Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

- Herr Klare, meine Frage ist die folgende: Die Universität Göttingen geht in die Berufung, weil sie nicht der Meinung ist, dass es hier ein Problem gibt. Sie sagt, die Auslegung des Beamtenrechtsrahmengesetzes sei für die Überleitung eine ausreichende Grundlage gewesen. Wir diskutieren über 15 Professoren, die als Landesbeamte in die Stiftung überführt worden sind, die aber lieber Herrn Minister Stratmann als Dienstherrn behalten hätten. Darum geht es. Es geht nicht darum, eine Stiftung, die bewiesen hat, dass sie einen Schritt hin zur Autonomie der Hochschulen tut, in Abrede zu stellen. Herr Minister, wenn Sie hier erklären, Sie unterstützten die Universität Göttingen bei ihrem Berufungsschritt, dann frage ich Sie nach der Glaubwürdigkeit, die dieser Schritt hat, wenn Sie hier im Plenum gleichzeitig erklären, dass die rechtliche Grundlage mehr als fragwürdig sei.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Jörg Bode [FDP])

Herr Bode, Sie haben die neue Geschäftsordnung ja mit ausgearbeitet. Danach dürfen Zusatzfragen durch Bemerkungen von nicht mehr als einer Minute Dauer eingeleitet werden.

(Jörg Bode [FDP]: Das war aber eine lange Minute! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Hauptsache, der Minister hat es verstanden!)

- Die Frage folgte dann ja.

Bin ich jetzt an der Reihe?

Jetzt hat Herr Bode begriffen, dass wir hier oben die Sitzung leiten. Wir werden das so korrekt wie immer tun. - Nun haben Sie das Wort, Herr Minister.

Herr Lennartz, ich habe in meiner Antwort auf Ihre Frage vorhin gesagt, dass von der Opposition fast reflexartig das kommen würde, was wir antizipiert haben. Umso richtiger war es, dass die Regierungsfraktionen diese Dringliche Anfrage auf die heutige Tagesordnung gesetzt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Dr. Andretta, den „Stifterverband der deutschen Wirtschaft“ kenne ich nicht. Sie meinen sicherlich den Stifterverband der Wissenschaft. Ich weiß jedenfalls, was Sie gemeint haben. Sie können das, was ich hier ausgeführt habe, alles nachlesen. Ich habe zum Ausdruck gebracht, dass wir, was die Frage der Autonomie bzw. Selbständigkeit angeht, alle an einem Strang gezogen haben. Es ist gar keine Frage, dass es notwendig ist, einen Weg zu beschreiten, der modern ist. Wenn ich solche Wege beschreite, dann muss ich dafür aber die juristischen Grundlagen schaffen, die mich in die Lage versetzen, solche Wege langfristig zu beschreiten.

Zu dem, was Sie hier zitiert haben: Ich erinnere mich sehr genau daran. Das war genau das, wovon sich die damalige Regierung hat berauschen lassen und was diesen enormen Zeitdruck erzeugt hat. Man wollte sich vor der Landtagswahl, vor der anstehenden Regierungsübernahme unbedingt beispielsweise vom Stifterverband und von anderen weiterhin als die Reformfreudigsten und Modernsten in diesem Punkt feiern lassen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Die Wahr- heit ist so!)

Das hat Sie alle berauscht. Das hat dazu geführt, dass Fehler gemacht wurden, die mit Sicherheit jetzt dazu führen würden, dass Ihnen der Stifterverband etwas völlig anderes in das Stammbuch

schreibt. Sie diskreditieren damit deutschlandweit den Weg zu mehr Selbständigkeit und Autonomie, wenn Sie Ihre Punkte nicht juristisch solide abarbeiten. Das haben Sie nicht getan. Das bleibt hier festzuhalten.

Ich sage noch einmal: Wer solche Reformprojekte angeht - wir reden ja auch über Studienbeiträge und dergleichen mehr -, der geht immer das Risiko ein, Fehler zu machen. Das ist gar keine Frage. Dann darf man sich aber nicht hier hinstellen und solche Aussagen machen, wie Sie es getan haben. Ich muss Ihnen auch sagen: Der Umfang der Fehler, die hier gemacht worden sind, sprengt allerdings jegliche Vorstellungskraft. Da gibt es einen Unterschied zu den Fehlern, die auch auf dieser Seite mal gemacht werden. Das will ich hier wirklich betonen. Wer das nach den Ausführungen von eben nicht verstanden hat, liebe Frau Andretta, dem kann ich auch nicht helfen.

Nun zum nächsten Punkt. Ich bin seit 1994 in diesem Landtag. 1994 hatte ich es in Ihrer Fraktion zum Teil mit Leuten zu tun, die aus der juristischen Praxis heraus über unglaublich viel Erfahrung verfügten. Ich denke hier etwa an den Kollegen Rabe und andere. Das war 1994 so. Heute bekomme ich hier von Ihnen Fragen gestellt, die geradezu davor strotzen, dass Sie nicht die geringste Ahnung davon haben, wie man üblicherweise in solchen Fällen vorgeht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich kann doch nicht Berufung einlegen und in der Berufung sagen: Die erste Instanz hat Recht; deshalb lege ich jetzt Berufung ein. - Ich sage deshalb noch einmal: Uns ist wichtig, was das OVG zu dieser Frage sagt, weil wir gerne wirklich alle Argumente hören möchten, die wir brauchen, um das Thema der Stiftungshochschulen endlich juristisch auf solide Füße zu stellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Graschtat.

(Axel Plaue [SPD]: Das sollte man mal der Justizministerin vorlegen! Mal sehen, was die dazu sagt, dass Sie die erste Instanz hier so niederma- chen!)

Ich würde gerne wissen, ob es weitere Klagen von Hochschullehrern anderer Hochschulen gegen die Übernahme gegeben hat und wie diese Klagen entschieden worden sind.

Eine zweite Frage: Welche Hochschulen haben Anträge auf Umwandlung in Stiftungshochschulen gestellt? Der Herr Minister hat ja vorhin erklärt, dass Anträge vorlägen.

Herr Minister Stratmann für die Landesregierung!

Ich weiß, dass es Überlegungen gibt, Anträge zu stellen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie haben aber etwas anderes gesagt!)

Die Frage, ob ein Antrag vorliegt, ist bezogen auf die FH Göttingen zu bejahen. Ansonsten weiß ich, dass Überlegungen angestellt werden. Ich kann natürlich nicht vorhersehen, ob noch Anträge vorgelegt werden.

Es ist richtig: In Lüneburg hat es Klagen von zwei weiteren Bediensteten gegeben. Diese Klagen sind meines Wissens nicht angenommen worden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Aha! Das ist ja interessant!)

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Albrecht.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Stratmann hat erwähnt, dass es in der Universität Göttingen Atomanlagen gibt. Ich frage die Landesregierung: Inwieweit hat das Urteil Auswirkungen auf die atomrechtliche Haftung?

Herr Minister, Sie müssen wissen, ob Sie diese Frage beantworten wollen.

Ich habe bereits vorhin zu den Folgen ausgeführt, dass die Stiftungshochschule jetzt verpflichtet ist, eine Deckungsvorsorge in Höhe von 2 Millionen Euro quasi zu hinterlegen, und dass eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden muss.

(Elke Müller [SPD]: So ist das nun mal bei einer Privatisierung!)

Das ist ein großes Problem. Ich habe dazu vorhin Ausführungen gemacht.

Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Frau Dr. Heinen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zwei Fragen. Erstens. Wenn die rechtliche Problematik so weitreichend ist, wie es gerade vom Minister dargestellt worden ist, warum wird das dann nicht in der derzeit in der Beratung befindlichen NHG-Novelle repariert? Denn in der NHG-Novelle wird vieles von dem, was hier gerade angesprochen worden ist, gar nicht angefasst.

Zweitens. Herr Minister, Sie sagen, dass zurzeit keine Überführungen in Stiftungen mehr stattfinden sollen. Prüft die Landesregierung andere Rechtsformen, um Hochschulen mehr Selbständigkeit zu geben? Denn der Ruf nach mehr Selbständigkeit ist ja auch im Rahmen der Anhörung zur NHGNovelle - Stichwort „Bauherreneigenschaft“ durchaus zu hören gewesen.

Herr Minister Stratmann!

Frau Heinen-Kljajić, ich sage es noch einmal. Das Problem, das wir haben, betrifft den § 128 des Beamtenrechtsrahmengesetzes. Es geht darum, dass zu § 128 des Beamtenrechtsrahmengesetzes ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1981 vorliegt, das bei der Beratung 2001/2002 längst bekannt war. Es geht darum, § 128 des Beamtenrechtsrahmengesetzes mit weiteren sozusagen ungeschriebenen Tatbestands

merkmalen zur Frage der Überleitung von Beamtinnen und Beamten zu versehen. Diese Frage, die ja bundesrechtlicher Natur ist, können wir in unserem Landesgesetz leider nicht ohne weiteres regeln und korrigieren. Das ist das Problem, mit dem wir es zu tun haben.

Auch die Föderalismusreform wird uns in dieser Frage nicht weiterhelfen können, weil es dabei um Versorgung und um die Bezüge, also um Besoldung geht und dieser Tatbestand nirgendwo expressis verbis angeschnitten worden ist. Das ist das Problem. Deshalb bin ich sehr neugierig darauf, was beispielsweise in der zweiten Instanz das Oberverwaltungsgericht zu dieser Frage ausführen wird.

Also noch einmal: Über das NHG werden wir dieses Problem nicht ohne weiteres lösen können. Selbstverständlich versuchen wir, alle Mittel und Wege auszuschöpfen, um den Hochschulen so viel Selbständigkeit und Autonomie einzuräumen, wie sie heutzutage brauchen, um im Wettbewerb zu bestehen. Ich meine, dass wir das in der Novelle zum NHG deutlich gemacht haben.

Das Thema Bauherreneigenschaft wird weiter diskutiert. Das weiß ich. Das ist ja auch in der Anhörung im Wissenschaftsausschuss thematisiert worden. Aber auch hier gilt es natürlich zu bewerten, dass auch gute Argumente dagegen sprechen. Es ist Ihre Aufgabe, im Parlament zu besprechen, wie man dieses Thema in Zukunft angeht. Es gilt zu entscheiden, ob man das in die NHG-Novelle aufnimmt oder nicht. Ich habe mich da jetzt nicht mehr einzumischen. Mein Entwurf liegt vor.

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Güntzler.

Ich frage die Landesregierung, wie viele Übernahmeverfügungen es für Beamte von der Universität an die Stiftungshochschule gegeben hat und wie viele trotz der nun bestehenden Rechtswidrigkeit bestandskräftig sind.

Herr Minister Stratmann!

Es hat 1 290 Übernahmeverfügungen gegeben. Davon waren 15 mit der Übernahme nicht einverstanden und haben den Klageweg beschritten. Das heißt, alle übrigen sind bestandskräftig.

(Alice Graschtat [SPD]: Na also!)

- Das habe ich ja auch nie bestritten.

Ich will hier noch einmal deutlich machen: Damit bricht jetzt nicht das Modell bestehender Stiftungshochschulen zusammen. Es ist keine Frage, dass wir uns etwas einfallen lassen müssen, was wir mit den 15 Bediensteten machen. Aber dieses Modell macht ja nur dann Sinn, liebe Frau Dr. Andretta, wenn es auch Optionen für die Zukunft gibt. Das ist jetzt zunächst einmal, ohne dass wir diese Rechtsproblematik abschließend geklärt haben, mit sehr großen Fragezeichen versehen. Um es hier noch einmal klar zu unterstreichen: Es geht nicht darum, dass die Stiftung „Universität Göttingen“ morgen nicht mehr Stiftung „Universität Göttingen“ sein wird.