Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

Sie haben immer wieder die Frage nach der städtischen Belastung und den Messcontainern, die in städtischen Bereichen stehen, gestellt. Mir ist nicht bekannt, dass außer dem Zoo hier in Hannover eine größere Tierhaltung betrieben wird.

(Zustimmung bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe daher den Tagesordnungspunkt Dringliche Anfragen.

Bevor wir jetzt in der Tagesordnung weiter fortfahren, möchte ich Ihnen bekannt geben, dass die Fraktionen übereingekommen sind, vor der Wahl des stellvertretenden Mitglieds des Staatsgerichtshofes nur noch den Tagesordnungspunkt 18 zu beraten. Die Tagesordnungspunkte 19, 20 und 21 werden dann nach der Vereidigung nach der Mittagspause behandelt.

Wir kommen jetzt also zu

Tagesordnungspunkt 18: Zweite Beratung: Kombilohn: Für eine ausgewogene Bundesregelung staatlich subventionierte Lohndrückerei verhindern Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2725 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 15/2864

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Lenz von der SPDFraktion. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Niedersachsen ist nach wie vor Besorgnis erregend. Wir haben im Berichtsmonat April 441 000 Menschen als Arbeitslose gemeldet. Die Arbeitslosenquote beläuft sich auf 11,2 % und ist damit nach NordrheinWestfalen die zweithöchste in einem westdeut

schen Flächenland. Bei der Jugendarbeitslosigkeit - unter 25 Jahren - ist Niedersachsen unter den westdeutschen Flächenländern auf einem traurigen Spitzenplatz: 52 565 jugendliche Arbeitslose in Niedersachsen sind ein Skandal, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Arbeitsmarktbilanz ist alles andere als erfolgreich, und die Zeit ist auch vorbei, in der Sie die schlechten Zahlen auf Berlin abschieben konnten. Aus diesem Grund ist auch durchaus nachvollziehbar, dass Sie jetzt mit Ihrem NiedersachsenKombi vorpreschen, obwohl für September eine bundeseinheitliche Regelung angekündigt ist. Sie wollen der Bevölkerung vorgaukeln, dass Sie aktive Arbeitsmarktpolitik betreiben. Dabei haben Sie die Mittel für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit allein in diesem Haushaltsjahr um rund 3 Millionen Euro zurückgefahren. Jetzt wollen Sie mit fremdem Geld aus Brüssel und Berlin diese Defizite ausgleichen, das Hamburger Modell abkupfern und sich dann als Macher darstellen. Franz Müntefering, der Bundesarbeitsminister, hat bereits an dem in Nordrhein-Westfalen geplanten Kombilohnmodell deutlich gemacht, dass er ein solches Vorgehen nicht dulden wird und Herrn Laumann beim NRWKombilohnmodell stoppen will.

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Wulff, haben Sie, der Sie am Koalitionstisch gesessen haben, denn schon einmal mit dem Bundesarbeitsminister über Ihr Kombilohnmodell gesprochen? Wir machen uns große Sorgen, dass Sie von Herrn Müntefering zurückgepfiffen werden und dass Sie vom Marathonmann zum Laumann Niedersachsens werden könnten.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch einmal für die SPD-Fraktion betonen: Wir sind wie Sie der Auffassung, dass jeder Euro, der in Arbeit investiert wird, besser ist, als Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Wir stehen auch zu befristeten Kombilohnmodellen, wenn sie für besondere Zielgruppen - befristet, wie gesagt - durchgeführt werden sollen. Diesen Vorstellungen stehen wir durchaus aufgeschlossen gegenüber. Wir meinen aber, dass wir mit den 16 unterschiedlichen regionalen Modellen aus der Vergangenheit genügend Erfahrungen gesammelt haben und keine weiteren Feldversuche mehr brauchen.

(Zustimmung bei der SPD)

Was wir jetzt brauchen, ist eine Arbeitsmarktpolitik aus einem Guss. Nur so werden wir einen entscheidenden Beitrag zur Reduzierung der Massenarbeitslosigkeit leisten. Wir haben ja gerade in den letzten Tagen hören können, welche Milliardenüberschüsse die Bundesagentur für Arbeit am Ende des Jahres zu verzeichnen haben wird. Ich sage: Hier kann und hier muss mehr für Qualifizierung ausgegeben werden. Es kann nicht angehen, dass auf der einen Seite immer mehr Menschen in das Arbeitslosengeld II abrutschen, während sich auf der anderen Seite bereits in einigen Branchen Fachkräftemangel abzeichnet.

(Beifall bei der SPD)

Unabdingbar ist die Einführung eines Kombilohnmodells für uns als SPD-Fraktion mit der Einführung eines Mindestlohnes verknüpft. Übrigens: Das meint auch Bundeskanzlerin Angela Merkel.

(Zurufe von der CDU: Unsere Bun- deskanzlerin!)

- Unsere Bundeskanzlerin! Ich wollte nur mal schauen, ob unsere Botschaft von gestern angekommen ist. Aber das scheint der Fall zu sein, Herr Biester.

Mittlerweile gibt es in der Bundesrepublik fast 3 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die Einkommen beziehen, die man als Armutseinkommen bezeichnen kann. Löhne von 4, 5 oder 6 Euro sind mittlerweile nicht nur im Osten Deutschlands, sondern leider auch zunehmend im Westen Deutschlands anzutreffen.

Meine Damen und Herren, wir meinen, der Exportweltmeister Deutschland darf sich diese soziale Schieflage nicht länger leisten. Kombilöhne dürfen nicht zu unerwünschten Mitnahmeeffekten und zu einer Absenkung des Entgeltniveaus über die Hintertür führen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen haben wir mit unserem Antrag ganz konkrete Maßnahmen zur Einführung und Ausgestaltung eines Mindestlohns vorgeschlagen. Vorrang vor einem einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn muss dabei eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung für die unterste tarifliche Entgeltgruppe haben. Nur in Branchen ohne Tarifvertrag muss in Anlehnung an tarifliche Mindeststandards ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden. Arbeit muss sich in Deutschland nicht nur lohnen,

sondern sie muss auch existenzsichernd sein. Das ist unsere Position.

(Beifall bei der SPD - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Aber nicht 28 Stunden!)

Daher fordern wir Sie auf: Lehnen Sie die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab, stimmen Sie unserem Antrag zu, und bekennen Sie sich zu den Positionen, die ich gerade vorgetragen habe. Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP hat sich Herr Rickert zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts von immer noch 4,8 Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik unterstützt die FDP natürlich jede Maßnahme, die Arbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt hineinbringt. Ich bin auch der Meinung: Diese Situation eignet sich nicht für rhetorische Scharmützel.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Ansatz eines Kombilohns ist dabei durchaus umstritten und steht auf unserer Liste der wirksamen Maßnahmen nicht ganz oben. Jedoch zeigt das Beispiel Hamburg, dass er, richtig ausgestaltet, vielen Menschen Arbeit bringen kann - in Hamburg ist von 8 000 Personen die Rede -, ohne dass die Kosten immens explodieren.

Dieses Modell wollen wir im so genannten Niedersachsen-Kombi übernehmen. Es soll sich auf Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte konzentrieren. Damit wird jene ungebremste Kostenexplosion durch Mitnahmeeffekte vermieden, die bei Kombilöhnen oft befürchtet wird.

Auch der Bund plant ein Kombilohnmodell, wie wir eben von Herrn Lenz gehört haben. Sie fordern nun von uns, dass wir warten sollen, bis der Bund mit der Umsetzung seines Modells fertig sein wird. Diese Frage haben wir bereits in der Sitzung am 24. März diskutiert. Herr Lenz, Ihren Optimismus, dass der Arbeitsminister, Herr Müntefering, bis September dieses Jahres zu Stuhle kommt, teile ich nicht.

(Beifall bei der FDP)

In der FAZ vom 10. Mai können Sie lesen: „Kombilohn stößt auf wenig Gegenliebe“, „Arbeitgeberverband: teuer und inneffizient“, „Wirtschaftsforscher: Mitnahmeeffekte“. Das heißt, die Diskussion ist in vollem Gange. Woher Sie Ihren Optimismus nehmen, dass diese Diskussion sehr schnell beendet werden wird, kann ich nicht nachvollziehen. Es ist also folgerichtig, dass die Landesregierung ihre Initiative aufrechterhält und mit der Einführung des Niedersachsen-Kombis Ernst macht.

Wir können unsere Arbeitslosen - Sie haben die bedrückenden Zahlen für Niedersachsen selbst dargelegt - nicht länger warten lassen, wenn wir auf Landesebene eine Verbesserung erreichen wollen.

Eine Lösung auch auf Bundesebene wird schon allein dadurch verhindert, dass die SPD - wir haben es gerade eben wieder gehört - den Kombilohn nur gemeinsam mit einem Mindestlohn einführen will. Hier werden Dinge verknüpft, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben.

Davon abgesehen, dass ein Mindestlohn unseren schwachen Arbeitsmarkt nur weiter belasten würde, ist eine derartige Regelung, wie es sie beispielsweise in England oder den USA gibt, in Deutschland kaum sinnvoll. In diesen Ländern ist der Arbeitsmarkt durch hohes Wachstum, eine geringe Abgabenlast und ein sehr flexibles Arbeitsrecht geprägt. Dies ist in Deutschland ganz anders.

Im Übrigen haben wir mit Hartz IV bereits eine Art Kombilohn mit einem existenzsichernden Einkommensminimum von 345 Euro plus Wohn- und Kindergeld. Dank der Zuverdienstmöglichkeit ist auch ein Kombilohn von Transferleistungen und Arbeitseinkommen möglich. Wer z. B. einen 400Euro-Job hat, kann mit Hartz IV auf 800 Euro kommen.

Dieser Weg erscheint der FDP als der richtige: die Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz IV-Empfänger heraufsetzen und langfristig alle Transferleistungen zu einer Zahlung zusammenfassen. Dies nennt man dann im Übrigen Bürgergeld - ein Konzept, das die FDP schon seit Jahren einführen möchte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, über eines müssen wir uns im Klaren sein: In Deutschland werden wir dauerhaft den Konflikt zwischen bezahlbaren Löhnen sowie Löhnen haben, die

einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen. Dieser Konflikt wird durch die Betroffenen häufig dadurch aufgelöst, dass sie in die Schattenwirtschaft ausweichen, in die so genannte Schwarzarbeit, die zwar gesetzlich verboten ist, aber immer mehr Akzeptanz in der Bevölkerung findet.

Neben dem Kombilohn gibt es übrigens eine ganze Reihe von Instrumenten, die den Ein- bzw. Umstieg in den ersten Arbeitsmarkt attraktiv machen sollten. Dazu erwähne ich nur stichwortartig einige Beispiele: das so genannte Arbeitslosengeld II, der Minijob, der Midijob, Lohnkostenzuschüsse, Einstiegsgeld. Nicht zu vergessen sind die gesetzlichen Regelungen - Vergabegesetz, Entsendegesetz usw. -, die diese Problematik auf einem ganz anderen Feld aufgreifen, allerdings sicherlich nicht lösen. Diesen Katalog an Maßnahmen gilt es zu entbürokratisieren.

Meine Damen und Herren, wir reden hier über eine sehr bedrückende Situation, aber haben noch nicht die Ursachen erwähnt, die überhaupt erst zu dieser Situation geführt haben. Es ist die völlig verfehlte Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik der alten rotgrünen Bundesregierung, der wir diese hohe Arbeitslosigkeit zu verdanken haben. Darüber ist RotGrün ja letztendlich auch gestolpert.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die neue Bundesregierung ist jetzt aufgerufen, deutlich gegenzusteuern. Die bisherigen Signale lassen einige Zweifel darüber aufkommen, ob dies gelingen wird; ich erinnere an die gestrige Steuerdebatte.

Abschließend zitiere ich meinen Kollegen Wolfgang Hermann aus der letzten Beratung:

„Die FDP hat ein besseres Konzept als den Kombilohn, nämlich das Bürgergeld.... Nach diesem Konzept werden alle Sozialtransfers zusammengeführt und in Form einer negativen Einkommensteuer an Arbeitnehmer mit geringem Einkommen weitergeleitet. Lehnen wir deshalb aber den Kombilohn ab? - Nein; denn er ist ein Schritt in die richtige Richtung und vor allem ein Schritt, den wir jetzt tun können.“

Der Niedersachsen-Kombi ist praktisch und konkret und unter den gegebenen Zielen ein guter