In der Logik hat sich Frau Ross-Luttmann für die Landesregierung der von der IG Metall und den Grünen vor mehr als einem Jahr begonnenen Arbeit zu einer Landesinitiative Seniorenwirtschaft angeschlossen. Vorher waren schon die Kammern, die Verbraucherzentrale und viele andere Interessierte hinzugekommen. Das Engagement der Wolfsburg AG mit einer Übernahme der Organisationsarbeit hat beim Durchstarten auch sehr geholfen.
Zu kritisieren bleibt aber, dass die Arbeit der Landesinitiative bisher noch nicht vom Wirtschaftsministerium und auch nicht vom Landwirtschaftsministerium unterstützt wird. Der demografische Wandel und seine wirtschaftlichen Folgen geht schließlich alle Ressorts an. Vielleicht macht ja unser heutiger Beschluss den nötigen Motivationsschub aus, dass hierbei auch umgedacht wird.
Defizite bei der angemessenen Reaktion auf die demografischen Veränderungen sind jedoch nicht nur in der Politik und in den Verwaltungen festzustellen. Ein kleiner, aber dramatischer Einblick, wie
viel auch große Unternehmen hier noch lernen müssen, wurde vor einigen Tagen an einem Problemfall aus Hannover deutlich. Den will ich hier einmal kurz vorstellen, damit auch diejenigen, die sich noch nicht so sehr mit dem Thema beschäftigt haben, die Tragweite des Problems erkennen können: Ein über 80-jähriger Mann verlor durch einen Brandschaden seinen ganzen Besitz und sein kleines Haus. Man sollte glauben, dass die vorhandene Neuwertversicherung bei der Allianz seinen Schaden, wie sonst üblich, zügig ausgeglichen hätte. Aber der alte Herr fand sich bald in einem schier unlösbaren Dilemma wieder. Die Versicherung wollte den Neuwert erst anweisen, wenn die Planung genehmigt und der Neubau begonnen ist. Um diese Aufträge tätigen zu können, sollte er seiner Hausbank aber die Finanzierung für den gesamten Neubauwert nachweisen. Das konnte er natürlich nicht; denn die Versicherung wollte ja erst zahlen, wenn mit den Bauarbeiten begonnen ist. Eine skandalöse Falle tat sich für ihn auf.
(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Alters- diskriminierung war das! Deshalb brauchen wir ein Gleichstellungsge- setz!)
Der Mann war bei der Risikobewertung der agierenden Sachbearbeiter bei Bank und Versicherung offenbar schlicht zu alt. Erst nach einer recht detaillierten Presseveröffentlichung mit erheblicher Resonanz löste sich sein Problem auf. Allianz und Sparkasse hatten ein Einsehen - sein Glück.
Wir wollen, dass zukünftig solche und ähnliche Fälle der Altersdiskriminierung verhindert werden. Dafür und für eine den Bedürfnissen der stark anwachsenden älteren Generation angepasste Veränderung von Produkten und Dienstleistungen vereinbaren wir heute hier ein gemeinsames Engagement in der niedersächsischen Landesinitiative Seniorenwirtschaft. Ich hoffe, es bewegt sich dadurch einiges. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bereits in der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“ sehr ausführ
lich über die wirtschaftlichen Perspektiven einer Gesellschaft des langen Lebens gesprochen und einmütig festgestellt, dass es große Potenziale gibt, die erst unzureichend bewusst und bearbeitet sind. Diese Einigkeit kommt auch in der einstimmigen Beschlussfassung über diesen Antrag zum Ausdruck. Gemeinsam erkennen wir an, dass die Landesregierung mit der Gründung der niedersächsischen Landesinitiative „Generationengerechte Produkte“ eine gute Arbeit macht.
Die demografische Veränderung unserer Gesellschaft wird fast durchgängig als Bedrohung wahrgenommen. Das ist eine sehr verkürzte Betrachtung und wahrscheinlich der Grund, warum wir seit mindestens 30 Jahren versuchen, das Thema zu ignorieren. Richtig ist, dass unsere solidarischen, umlagefinanzierten Sozialsysteme vor einer Herausforderung stehen. Ansonsten ist die Aussicht auf ein längeres Leben uneingeschränkt positiv. Die positive Einstellung, ohne die eine Bewältigung der demografischen Herausforderung unmöglich ist, verstärkt sich, wenn man die Chancen einer alternden Gesellschaft betrachtet.
Meine Damen und Herren, wie wird Alter heute wahrgenommen? - Wir sprechen von Vergreisung, von Hilfe- und Pflegebedürftigkeit der Alten. Auch die gibt es natürlich. Wer wollte das leugnen? Aber wir dürfen nicht vergessen: Nur 5 % der über 65-Jährigen sind tatsächlich pflegebedürftig. Wir diskreditieren die Senioren mit dem Begriff „Überalterung“. Dabei ist unser eigentliches Problem die Unterjüngung. Es wird Zeit, ein neues Bild des Alters zu entwerfen, das nicht von Defiziten und Handikaps geprägt ist, sondern deutlich macht: Alter ist eine Lebensphase, in der sich immer weniger Menschen einfach zur Ruhe setzen; immer mehr alte Menschen haben vielmehr aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft teil, übernehmen Verantwortung für sich, die Familie und andere, leisten noch etwas, treiben Sport, gehen auf Reisen, lernen Neues und vieles andere mehr. Engagierte Fußballfans mit grauen Haaren wie unser HSV-Fanclub „Landtagsraute“ sind richtungweisend.
Was bedeutet dies für die Wirtschaft? - Die Seniorenhaushalte verfügen über eine beachtliche und rasant wachsende Kaufkraft. 2003 betrugen die Ausgaben der Haushalte von Menschen über 60 Jahren 308 Milliarden Euro. Das ist fast ein Drittel der privaten Konsumausgaben. Die Nachfrage ist also da. Wo bleibt das entsprechende
Eine niederländische Studie ergab, dass in lediglich 3 % von über 1 000 untersuchten TV-Werbespots Menschen von über 50 Jahren abgebildet wurden, zumeist in einer unvorteilhaften Art. Verbesserungswürdig sind also die Ansprache der Kunden und die Produktentwicklung. Der Markt der Zukunft liegt jenseits der 14- bis 49-Jährigen. Wer sich als Erster darauf einstellt, hat einen Wettbewerbsvorteil. Dies hat im Übrigen auch eine internationale Dimension. Alle Länder dieser Erde, auch diejenigen, die heute noch mit der Bevölkerungsexplosion konfrontiert sind, werden in diesem Jahrhundert früher oder später zu Seniorenmärkten. Deutschland hat also eine Pionierfunktion. Wir haben das Auto erfunden, weil wir es früher als andere brauchten. Unser Wohlstand war immer auf Vorsprung gegründet. Heute gilt es, unseren demografischen Vorsprung in Wohlstandssicherung umzumünzen.
Die niedersächsische Landesinitiative „Generationengerechte Produkte“, gegründet von unserer Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann mit tatkräftiger Unterstützung der Wolfsburg AG, hat sich zur Aufgabe gemacht, Umsatz- und Beschäftigungspotenziale zu finden und deren Umsetzung zu fördern. Ganz wichtig ist, dass dies nicht durch staatliche Bevormundung und Besserwisserei geschieht, sondern in einem moderierten Erkenntnisprozess gemeinsam mit Vertretern des Handwerks, der Industrie- und Handelskammern, der Unternehmerverbände, der Wohlfahrtsverbände, der Gewerkschaften, der Verbraucherzentralen, der Wissenschaft und nicht zuletzt des Landesseniorenrates Niedersachsen.
Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die niedersächsische Landesinitiative auch europäisch vernetzt wird. Als zwölfte Region in Europa und zweite in Deutschland - nach Nordrhein-Westfalen - ist Niedersachsen, vertreten durch die Sozialministerin, kürzlich dem Netzwerk Seniorenwirtschaft der europäischen Regionen beigetreten.
Wir haben außerordentlichen Wert auf die Mittelstandsorientierung der niedersächsischen Landesinitiative gelegt. Denn gerade kleine und mittelständische Unternehmen haben keine Researchabteilung und nehmen konkrete Markthinweise sehr dankbar auf.
Ich möchte noch etwas zum Namen „Seniorenwirtschaft“ sagen. Der Begriff ist in der Theorie eingeführt. In der Praxis ist das Label „Seniorenprodukt“ jedoch ein Todesurteil, und der Begriff „Seniorenwirtschaft“ erzeugt nicht gerade Euphorie. Die Gründungsversammlung der niedersächsischen Landesinitiative hat daher sehr intensiv über die Namensgebung diskutiert und sich zunächst auf den Namen „Generationengerechte Produkte“ geeinigt. Denn es geht darum, Produkte und Dienstleistungen im Sinne eines universal design so zu konzipieren, dass sie den Anforderungen aller Generationen gerecht werden. Die englische Sprache nähert sich dem Thema mit dem Begriff „silver market“ etwas unverkrampfter und durchaus sympathischer.
Abschließend möchte ich betonen, dass die Rolle der Politik und der Regierung in der Information, Bewusstmachung und Unterstützung liegt. Die konkrete Produktentwicklung und Marktbearbeitung werden nur die Unternehmen im Wechselspiel von steigender Nachfrage und technischem Fortschritt leisten können. Unsere Aufgabe ist, die Voraussetzungen für Wohlstand unter veränderten Bedingungen zu schaffen. Niedersachsen ist dabei auf einem guten Weg.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Das erste Wort geht an Sie, Herr Hagenah. Sie haben pauschal Banken, Sparkassen und Versicherungen - ich will nicht sagen: beschimpft - -
Ich darf Ihnen dazu sagen, dass es auch Sparkassen gibt, die gerade für das Klientel „60 plus“ spezielle Darlehen auflegen,
weil sie gemerkt haben, dass auch Menschen über 60 Jahre ganz neu beginnen. Das sollte Ihnen nicht ganz unbekannt vorkommen. Aus diesem Grund bitte ich um etwas Zurückhaltung.
Meine Damen und Herren, die heute eingebrachte überarbeitete Version des Antrages zur Seniorenwirtschaft enthält viele wichtige Elemente, wie dieses Thema stärkere Beachtung finden kann. Die Grundproblematik ist hinreichend bekannt: Die Deutschen werden immer älter. Wir brauchen das nicht näher auszuführen. Die Anforderungen an Dienstleistungen und Waren verändern sich aber. Gleichzeitig sind speziell auf diese finanzstarke Zielgruppe - so kann man sie fast nennen - zugeschnittene Angebote noch sehr rar. Aber erste Anzeichen für den kommenden Boom in diesem Bereich sind bereits sichtbar. Es gibt sogar erste Geschäfte im Internet, die sich auf diesen Markt konzentrieren. Da bereits heute über 30 % der über 50-Jährigen im Internet unterwegs sind, ist dies nur konsequent.
Vielen Unternehmen ist dieser Wandel bewusst. Oft fehlt aber noch die notwendige Erfahrung mit dieser neuen Zielgruppe, sodass zum Teil am Bedarf vorbei produziert wird. Ich erinnere hier an das Superbeispiel eines Handys mit drei Tasten. Keine Seniorin und kein Senior nimmt dieses Handy; denn Senioren wollen damit genauso umgehen wie Junioren und andere. Dieses Beispiel zeigt übrigens nicht nur ein Versagen der Unternehmen; vielmehr ist es auch ein klassisches Beispiel für den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, also die Notwendigkeit, vieles auszuprobieren und Produkte, die nicht akzeptiert werden, wieder zu verwerfen. Daher habe ich - Kollege Hillmer weiß das - in meiner ersten Rede vor einem halben oder einem Dreivierteljahr schon darauf hingewiesen, dass sich die Wirtschaft dieses Themas annehmen wird und dass der Staat nicht selbst versuchen sollte, Lösungen oder Produkte zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, insgesamt gesehen bin ich froh, dass eine gute Lösung gefunden worden ist. Ich freue mich, dass Ministerin Ross-Luttmann mit ihrer vor drei Wochen vorgestellten „Landesinitiative generationengerechte Produkte“ die guten Ideen des Landtages so schnell aufgegriffen und umgesetzt hat, nämlich schon dann, als die Zustimmung in den Ausschüssen erkennbar war. Ein Kompliment an die Frau Ministerin! - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
über in Kenntnis setzen, dass wir nach diesem Tagesordnungspunkt in die Mittagspause eintreten werden.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Anzahl der Menschen über 60 Jahre in Niedersachsen wird sich von im Moment 2 Millionen auf mehr als 2,25 Millionen im Jahr 2020 erhöhen. Die Menschen über 60 Jahre machen dann fast ein Drittel der Bevölkerung in Niedersachsen aus. Besonders starke Veränderungen wird es im Bereich der so genannten Hochbetagten, also der über 80-Jährigen, geben. Das sind in unserem Land Niedersachsen im Moment 360 000 Menschen. Im Jahr 2020 werden es mehr als 500 000 sein.
Meine Damen und Herren, wir dürfen diese Zahlen nicht als Horror- oder Schreckensszenario an die Wand malen. Vielmehr müssen wir die Chancen, die dieser wachsende Markt bietet, erkennen und uns mit ihnen auseinander setzen. Dass man damit erfolgreich sein kann, haben z. B. unsere Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen schon vor Jahren mit ihrer „Landesinitiative Seniorenwirtschaft“ gezeigt. Dort ist der Strukturwandel von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft dadurch gelungen, dass Arbeitsplätze im Dienst für Menschen geschaffen worden sind, in erster Linie Arbeitsplätze im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen, aber auch im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen, z. B. Hausmeisteroder Haushaltsdienste. In NordrheinWestfalen hat diese Landesinitiative ein Beschäftigungspotenzial von mehr als 100 000 Personen gehoben.
Meine Damen und Herren, die Seniorenwirtschaft bietet ein breites Spektrum für Beschäftigungsmöglichkeiten. Dazu gehören z. B. das Gesundheitswesen, der Tourismus, barrierefreie Produkte, die Weiterbildung, das lebenslange Lernen, die Mobilität im Alter, die Wohnungswirtschaft, der ÖPNV. Das alles sind Wachstumsfelder.
Die Niedersächsische Landesregierung ist meines Erachtens vor allen Dingen gefordert, den Prozess zwischen allen Gruppen zu moderieren. Seniorenwirtschaft ist nicht nur ein Feld der Sozialpolitik, sondern neben weiteren Feldern insbesondere ein Feld der Wirtschaftspolitik; ich habe die Beschäf
tigtenzahlen aus Nordrhein-Westfalen genannt. Hier muss die Landesregierung Impulse setzen. Daher ist es unerlässlich, dass sie die Gestaltung des demografischen Wandels - hier die Seniorenwirtschaft - als ein alle Disziplinen übergreifendes Thema betrachtet und es nicht nur im Sozialministerium behandeln lässt.
Inzwischen wird es bei diesem Thema ja auch spannend. Nach der Einbringung des Antrages im November hat Herr Hermann von der FDP-Fraktion noch gesagt - ich zitiere -: „Dieser Antrag ist typisch grün. Für alles ein Sonderprogramm - das ist ihr Leben.“ Im Zuge der Beratungen hat er sich dann aber doch noch eines Besseren belehren lassen. Es ist schön, dass wir diesen Antrag heute gemeinsam verabschieden.
Aber dabei bleibt es nicht. Die Landesregierung hatte nichts Eiligeres zu tun - hoffentlich positiv angestachelt durch den Antrag der Grünen -, als schon am 31. Mai die „Landesinitiative generationengerechte Produkte“ und darüber hinaus den Beitritt zum „Netzwerk Europäischer Regionen Seniorenwirtschaft“ zu verkünden, obwohl wir dies eigentlich erst heute beschließen werden. Es ist gut, dass durch diesen Antrag mehr Dynamik in diesen Bereich hineingekommen ist.
Meine Damen und Herren, Seniorenwirtschaft hat das Ziel, die Lebensqualität der älteren Menschen zu verbessern, die steigende Kaufkraft der Älteren für Wachstum in Niedersachsen zu mobilisieren und damit zu einem Wachstum an Arbeitsplätzen zu kommen.
Wir werden ein wachsames Auge darauf haben, dass Sie Seniorenwirtschaft nicht ausschließlich unter sozialen Gesichtspunkten, sondern auch unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten betrachten. Ich darf daran erinnern, dass wir Sie mühsam dazu bringen mussten, in der Beschlussempfehlung die Forderung nach einer Finanzierung der Geschäftsstelle sicherzustellen und den Begriff „Seniorenwirtschaft“ zu platzieren. Ich finde den Begriff „Seniorenwirtschaft“ übrigens nicht diskriminierend. Der Begriff „Senior“ ist kein DefizitBild, sondern sehr wohl positiv besetzt.
Wir werden die Landesregierung nicht aus ihrer Verantwortung für eine interdisziplinäre Arbeit entlassen. Da ist sie gefordert.
Wir hoffen, dass die Landesinitiative in Niedersachsen ein ähnlicher Erfolg wie die in NordrheinWestfalen wird und werden der Beschlussempfehlung daher zustimmen. - Vielen Dank.