Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

Zu den Widerspruchsverfahren möchte ich aber doch noch eine kurze Aussage machen. Auf die Große Anfrage der SPD hat Justizministerin Heister-Neumann seinerzeit gesagt: Wir rechnen für 2005 mit 1 600 Verfahren mehr durch die Abschaffung der Widerspruchsverfahren. Tatsächlich - das wird jetzt in der Statistik in Ihrer Antwort deutlich - sind es 5 226 Verfahren mehr an den Verwaltungsgerichten in Niedersachsen. Wie man sich dann gleichzeitig zu der These versteigen kann, dass Personalbedarf in den Verwaltungsgerichten nicht bestehe, ist jedenfalls für mich schleierhaft. Das ist weder im Sinne der Rechtswegegarantie des Artikels 19 des Grundgesetzes noch im Sinne einer Kundenfreundlichkeit für diejenigen, die vor Gericht ziehen bzw. die gezwungen sind, vor Gericht zu ziehen, in irgendeiner Weise vertretbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unsere Quintessenz zum Bereich der Denkmalpflege ist - ich will es nur kurz sagen -: Der Denkmalschutz wird vernachlässigt. Nicht nur die Präsidentin des Landesamtes hat soeben vor dem Verfall des Kulturerbes in Niedersachsen gewarnt. Auch der Heimatbund hat kürzlich entsprechend kritisch Stellung genommen. Die Denkmalpflege wird dadurch, dass Sie die Zuständigkeiten auf die kommunale Ebene heruntergegeben haben, aber

faktisch nur noch im geringeren Umfang durch die Fachaufsicht des MWK kontrollieren, nicht gestärkt, sondern geschwächt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Für mich ist es in gewisser Weise schleierhaft, wie eine sich selbst „bürgerliche Koalition“ nennende Regierung gerade im Bereich des Erhalts kultureller Baudenkmale so nachlässig und schlampig sein kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Beantwortung unserer Fragen zum Naturschutz lässt sich auf folgenden Nenner zusammenfassen: Im Naturschutz und in der Wasserwirtschaft wurden durch Verwaltungsreformen Aufgaben auf die untere Ebene verlagert, ohne dass es eine Kontrolle darüber gibt, wie diese Aufgaben jetzt wahrgenommen werden. Eine populäre Parole für diese Praxis heißt „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Wir beobachten eine Aldisierung des Umweltschutzes: Hauptsache billig. Wir halten aber gerade im Bereich des Umweltschutzes und der spezifischen Situation des Landes Niedersachsen einen solchen Weg für erheblich falsch. Für ein Land, das seine Naturschönheiten in starkem Maße touristisch vermarkten will, für ein Land, in dem der Tourismus eine erhebliche wirtschaftspolitische Bedeutung hat, ist die Vernachlässigung des Naturschutzes nicht nur ein Armutszeugnis, sondern auch wirtschaftspolitisch kontraproduktiv.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit komme ich zur Zusammenfassung unserer Einschätzung Ihrer Beantwortung. In Ihrer Vorbemerkung sagen Sie: Wir haben Verwaltungsstrukturen geschaffen, „die bessere Ergebnisse bei kürzeren Bearbeitungszeiten mit besserer Qualität und niedrigeren Kosten ausweisen.“ Diesen Beweis erbringen Sie nicht. Nur in Bezug auf die Kostenersparnis - immerhin - ist aktuell eine Verbesserung feststellbar, obwohl wir, wie ich ausgeführt habe, prognostizieren, dass Sie das Ziel des Gesamtabbaus bis 2009 nicht erreichen können, jedenfalls nicht mit den Instrumenten, die Sie jetzt praktizieren. Aber im Bereich der drei anderen Komponenten - insbesondere schnellere Erledigung und bessere Qualität - treten Sie nicht einmal den Beweis dafür an, was Sie in der Vorbemerkung gesagt haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Unsere Einschätzung ist: Verwaltungsreform - so sagen es jedenfalls Insider aus der Landesverwaltung -, war da was? - Allgemein macht sich der Eindruck breit, dass diese Reform jedenfalls nicht zu größerer Klarheit, zu besseren Dienstleistungen und zu schnellerer, abgestimmter Kooperation im Hinblick auf die jeweiligen Verwaltungsprodukte geführt hat. - Schönen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Schünemann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Professor Lennartz, es ist schon sehr interessant, wie Sie es nach der Beantwortung der Großen Anfrage schaffen, davon zu sprechen, dass diese große Verwaltungsreform kein Erfolg gewesen sei. Die Praxis hat genau das Gegenteil bewiesen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben nun wirklich mit Bravour alle Beweistermine absolviert. Die Abschaffung der Bezirksregierungen wurde unaufgeregt und ohne Brüche in der Administration vollzogen. Insofern kann ich nur sagen: Hut ab vor all denen, die dies ermöglicht haben, und ein Lob an all diejenigen, die an der Umsetzung so tatkräftig und engagiert mitgewirkt haben!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, nun haben sich alle Prognosen von Bedenkenträgern in Luft aufgelöst. Chaostage in Niedersachsens Verwaltung hat es nicht gegeben. Keine Pleiten, Pech und Pannen an der Leine, sondern verantwortlicher Umgang mit den Gestaltungschancen - menschlichen wie finanziellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben den Beweis einer funktionsgerechten Neuausrichtung der Verwaltung umfassend erbracht. Wir haben Schwierigkeiten gemeistert und die Bestätigung erfahren, dass wir die Verwaltung gut organisiert haben. Das ist keine Schönwetterreform gewesen, sondern sie

hat in den ersten Stürmen und Fluten Bestand gehabt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Besser als der Brandmeister Werner Meyer im Rahmen der Anhörung zur Elbeflut kann man es nicht ausdrücken - ich zitiere wörtlich -:

„wir sind begeistert, wie reibungslos das läuft... ein Unterschied wie Tag und Nacht.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dann hat Herr Professor Lennartz - das hat mich nicht gewundert - noch darauf hingewiesen, dass es heute in zwei Zeitungen Berichte gibt, in denen man auf ein Gutachten in Nordrhein-Westfalen Bezug genommen hat. Dieses Gutachten haben wir uns natürlich einmal genauer angeschaut; denn für uns ist es wichtig, was man alles über uns sagt, und ob es tatsächlich so erfolgreich ist, wie es uns die Praktiker hier zeigen.

Ich darf dieses Gutachten einmal genauer beleuchten. Erstens. Wir haben am 16. August 2005 ein Schreiben von Herrn Professor Dr. Jörg Bogumil erhalten, Fakultät für Sozialwissenschaften, aus Nordrhein-Westfalen. Er hat uns angeschrieben:

„Eine Vorreiterrolle wird dabei den Modernisierungsprogrammen in Niedersachsen und Baden-Württemberg zugeschrieben, die zu einem kompletten Umbau der Landesverwaltung geführt haben. Mit diesen Verwaltungsreformen beschäftigt sich eine Diplomarbeit, die von einem meiner Konstanzer Studenten geschrieben wird, wo ich bis April 2005 eine Professur für Verwaltungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Public Sector Reform innehatte.“

Meine Damen und Herren, das, was hier vorgelegt worden ist, ist eine Ferndiagnose und wurde von einem Studenten für eine Diplomarbeit genommen. Meine Damen und Herren, eine Diplomarbeit ist wichtig. Dies aber als umfassendes Gutachten zu bezeichnen, um unsere Verwaltungsreform zu bewerten, halte ich schon für ziemlich schwierig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dennoch nehmen wir dieses Büchlein, in dem das zusammengefasst worden ist, genauso ernst. Ich möchte ein paar Punkte daraus zitieren. Wir wissen ja, wie es zustande gekommen ist: Das ist eine Dokumentation dessen, was über unsere Verwaltungsreform in diesem Lande berichtet worden ist, und es ist zusammengetragen worden, was in Interviews dargestellt worden ist - übrigens Interviews mit Herrn Bartling, mit Herrn Professor Lennartz usw.

Meine Damen und Herren, ich möchte einmal aus diesen Interviews zitieren, weil das hier wunderbar dokumentiert worden ist:

„Zudem wird in Interviews darauf verwiesen, dass gerade bei größeren Projekten, wie z. B. dem Genehmigungsverfahren zum Emssperrwerk, der geplanten Ansiedlung von BMW in Stade oder beim Elbehochwasser, das Vorhandensein einer Bündelungsund Koordinierungsbehörde, die sowohl über unterschiedliche Fachbereiche als auch über eine große Fachkompetenz in einzelnen Bereichen verfügte, wertvoll gewesen sei.“

Meine Damen und Herren, ich habe bereits ein bisschen aus der Anhörung zitiert. Wenn das nicht ausreicht, dann darf ich es Ihnen noch weiter zitieren. Regierungsbrandmeister Meyer:

„Ich habe das nun 2002 erlebt, ich war damals Einsatzleiter im Landkreis Lüneburg. Die Bezirksregierung damals: Wir haben gar nicht so sehr gemerkt, dass sie überhaupt da war.

Ich muss das einmal so deutlich sagen. Das erste Gespräch, das wir in der Bezirksregierung hatten, um die Lage zu erörtern, war sehr konfus. Ich habe meinen Ersten Kreisrat gebeten, mich von dort wegzulassen, damit ich mich um den eigentlichen Einsatz kümmern kann. So haben wir das dann auch gemacht.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

„Hier bei der Polizeidirektion - das muss ich wirklich sagen -, eben weil wir eine Sprache sprechen, wird nicht extra ein Verwaltungsakt angescho

ben, hier wird entschieden: Zack, zack, zack, so machen wir das!“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind hier in diesem Bereich wirklich gut aufgestellt. Natürlich haben wir da, wo es notwendig ist, auch eine Mittelinstanz erhalten. Aber, meine Damen und Herren, wir haben es zusammengeführt: Polizeidirektion, Katastrophenschutz, Feuerwehr - das gehört zusammen. Dann ist es in einer Linie, und dann können wir schnell reagieren. Das hat vor allen Dingen das Elbehochwasser jetzt in diesem Jahr wieder bewiesen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Damit man nicht denkt, dass es nur in diesem Bereich ganz gut klappt - Sie haben ja gesagt: was die Genehmigungsverfahren usw. angeht, seien wir den Beweis schuldig geblieben -, möchte ich sagen: Herr Jüttner, ich bin auch häufiger in Cuxhaven. Das ist eine wunderschöne Stadt. Da waren Sie auch. „CuxPort braucht weiteren Liegeplatz“, war die Überschrift. Dann haben Sie sich mit Herrn Ahlers unterhalten. Meine Damen und Herren, daraus darf ich zitieren:

„Was den Autotransport angeht, hat Cuxhaven die 70er-Jahre verschlafen‘, meinte Ahlers mit Verweis auf den Konkurrenzstandort Bremerhaven. Ähnliche Pannen dürften in Zukunft nicht mehr passieren, sagte Ahlers und setzt hierbei insbesondere darauf, dass die Privatisierung der niedersächsischen Hafenämter (jetzt N-Ports) dazu beitrage, zu schnelleren Entscheidungen zu kommen.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, früher hatten wir noch ein Dezernat bei der Bezirksregierung, das etwas zu sagen hatte. Jetzt haben wir auch diesen Bereich zusammengeführt und privatisiert. Jetzt gibt es schnelle Entscheidungen. Mir ist es egal, was eine Diplomarbeit aus Nordrhein-Westfalen dazu sagt; mir ist wichtig, was die Wirtschaft dort sagt. Das ist das Entscheidende.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, heute ist schon darüber gesprochen worden, dass das Internationale Institut für Staats- und Europawissenschaften in Ol

denburg von uns gebeten worden ist, sich diese Diplomarbeit einmal anzuschauen. Da ich aus Zeitgründen nicht alles vorlesen kann, beschränke ich mich auf die Verlesung der letzten beiden Sätze:

„In der Summe rate ich davon ab, die Arbeit überzubewerten, da sie weder den Anspruch eines Gutachtens erheben kann, noch mit Blick auf den Arbeitseinsatz und dessen Ertrag bei einem fachkundigen Publikum eine nennenswerte Resonanz finden dürfte. Der Eindruck eines Gefälligkeitsgutachtens tritt hinzu.“