Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Fachliche und inhaltliche Argumente haben offensichtlich überhaupt keine Rolle gespielt. Es geht um Machtverteilung, und die Hochschulen werden als Kompensationsmasse missbraucht.

Hochschulen als zentrale Stellschrauben der Wettbewerbsfähigkeit einer selbst ernannten Wissensgesellschaft schrumpfen in dem von CDU und FDP gefassten Beschluss nach eigener Definition zu „Partikularinteressen“ zusammen, die „hinter dem Gesamtinteresse der Neugestaltung der bundesstaatlichen Ordnung zurückstehen“. Meine Damen und Herren, deutlicher hätten Sie nicht zum Ausdruck bringen können, dass Hochschulinteressen für Sie in dieser Frage schlicht irrelevant sind.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie selbst beschreiben in Ihrem Antrag, dass die gesetzlichen Möglichkeiten für eine Kooperation von Bund und Ländern im Hochschulbereich einst geschaffen wurden, um den Ausbau der Hochschulen in den 70er-Jahren zu flankieren. Der Anlass ist aber doch weiterhin aktuell. Jenseits der Bewältigung steigender Studierendenzahlen haben wir im Hochschulbau einen riesigen Sanierungsstau, der so weit fortgeschritten ist, dass selbst der Landesrechnungshof die Auflösung dieses Staus anmahnt.

CDU und FDP in Niedersachsen stimmen aber nicht nur der Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau zu, nein, sie sind augenscheinlich nicht einmal mehr willens, zumindest die eklatante Benachteiligung Niedersachsens bei der Verteilung der Hochschulbaumittel nachzuverhandeln. Stattdessen bittet man die Landesregierung sicherzustellen, dass Niedersachsen an den verbleibenden 298 Millionen Euro für Forschung und Großgeräte „in größerem Umfang... partizipieren (kann) als... bei der Verteilung der... Hochschulbaumittel“. Nachdem die Landesregierung bei der Aushandlung der Verteilung der Hochschulbaumittel immerhin 105 Millionen Euro verspielt

hat, ist es aus meiner Sicht peinlich, eine solche Forderung zum Gegenstand eines Antrages zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Antrag der SPD-Fraktion, der sich die Petition der Wissenschaft zur Föderalismusreform zu Eigen gemacht hat, findet unsere volle Unterstützung, aber bedauerlicherweise nicht die Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion. Auch die Sozialdemokraten in Berlin scheinen gegen den Protest ihrer eigenen Bildungspolitikerinnen im Zweifel nach der Parole „Augen zu und durch“ zu verfahren.

Meine Damen und Herren, der jetzt ausgehandelte Kompromiss wird die Asymmetrie zwischen Nord und Süd im Hochschulbereich verschärfen. Mit Ihrer Zustimmung im Bundesrat werden Sie nicht nur unsere niedersächsischen Hochschulen, sondern auch der Sinnhaftigkeit des Föderalismus einen Bärendienst erweisen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Graschtat! Sie haben noch eine restliche Redezeit von vier Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

(Walter Meinhold [SPD]: Das stimmt!)

Dieser Spruch könnte für die Föderalismusreform erfunden worden sein. Das richtige Ziel einer Entflechtung der staatlichen Ebenen und Verantwortlichkeiten droht z. B. im Hochschulbereich in einem Fiasko zu enden. In der Zeit war am 14. Juni zu lesen:

„Es geht nicht um ein schlichtes Gesetz. In der Sprache der Computer: Bundestag und Bundesrat öffnen keine Anwendung, die man später wieder löschen kann, sondern sie gehen direkt ins Betriebssystem. Und das sollte man nur dann machen, wie die Jungs im Computerladen immer wieder sagen, wenn man ganz genau weiß, was man tut.“

Bevor sich nun morgen die Ministerpräsidenten zu ihrer Bewertung der Ergebnisse der Anhörung treffen, wollten wir als SPD-Fraktion noch einen letzten Versuch unternehmen, auch dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten vor Augen zu führen, welche Folgen ein „Eingriff in das Betriebssystem“ haben wird.

Ende Mai hat die größte Sachverständigenanhörung von Bundestag und Bundesrat in der Geschichte der Bundesrepublik stattgefunden. Im Bereich Bildung haben 22 von 23 Experten zu erkennen gegeben, dass sie lieber keine Reform hätten als diese. Einige besonders prägnante Zitate:

Hans Meyer, Verfassungsrechtler der HumboldtUniversität in Berlin, hat gesagt:

„Würde ein Außerirdischer diesen Gesetzentwurf lesen, müsste der denken, Deutschland sei ein Agrarland.“

Hans-Peter Schneider, Direktor des Deutschen Instituts für Föderalismusforschung, kritisiert die verfassungsrechtliche Trennung von zwei Dingen, die in der deutschen Hochschultradition untrennbar sind, nämlich Lehre und Forschung. Etwas wie das vorgesehene Verbot von Kooperationen zwischen Bund und Ländern sei in keinem föderal organisierten Industriestaat der Welt bekannt.

Der Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, Christian Bode, wies darauf hin, dass sich die dritte Förderlinie der Exzellenzinitiative, bei der es um die Gesamtentwicklung von Spitzenhochschulen geht, schon in verfassungsrechtlichem Zwielicht befinde. Darüber hinaus sei es völlig widersinnig, dem Bund Fördermöglichkeiten zu verbieten, die die EU seit vielen Jahren habe und auch behalte.

Nach diesem eindeutigen Ergebnis der Anhörung konnte man hören und lesen, auch in der Union habe ein Umdenken eingesetzt. Selbst Arbeitgeberpräsident Hundt hat vor Kleinstaaterei gewarnt und bundesweit vergleichbare Bildungsstandards verlangt. Nur aus Niedersachsen hört man nichts, obwohl uns unser Wissenschaftsminister ja ständig verkündet, man befinde sich auf allen Feldern der Hochschulpolitik an der Spitze der Bewegung.

In den letzten Tagen scheint es beim Kooperationsverbot ja eine Einigung zu geben, zumindest scheint sie sich abzuzeichnen. Das reicht aber nicht aus. So führen z. B. die Abweichungsrechte

der Länder bei Abschlüssen und Zulassungen das Ziel eines europäischen Hochschulraumes ad absurdum.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Frau Professor Wintermantel, die Präsidentin der HRK, hat erklärt, der Wettbewerb um die besten Forscher und Studierenden müsste unter den Hochschulen stattfinden, nicht unter den Bundesländern. Insofern sei das ganze Reformvorhaben nicht zukunftsorientiert, sondern Politik im Stile des 17. Jahrhunderts. - Dem kann man nur beipflichten und feststellen, dass die Hochschulen in den ärmeren Bundesländern zu den Verlierern gehören und dass das Nord-Süd-Gefälle weiter zunehmen würde. Das darf die Landesregierung nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD)

Es geht nicht um parteipolitische Machtspielchen oder um die persönlichen Eitelkeiten von Ministerpräsidenten, sondern um Vernunft. Ministerpräsident Wulff hat erklärt, die große Koalition könne sich ein Scheitern dieser Reform nicht leisten. Die SPD-Landtagsfraktion ist der Auffassung, einen Beschluss in der vorliegenden Form können wir uns erst recht nicht leisten. Von daher setzen wir auf Veränderungen.

(Unruhe)

Einen kleinen Moment, Frau Kollegin Graschtat! Aufgrund der Geruchsbelästigung, die wir alle gleichermaßen empfinden, herrscht hier im Saal erhebliche Unruhe. Gerade wird versucht, es abzuklären. Wir sollten Frau Graschtat auf jeden Fall die Möglichkeit geben, weiterhin zu sprechen. Wenn Sie allerdings sagen, es ist absolut unmöglich, dann können wir die Sitzung für heute gerne unterbrechen. Aber solange ich diese Signale von den Fraktionen nicht bekomme, hat Frau Graschtat das Wort. - Frau Graschtat!

Ich war mit meinen Ausführungen am Ende und wollte nur noch feststellen: Da die Entscheidungen in den nächsten Tagen fallen, beantragen wir sofortige Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielleicht schaffen wir es ja trotz der erheblichen Geruchsbelästigungen, die drei Redner noch zu hören. Für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Trost, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die Föderalismusreform wurde viel diskutiert - hier im Plenum, im Land und im Bund. Wir konnten es in den letzten Tagen auch vielen Zeitungen entnehmen. Die HAZ beispielsweise schrieb gestern:

„Der Weg zur Staatsreform ist jetzt freigeräumt.“

Die Argumente sind eigentlich ausgetauscht. Insbesondere im Bildungsbereich gab es in der Tat sehr viel zu diskutieren.

Es ist unbestritten, dass die Föderalismusreform ein wichtiger und mutiger Schritt für Deutschland ist. Seit vielen Jahren wurden immer wieder Überlegungen angestellt, wie die Gesetzeszuständigkeiten und Mitwirkungsrechte zwischen Bund und Ländern verbessert werden könnten. Es gab viele Anläufe, die Gesetzeskompetenzen zu entflechten. Keiner dieser Anläufe hat das Ziel bisher wirklich erreicht. Die nun vorliegende Reform ist die umfassendste Reform des Grundgesetzes seit 1949. Sie sieht eine massive Stärkung der Länderkompetenzen vor. Aus Sicht eines Wissenschaftspolitikers ist es absolut zu begrüßen, dass die Rahmengesetzgebung im Hochschulbereich endlich fällt.

(Zustimmung von Professor Dr. Dr. Zielke [FDP])

Die Interessen Niedersachsens sind bei dieser Landesregierung in guten, ja, in besten Händen. Dass es Bereiche bei der Föderalismusreform gibt, die vielleicht nicht vollständig unseren Vorstellungen entsprechen, ist bekannt. Aber, meine Damen und Herren der Oppositionsparteien, wir müssen immer das Ganze sehen, das gesamte Paket im Bereich der Föderalismusreform.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Dieser Mei- nung sind auch wir!)

Über die möglichen Konsequenzen für Niedersachsen durch den Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau haben wir bereits in der Sit

zung am 24. Februar 2006 lange diskutiert. Ministerpräsident Christian Wulff und Wissenschaftsminister Lutz Stratmann haben schon frühzeitig auf die sich abzeichnenden Benachteiligungen Niedersachsens im Hochschulbereich hingewiesen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das stimmt überhaupt nicht!)

Was Sie, meine Damen und Herren der SPDFraktion, aber immer wieder gern vernachlässigen, ist die Tatsache: Die im Kompromiss zur Föderalismusreform gewählten Referenzjahre, nämlich die Jahre 2000 bis 2003, betreffen exakt die Zeit, in der Sie, die Sozialdemokraten, unter verschiedenen Ministerpräsidenten, u. a. mit Sigmar Gabriel, und dem damaligen Wissenschaftsminister Thomas Oppermann federführend für die Einforderung von Hochschulbaumitteln im Bund verantwortlich waren.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das ist eine Legende!)

Nach all den geführten Diskussionen in den letzten Wochen und Monaten gibt es im Grunde nur noch zwei Knackpunkte: zum einen die Verteilung der durch den Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau frei werdenden Bundesmittel - Artikel 143 c neu des Grundgesetzes - und zum anderen das so genannte Kooperationsverbot in Artikel 104 b neu des Grundgesetzes.

Meine Damen und Herren, der Spielball liegt jetzt in Berlin. Ich zitiere aus einer dpa-Meldung von heute Mittag:

„Führende Politiker der großen Koalition haben nach dpa-Informationen die Streitpunkte bei der Föderalismusreform nahezu ausgeräumt. In einer Sitzung am späten Dienstagabend verständigte sich eine Runde aus Fraktionsmitgliedern von Union und SPD darauf, in die geplanten Grundgesetzänderungen einen Passus aufzunehmen, der Bundeshilfen für die Hochschulen weiterhin ermöglicht.“

Frau Graschtat hat es gerade gesagt: Morgen beraten die Ministerpräsidenten in Berlin abschließend über die Föderalismusreform. Spätestens am kommenden Samstag wird sich der Koalitionsausschuss mit der Reform befassen. Noch vor der Sommerpause sollen Bundestag und Bundesrat die Gesetzentwürfe beraten.

Dass das Kooperationsverbot im Hochschulbereich kippen muss, haben wir schon lange gefordert. Es zeichnet sich ab, dass es für den Hochschulbereich entfallen soll.

Meine Damen und Herren, die Föderalismusreform schafft Raum für einen positiven Wettbewerb um ein zukunftsweisendes Hochschulrecht. Wie jeder Kompromiss bringt auch die Föderalismusreform für Bund und Länder ein Geben und Nehmen mit sich. Ich bin mir sicher, dass die Niedersächsische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen aus diesem Kompromiss das Beste für Niedersachsen machen werden. Dazu gehört, dass die Landesmittel für den Hochschulbau möglichst in derselben Höhe wie die Bundesmittel aufgebracht werden. Dazu gehört das Partizipieren an den verbleibenden 298 Millionen Euro der bisherigen Hochschulbaumittel. Es gehört auch dazu, dass nach 2013 für den Hochschulbau jährlich Bundesmittel mindestens in der gleichen Höhe zur Verfügung stehen. Dazu gehört natürlich auch, dass die Beteiligung des Wissenschaftsrates an der fachlichen Begutachtung größerer Bauvorhaben gewährleistet ist. Dies alles ist in unserem Änderungsantrag enthalten, dem Sie, die Oppositionsfraktionen, leider nicht zustimmen werden.

Die Gesetzgebung von Bund und Ländern wird durch eine klare Zuordnung der Kompetenzen künftig an Profil gewinnen. Durch die verfassungsrechtlich abgesicherten Abweichungsrechte wird der Wettbewerbsföderalismus gestärkt. Dies ist eine hervorragende Chance für Niedersachsen. Das sollte auch die Opposition endlich begreifen. Wir freuen uns schon auf die neuen Zuständigkeiten und werden, wie bereits im Februar gesagt, die notwendigen Regelungen zügig und aktiv umsetzen.