Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

Der Abgeordnete Dr. Domröse führte in seiner Rede aus:

„Mit dem heute vorliegenden Gesetz schaffen wir die letzten Detailregelungen für die Einrichtung von Stiftungshochschulen in Niedersachsen und damit die letzten Detailregelungen, die notwendig sind, um diesen gewaltigen Reformschritt hier in Niedersachsen zu unternehmen.“

Eine anderer Stelle zitiere ich noch:

„Deswegen fand ich es gut, dass wir im Hochschulgesetz selbst nur den Rahmen geregelt und die Details mit den Hochschulen im Antragsprozess ausgehandelt haben. Diese Details regeln wir nun in einem nachgeschalteten Gesetz.“

Meine Damen und Herren, Fakt ist jedoch, dass die im Gesetz geregelten Details überhaupt nicht mit den Hochschulen ausgehandelt worden sind.

(Zuruf von der CDU: Unerhört!)

Nicht einmal eine Landtagsanhörung hat es gegeben. Es war eine Expressreparaturmaßnahme zu grundlegenden Regelungen für das Stiftungshochschulmodell - nicht mehr und nicht weniger.

Aber es kommt noch viel schlimmer. Im Rahmen dieser Reparaturmaßnahmen sind weitere gravierende Fehler gemacht worden. Die Uni Göttingen hat am Physikalischen Institut - meine Damen und Herren, hören Sie gut zu - zwei atomare Teilchenbeschleuniger - für die Grünen dürfte das sehr interessant sein -, die u. a. zur Erforschung von Materialien und Festkörpern eingesetzt werden. Nach dem Atomgesetz muss für solche Geräte eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden. Eine Ausnahme von der Versicherungspflicht gilt nach § 13 Abs. 5 des Atomgesetzes für Einrichtungen des Landes. Vor der Umwandlung in die Stiftungsuniversität befand sich die Hochschule in der Trägerschaft des Landes. Sie war damit von der Versicherungspflicht befreit. Hier war also kein Problem gegeben.

Nun muss die Universität eine Haftpflichtversicherung mit einer Deckungsvorsorge von 2 Millionen Euro abschließen, so ein Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 21. Februar 2006, aus dem ich zitieren darf:

„Die Klägerin ist zur Erbringung einer Deckungsvorsorge in Form einer Haftpflichtversicherung oder einer sonstigen finanziellen Sicherheit auch verpflichtet, da § 13 Abs. 4 S. 1 AtG keine Anwendung findet.“

Meine Damen und Herren, diese Problematik hatte die Vorgängerregierung bei ihrer schnellen Reparaturmaßnahme schlichtweg übersehen - wie so vieles andere. Bisher können wir noch nicht abschließend abschätzen, welche Tragweite das Urteil für andere Bereiche noch haben wird.

Fest steht jedenfalls: Hier werden wir mit unserer NHG-Novelle erneut nachbessern müssen, um möglichst in zweiter Instanz ein anderes Ergebnis zu erreichen, um also nicht noch Schlimmeres entstehen zu lassen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Wir werden aufgrund der fehlerhaften Stiftungskonstruktion der Vorgängerregierung, die man nicht einfach nur durch Maßnahmen des Landesgesetzgebers reparieren oder rückgängig machen kann, in den nächsten Jahren leider mit dieser rechtlichen Unsicherheit leben müssen. Anträge von Hochschulen

auf Überführung in eine Stiftung können - dafür bin ich als Ressortminister schlicht und einfach verantwortlich und muss das hier so sagen - derzeit nicht genehmigt werden, es sei denn, alle Bediensteten willigen in einen Dienstherrnwechsel ein.

Ich werde mit den Stiftungshochschulen gemeinsam weiterhin darum kämpfen, dass dieses Modell letztendlich doch noch Erfolg haben wird. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren - ich sage das wirklich so -: Es wäre mir lieber gewesen, meine und auch die von Experten damals gemachten Bedenken im Rechtsausschuss wären ernst genommen worden.

(Unruhe)

Ich möchte zum Abschluss sagen: Dieses Thema ist viel ernster, als es mancher hier im Plenarsaal glaubt. Das entnehme ich zumindest dem Geräuschpegel. Jeder, der etwas macht, macht auch Fehler und geht das Risiko ein, dass das eine oder andere nicht besonders gut läuft. Das passiert eben. Wir haben in den letzten Monaten oft über diese Themen gesprochen; denn wir machen sehr viel. Und weil wir sehr viel machen, wissen wir, dass auch wir nicht von Fehlern frei sind. Aber das, was ich unerträglich finde, ist das pharisäerhafte Gehabe der Opposition,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

die so tut, als sei sie in der Vergangenheit immer davor gefeit gewesen, Fehler zu machen. Dies gilt erst recht - das hat die gestrige Debatte wieder gezeigt - für den Bereich, in dem es darum geht, juristisch sauber zu arbeiten.

Vor einigen Wochen hat es in diesem Plenum, wie Sie wissen, eine Riesendebatte gegeben, beispielsweise zum Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig in Sachen Langzeitstudiengebühren. Was ist hier für ein Popanz aufgeblasen worden!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wie unerträglich war die Diktion, die wir uns gerade von den wenigen Juristen, die es in dieser Fraktion überhaupt noch gibt, haben anhören müssen: Wir könnten es nicht. Wir seien nicht in der Lage dazu.

Meine Damen und Herren, das alles kann man so debattieren. Dann muss man aber auch selbst eine reine Weste haben. Da Ihre Weste mit so vielen

Flecken behaftet ist, wäre ich an Ihrer Stelle mit solchen Vorwürfen etwas bescheidener. Dies will ich an dieser Stelle wirklich sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Bitte wäre, dass wir mit diesem Stil aufhören, dass wir die Interessen - in diesem Fall die unserer Hochschulen - in den Fokus nehmen und versuchen, dieses Problem, das Sie alleine verursacht haben, im Interesse unserer Hochschulen gemeinsam zu lösen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Herr Dr. Lennartz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich meine Frage stelle, veranlasst mich die letzte Bemerkung von Ihnen, Herr Minister, zu sagen: Das, was Sie formuliert haben, ist doch wohl ein Scherz. Sie haben gesagt, wir sollen aufhören, uns gegenseitig Schuldvorwürfe zu machen, nachdem Sie diese Vorwürfe in Bezug auf das NHG in Richtung der früheren SPD-Landesregierung ausführlichst formuliert haben. Offensichtlich sind Sie durch die Debatte, die es in puncto Studiengebühren gegeben hat, ja sehr angepackt. Für meine Begriffe müssen Sie als Minister ertragen, dass man sich mit Ihrem Handeln oder dem Handeln Ihres Ministeriums auseinander setzt und dass Fehler, die gemacht worden sind, auch thematisiert werden.

Meine Frage: Sie haben vorhin ausgeführt, wie das Verwaltungsgericht Göttingen in Bezug auf die Übernahme der beamteten Professoren entschieden hat. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt: Die Verordnung, auf deren Grundlage diese Übernahme stattgefunden hat, ist vom Verwaltungsgericht für unbestimmt und damit rechtswidrig erklärt worden. - Wenn das so ist und wenn ich das richtig verstanden habe, dann verstehe ich nicht, warum Sie jetzt beabsichtigen, in Berufung zu gehen. Warum präzisieren Sie nicht stattdessen die Verordnung oder das Gesetz an den Stellen, die als rechtswidrig und problematisch bezeichnet worden sind? - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister Stratmann!

Lieber Herr Kollege Lennartz, ich mache überhaupt keinen Hehl daraus, dass ich als Minister immer damit leben muss, kritisiert zu werden. Das gehört einfach zu der Aufgabe, die man wahrzunehmen hat. Aber das, was ich in jeder Beziehung ein Stück weit als wirklich unerträglich empfunden habe, ist die Diktion der letzten Woche.

Wenn man liest: „Er ist doch selbst Jurist. Er kann es trotzdem nicht. Da wird unsolide gearbeitet.“ und wenn das ständig auch mit Unwahrheiten bestückt wird, dann finde ich es völlig legitim, wenn an einem wirklich wichtigen Punkt, bei dem es um die Frage geht, wie mit diesem Konstrukt der Stiftungshochschulen umgegangen wird, pointiert deutlich gemacht wird: Wie war die Entstehungsgeschichte? Wie konnten solche Fehler passieren? - Wenn ich das mit der Bitte verknüpfe, dass wir Diskussionen dieser Art künftig vielleicht in einem anderen Stil führen, dann weiß ich nicht, was daran verwerflich ist. Ich glaube, das kann auch jeder nachvollziehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt zu Ihrer eigentlichen Frage. Das Problem, das wir haben - ich hoffe, dass ich das deutlich gemacht habe -, resultiert aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zum Beamtenrechtsrahmengesetz, das im Jahre 1981 ergangen ist. Wir müssen jetzt schon deshalb in die zweite Instanz gehen, um dem OVG in diesem Fall die Gelegenheit zu geben, auch in dieser entscheidenden Frage Ausführungen zu machen, die uns unter Umständen später dann auch helfen. - Das ist das eine.

Das andere ist - seien wir doch einmal ehrlich -: Wenn ich diesen Weg nicht ginge, dann würde ich doch von der Opposition, in diesem Fall von der SPD, sofort den Vorwurf zu hören bekommen: Der Stratmann und die Regierungsfraktionen wollen die Stiftungshochschulen nicht. Sie wollen dieses Konstrukt sozusagen vom Grundsatz her infrage stellen. - Um zu unterstreichen, dass es hier nicht um die Grundsatzfrage von Stiftungshochschulen

geht, muss ich auch durch eine solche Vorgehensweise deutlich machen, dass wir zu diesem Modell stehen. Voraussetzung ist allerdings, dass es juristisch auf sauberen Füßen steht. Sonst führt man ein solches Modell im Ergebnis nicht zum Erfolg, sondern bewirkt das Gegenteil. Das würde allen Beteiligten schaden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Folgende Abgeordnete haben sich noch zu Nachfragen gemeldet: der Abgeordnete Kaida, die Abgeordnete Dr. Andretta, die Abgeordnete Graschtat, der Abgeordnete Albrecht und die Abgeordnete Trost. Jetzt hat Herr Abgeordneter Kaida das Wort.

Herr Vorsitzender, ich frage die Landesregierung, ob die Urteile des Verwaltungsgerichtes Göttingen vorhersehbar waren.

Herr Kaida, Ihnen ist bekannt, dass Sie hier im Parlament und nicht in der Mitgliederversammlung eines Sportvereins sind. - Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, ich habe ja bereits ausgeführt, wie die Diskussion, an der ich selber beteiligt war, damals beispielsweise im Rechtsausschuss, gelaufen ist. Damit ist die Frage von mir schon mit einem klaren Ja beantwortet worden. Jawohl, diese Entwicklung war vorhersehbar. Umso schlimmer ist das Ergebnis, über das wir heute miteinander zu sprechen haben.

Frau Dr. Andretta!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als das NHG 2002 verabschiedet worden ist, hat der Stifterverband der deutschen Wissenschaft dieses Gesetz als das reformfreudigste und innovativste Hochschulgesetz in der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dieses Gesetz war damals der CDU-Opposition ein Dorn im Auge, und dieses Gesetz ist heute der CDU-Regierung ein Dorn im Auge.

(Beifall bei der SPD)

Herr Stratmann, es ist wenig glaubwürdig, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, Sie wollten die Stiftungshochschulen, zugleich aber alles tun, um die Stiftungsidee zu diskreditieren und ihr Fundament infrage zu stellen.

(Beifall bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich habe die Frage immer noch nicht verstanden!)

- Herr Klare, meine Frage ist die folgende: Die Universität Göttingen geht in die Berufung, weil sie nicht der Meinung ist, dass es hier ein Problem gibt. Sie sagt, die Auslegung des Beamtenrechtsrahmengesetzes sei für die Überleitung eine ausreichende Grundlage gewesen. Wir diskutieren über 15 Professoren, die als Landesbeamte in die Stiftung überführt worden sind, die aber lieber Herrn Minister Stratmann als Dienstherrn behalten hätten. Darum geht es. Es geht nicht darum, eine Stiftung, die bewiesen hat, dass sie einen Schritt hin zur Autonomie der Hochschulen tut, in Abrede zu stellen. Herr Minister, wenn Sie hier erklären, Sie unterstützten die Universität Göttingen bei ihrem Berufungsschritt, dann frage ich Sie nach der Glaubwürdigkeit, die dieser Schritt hat, wenn Sie hier im Plenum gleichzeitig erklären, dass die rechtliche Grundlage mehr als fragwürdig sei.