Herr Minister, einen Augenblick bitte. - Meine Damen und Herren, hier ist eine Frage gestellt worden, und jetzt antwortet die Landesregierung. Ich gehe davon aus, dass alle, die jetzt im Plenarsaal sind, die Antwort hören wollen. Diejenigen, die das nicht wollen, gehen bitte nach draußen.
Entsprechend dem Antrag des Senates der Universität Göttingen wurde mit Verordnung der Vorgängerregierung über die Errichtung der GeorgAugust-Universität Göttingen Stiftung Öffentlichen Rechts vom 17. Dezember 2002 die Universität Göttingen mit Wirkung vom 1. Januar 2003 in die
Träger der Stiftungsuniversität ist damit nicht länger das Land Niedersachsen, sondern die eigens zu diesem Zweck gegründete Hochschulstiftung mit Dienstherrnfähigkeit. Daneben besteht die Universität Göttingen, bei der die Professoren ihre Aufgaben wahrnehmen, als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Die Hochschulstiftung leitete durch Verfügungen vom Januar und Februar 2003 die an der Universität Göttingen tätigen Beamten einschließlich der Professoren, die zuvor unmittelbare Landesbeamte waren und das Land Niedersachsen zum Dienstherrn hatten, als mittelbare Landesbeamte in ihren Dienst über. Gegen diesen Dienstherrnwechsel sind beim Verwaltungsgericht Göttingen Anfechtungsklagen von insgesamt 15 Professoren eingereicht worden.
Am 29. März dieses Jahres hat das Verwaltungsgericht Göttingen in drei ausgewählten Verfahren den Klagen der Professoren gegen die Übernahmeverfügungen der beklagten Hochschulstiftung stattgegeben. Für die Übernahme gibt es keine Rechtsgrundlage - so das Verwaltungsgericht Göttingen.
„Aufgrund mangelnder Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage ist § 5... StiftVO-UGÖ keine eigenständige taugliche Grundlage für die... Übernahmeverfügung.“
Zwar sähen die bundeseinheitlichen geltenden Vorschriften des Beamtenrechtsrahmengesetzes im Falle eines teilweisen Aufgabenübergangs von einer Körperschaft zu einer anderen eine Übernahme von Beamten durch die neue Körperschaft vor. Das gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. April 1981 aber nur für solche Beamte, deren Aufgabengebiet von dem Aufgabenübergang tatsächlich berührt seien. Dies sei - so das Gericht - bei den beamteten Professoren, die an der Universität Göttingen lehrten und forschten, aber nicht der Fall. Demzufolge ist nach Ansicht des Gerichts ihre Übernahme aus dem unmittelbaren Landesdienst in den Dienst der Hochschulstiftung rechtwidrig erfolgt.
Dies vorausgeschickt, meine Damen und Herren, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen wie folgt:
Zunächst einmal zu den beiden ersten Fragen, also den Fragen 1 und 2: Die von der Vorgängerregierung gewählte Konstruktion für die Stiftungshochschulen hat sich mittlerweile als in vielen Bereichen praxisuntauglich erwiesen. Von der Gesetzgebung her hat sie sich als völlig unzureichend und in zentralen Punkten juristisch mehr als fragwürdig herausgestellt, wie auch die jüngsten Urteile zeigen.
Seit der Regierungsübernahme sind wir dabei, diese fehlerhafte Konstruktion der Stiftungshochschulen zu reparieren, will sagen, das sehr fragile Kartenhaus zu stabilisieren.
Auf diese fundamentalen Probleme habe ich, wenn ich das so sagen darf, selber bereits im Mai 2002, nämlich im Rahmen des damaligen Gesetzgebungsverfahrens, als Abgeordneter im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen ausführlich hingewiesen. Natürlich werde ich hier nicht aus den Protokollen der nichtöffentlichen Sitzung zitieren, aber ich darf sinngemäß wiedergeben, was ich damals als rechtspolitischer Sprecher meiner Fraktion gesagt habe.
Ich habe vorgetragen, dass sich die CDU-Fraktion mit der Fraktion der SPD in dem Ziel völlig einig sei, den Hochschulen mehr Autonomie zu verschaffen, also ihnen den Übergang in eine Stiftung zu ermöglichen. Dazu müssten aber rechtlich einwandfreie Regelungen geschaffen werden. Über die vorgesehene Konstruktion sei die CDUFraktion - damals - nicht glücklich, weil diese begrifflich und rechtlich auf sehr wackligen Beinen stehe.
Das alles und vieles mehr, meine Damen und Herren, können Sie im Protokoll über die damaligen Sitzung des Rechtsausschusses nachlesen. Es war die Sitzung vom 8. Mai 2002, Seite 19 ff. des Protokolls.
Die Urteile des Verwaltungsgerichts Göttingen geben uns heute leider auf ganzer Linie Recht. Ihre Gesetzgebung, meine Damen und Herren von der SPD, war schlicht mangelhaft, und wir haben Sie damals ausdrücklich vor dieser mangelhaften Gesetzgebung gewarnt.
cher Stelle dafür kämpfen müsste, dieses fehlerhafte Modell dann irgendwie zu retten und zu reparieren.
Meine Damen und Herren, wir haben bereits im Januar 2004 erste Reparaturen an dem Stiftungsmodell der SPD-Vorgängerregierung, wie Sie wissen, vorgenommen, um verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenzuwirken. Weitere offensichtliche Mängel werden mit der zurzeit in der Beratung befindlichen NHG-Novelle nachgebessert. Die schwer wiegenden Mängel des NHG 2002 sind offenkundig, und auch die SPD-Opposition wäre gut beraten, nun endlich mit ihren Lobesgesängen auf dieses Gesetz von 2002 aufzuhören.
Denn, meine Damen und Herren - und das macht es mir wirklich sehr problematisch -, die eklatanten Fehler, die im NHG 2002 begangen wurden, lassen sich heute nicht mehr so einfach reparieren. Warum? - Insbesondere die beamtenrechtliche Frage stellt uns vor eine schier unlösbare Problematik.
Das Verwaltungsgericht hat sich in dem Urteil an einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1981 orientiert, sich dieser Entscheidung angeschlossen, mit der für den § 128 des Beamtenrechtsrahmengesetzes ungeschriebene Tatbestandsmerkmale für diesen Themenkomplex entwickelt wurden. § 128 des Beamtenrechtsrahmengesetzes gilt einheitlich und unmittelbar im Bundesgebiet, setzt also nicht nur einen Rahmen für den Landesgesetzgeber, also für uns. Insoweit ist es sehr zweifelhaft, ob wir überhaupt im NHG abweichende Regelungen treffen können.
Auch die Föderalismusreform, in der ja vorgesehen ist, dass die Länder wieder die Zuständigkeiten für die Besoldung und Versorgung ihrer Beamten erhalten, bringt hier leider überhaupt keine Spielräume.
Meine Damen und Herren, die von CDU und FDP geführte Landesregierung - das sage ich hier in aller Ausdrücklichkeit - lässt die Stiftungshochschulen aber nicht im Regen stehen.
Wir werden deshalb trotzdem gegen dieses Urteil in die nächste Instanz gehen, also Berufung einlegen. Dazu sind wir verpflichtet. Die niedersächsischen Stiftungshochschulen - und ich kämpfe Seite an Seite mit denen darum, dass das von der damaligen Landesregierung, also der heutigen Opposition, aufgebaute Stiftungsmodell nicht zusammenfällt - haben einen Anspruch darauf, dass wir diesen Weg zumindest probieren.
In unserer Koalitionsvereinbarung haben wir festgehalten, meine Damen und Herren - ich zitiere -, dass die Entwicklung der zum 1. Januar 2003 eingerichteten Stiftungshochschulen von uns konstruktiv begleitet werden soll. Auch daraus ersehen Sie, wie wir zu dieser Thematik stehen. Wir können die Entwicklung aber gar nicht nur konstruktiv begleiten, sondern wir müssen vermutlich wegen der bundesrechtlichen Problematik das Konstrukt völlig neu aufstellen und ein vernünftiges, rechtliches, juristisches Fundament schaffen. Dazu war die Vorgängerregierung offensichtlich nicht bereit und vielleicht auch gar nicht willens.
Meine Damen und Herren, bis zur Klärung dieser rechtlichen Unsicherheit ist es derzeit den niedersächsischen Hochschulen gegenüber nicht vertretbar, weitere niedersächsische Hochschulen in eine Stiftung zu überführen. Es gibt einige Anträge. Diese Anträge können wir aber derzeit leider nicht positiv bescheiden. Aus juristischer Sicht wäre dies ein nicht verantwortbarer Weg. Es ist keiner Hochschule zuzumuten, sich auf derart rechtlich unsicheren Boden zu begeben. Wir müssen erst einmal Rechtssicherheit schaffen, um uns dann weitere Anträge sozusagen zur Prüfung vorlegen zu lassen.
Zu Frage 3: Meine Damen und Herren, wissen Sie, was ein Vorschaltgesetz ist? - Die meisten von Ihnen werden das wissen; vor allem die Damen und Herren von der Opposition werden diesen Begriff kennen. Unter diesem Namen lief nämlich das erste Reparaturgesetz zum NHG 2002, bevor dieses überhaupt zur Geltung kam.
Am 12. Juni 2002 wurde vom Niedersächsischen Landtag das Gesetz zur Hochschulreform in Niedersachsen, also das NHG 2002, nach genau einjähriger Beratung beschlossen. Nach den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Domröse in seiner Rede - das können Sie im Protokoll zum 12. Juni 2002 auf der Seite 10829 nachlesen - wurde
-„keine Novelle des bestehenden Niedersächsischen Hochschulgesetzes“ verabschiedet, „sondern... ein völlig neu geschriebenes Gesetz,... sogar eine neue Verfassung für die niedersächsischen Hochschulen“. So Herr Domröse.
„Der Landtag und seine Ausschüsse haben dieses Gesetz ein Jahr lang gründlich beraten. Ich meine, dass hier gesetzgeberische Wertarbeit entstanden ist.“
Eine der wesentlichen Neuerungen des Reformgesetzes war - ich habe es bereits erwähnt - die Schaffung von öffentlich-rechtlichen Stiftungen als Träger von Hochschulen. In seiner Rede führte Minister Oppermann hierzu u. a. aus:
„Aber inzwischen haben drei Hochschulen - die Fachhochschule Osnabrück, die Universität Lüneburg und die Medizinische Hochschule Hannover - einstimmig in ihren Senaten beschlossen, mit uns über den Übergang in eine Stiftungshochschule zu verhandeln.“
Bereits zu diesem Zeitpunkt, meine Damen und Herren, war es ein offenes Geheimnis, dass die ersten Hochschulen schon zum 1. Januar 2003 in Stiftungshochschulen umgewandelt werden sollten. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass für die damalige Regierung offensichtlich ein enormer Zeitdruck dadurch entstanden war, dass die Landtagswahlen unmittelbar vor der Tür standen.
Keine der mit der Gesetzgebung unmittelbar befassten Personen hatte im langen, gründlichen Beratungsverfahren gemerkt, dass bei den Stiftungsvorschriften Regelungen hinsichtlich Beamtenversorgung, Beihilfe, Beamtenstellen, Vermögensübergang und Schadenshaftung fehlten. Das muss man sich heute einmal vorstellen, vor allem vor dem Hintergrund auch der Diskussion, die hier gestern wieder geführt worden ist.
Man hatte - ich habe Ihnen ja bereits meine damaligen Ausführungen im Rechtsausschuss wiedergegeben - die berechtigten Bedenken nicht nur der
Opposition, sondern auch vieler Rechtskundiger in der Anhörung einfach vom Tisch gewischt, weil man dieses Thema mit Gewalt vor den Landtagswahlen hier noch geregelt haben wollte. Das ist die schlichte Wahrheit.
Da die Haushaltsjahre 2002 und 2003 in einem Doppelhaushalt abgebildet waren, war die fehlende haushaltsrechtliche Ermächtigung für die Zahlung von Finanzhilfen an die Stiftung noch das geringste und das vielleicht einzig verzeihliche Übel, obwohl auch diese fehlende Ermächtigung ohne weiteres im Rahmen der ohnehin zahlreichen Übergangsvorschriften hätte geschaffen werden können.
In einem Eilverfahren wurde das so genannte Vorschaltgesetz verfasst. Der Gesetzentwurf wurde durch die SPD-Fraktion im Oktober-Plenum 2002, also vier Monate nach der Verabschiedung des NHG, eingebracht und am 11. Dezember 2002 verabschiedet. Erst danach, am 17. Dezember, konnte die Errichtungsverordnung für die fünf ab 1. Januar 2003 zu errichtenden Stiftungen überhaupt beschlossen werden.