beratung und erteile für die FDPFraktion Herrn Kollegen Rösler das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Rösler!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleich zu Beginn meiner Rede halte ich deutlich und unmissverständlich fest, dass sich die FDP-Fraktion entschieden gegen jede Form von Diskriminierung und Intoleranz wendet.
Als Rechtsstaatspartei stellen wir es überhaupt nicht infrage, dass eine EU-Richtlinie 1 : 1 umzusetzen ist, zumal ihr Grundtenor den Auffassungen aller hier im Landtag vertretenden Fraktionen entspricht.
schon gar nicht durch dieses Gesetz, das mit Sicherheit unsere Gesellschaft nicht besser machen wird.
Gerade diejenigen, die das Gesetz schützen sollte, werden wahrscheinlich am meisten unter ihm zu leiden haben. Demnächst werden Angehörige von Minderheiten überhaupt nicht mehr zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, weil Unternehmer immer Angst haben müssen, dass sie bei der Nichteinstellung eines Bewerbers wegen Diskriminierung verklagt werden.
Dies beweist, dass dieses Gleichbehandlungsgesetz ein weiterer Beitrag zu mehr Arbeitslosigkeit in Deutschland und in Niedersachsen sein wird.
Große Änderungen wurden auch in den Koalitionsverhandlungen nicht durchgesetzt. Die wesentliche Änderung ist die Namensänderung. Ansonsten bleibt das Gesetz ein bürokratisches Monstrum. Denken wir nur einmal an die neu einzurichtende Antidiskriminierungsstelle mit einem eigenen Stellenkegel, einem Beirat und einem Jahresetat von über 5,6 Millionen Euro. Meine Damen und Herren, so entstehen Haushaltslöcher!
Im Ergebnis bedeutet dieses Gesetz mehr Bürokratie und weniger Freiheit. Dabei lautete der Titel der Regierungserklärung der neuen Bundesregierung doch „Mehr Freiheit wagen“. Frau Merkel regte sich in ihrer Regierungserklärung darüber auf, dass wir eine überbordende Bürokratie aus Europa bekommen. Anstatt diese Bürokratie jetzt zu verhindern, setzt die neue Bundesregierung auf die Bürokratie aus Brüssel noch neue Bürokratie aus Berlin obendrauf. Jetzt sehen wir, was es heißt, wenn CDU, SPD und Grüne im Deutschen Bundestag versuchen, mehr Freiheit zu wagen.
Im Ergebnis bekommen wir nicht mehr Freiheit, sondern das glatte Gegenteil. Jetzt können beispielsweise Gewerkschaften oder Betriebsräte sogar ohne Einverständnis des Betroffenen gegen Diskriminierung klagen. Mehr Unfreiheit kann man sich gar nicht vorstellen. Dies ist die größte
Wir, CDU und FDP, werden morgen früh unter Tagesordnungspunkt 19 einen gemeinsamen Entschließungsantrag zum Bürokratieabbau in der Landwirtschaft einbringen. Ich zitiere aus diesem Antrag:
„Des Weiteren möge sich die Landesregierung wie bisher dafür einsetzen, dass grundsätzlich eine 1 : 1-Umsetzung der EU-Vorgaben erfolgt. Gesetze und Verordnungen, die über das von der EU vorgegebene Maß hinausgehen, bringen zusätzlichen bürokratischen Aufwand.“
Herr Biallas würde „Donnerschlag“ sagen. Daher hielte ich es für gut, wenn wir, die CDU- und die FDP-Fraktion, im Interesse der vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Lande die Landesregierung gemeinsam bäten, dieses unsinnige Gesetz, dieses bürokratische Monstrum im Bundesrat zu stoppen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
- Manchmal stimmt es auch. Natürlich nicht in Ihrem Fall, Herr Rösler. - Dass Sie dieses Thema in die Aktuelle Stunde eingebracht haben, überrascht uns nicht wirklich. Aber ich frage Sie, von welcher Freiheit Sie eigentlich reden, welche Freiheit die FDP meint. Von der Freiheit, behinderte Menschen
von einer Pauschalurlaubsreise auszugrenzen, einem Menschen mit einer bestimmten Weltanschauung den Kauf alltäglicher Güter zu verweigern oder möglicherweise Ausländern eine Wohnung nicht zu vermieten? Ich zitiere aus Ihrem Beschluss vom Bundesparteitag 1997 in Wiesbaden:
„Die offene Bürgergesellschaft ist mit Minderheitendiskriminierung oder der Ausgrenzung von Ausländern unvereinbar. Intoleranz ist ein Verstoß gegen die Menschlichkeit und erstickt die Vielfalt.“
Meine Damen und Herren der FDP, viele große Freidemokraten drehten sich im Grabe um, wenn sie sich das anhören müssten, was Sie hier eben vorgetragen haben.
Worum geht es in dem Gesetz, das Sie so massiv bekämpfen? - Zuerst einmal geht es um das Verbot der Diskriminierung wegen Rasse, ethnischer Herkunft und Geschlecht bei Geschäften des täglichen Bedarfs. Dies ist eine europarechtliche Vorgabe. Sie haben es eben selbst gesagt, Herr Rösler: Deutschland hat gar keine Wahl. Wir werden die Richtlinie umsetzen müssen, ob wir wollen oder nicht. Damit müssten auch Sie einverstanden sein.
Die Bundesregierung möchte aber ein wenig mehr, als nur den europäischen Minimalkonsens umzusetzen. Der Bund will - wie dies im Übrigen auch in einigen anderen Mitgliedstaaten vorgesehen ist einen zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz wegen der Merkmale Religion, Weltanschauung, Alter, Behinderung und sexuelle Identität durchsetzen. Im Klartext heißt das z. B.: Nicht nur die tatsächliche Benachteiligung aus ethnischen, sondern auch aus religiösen Gründen wird verboten.
Ich möchte hier einige Beispiele zum Besten dafür geben, was passieren würde, wenn der Bund das nicht genau so regeln würde. Ich habe viele Kollegen, die aus der Türkei stammen. Wenn umgesetzt wird, was Sie wollen, Herr Rösler, dann wäre es beispielsweise verboten, dass ein Vermieter einer Person türkischer Abstammung die Wohnung mit der Begründung nicht vermietet, dass er türkischer Abstammung ist. Es wäre aber möglich, dass sich der Vermieter weigert, die Wohnung aufgrund des
muslimischen Glaubens des Interessenten an diesen zu vermieten. Oder: Es wäre rechtswidrig, einem Reisenden die Hotelübernachtung aus rassistischen Gründen abzulehnen; einem älterem Menschen hingegen könnte das Hotelbett verweigert werden. Ja, so ist die juristische Systematik!
Das Gleichbehandlungsgesetz ist daher letztlich ein direkter Ausfluss des Gleichheitsgrundsatzes nach Artikel 3 des Grundgesetzes. Die Grundrechte des Grundgesetzes sind eben nicht nur Schutzrechte gegen den Staat, sondern sie stellen gleichzeitig eine objektive Wertentscheidung dar, die auf die gesamte Staatsordnung und Gesellschaft ausstrahlt.
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Und was macht das Gleichbehandlungsgesetz? Es will dafür sorgen, dass dieser elementare Rechtssatz eben nicht nur auf dem Papier besteht, sondern tatsächlich Einzug in unser Alltagsleben hält. Darum geht es!