Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

2. In welchem Verhältnis will die Landesregierung qualitative und wirtschaftliche Kriterien bei der Zuschlagserteilung gewichten?

3. Warum hat die Landesregierung abgelehnt, die neuen tariflichen Regelungen für Ärztinnen und Ärzte an den Unikliniken auch auf die Landeskliniken anzuwenden?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Beantwortet wird die Dringliche Anfrage durch die Ministerin Frau Ross-Luttmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst den Verfahrensgang insgesamt kurz skizzieren. Dieser glie

dert sich in vier Schritte, von denen der erste bereits abgeschlossen ist.

Der erste Schritt war das Verfahren zur Einreichung von Teilnahmeanträgen. Dieser Verfahrensschritt wurde mit der Veröffentlichung im EUAmtsblatt am 6. Mai 2006 eröffnet und endete am 12. Juni 2006 mit einem erfreulichen Ergebnis. Wir haben nicht nur eine durchaus hohe Zahl von Interessenten, sondern auch eine gute Mischung von öffentlich-rechtlichen, freigemeinnützigen und privaten Trägern zu verzeichnen.

Zweiter Schritt: Den zugelassenen Teilnehmern wurde inzwischen eine Vertraulichkeitserklärung zugeschickt. Sobald sie diese unterschrieben zurücksenden, werden den die Teilnehmern unverzüglich eine Angebotsaufforderung mit den Vergabebedingungen sowie ein Informationsmemorandum zugesandt. Sie werden dann gebeten, vorläufige Angebote abzugeben. Daran schließt sich ein Auswahlverfahren an.

Der dritte Schritt: Die ausgewählten Bieter erhalten etwa ab August Zugang zum Datenraum mit detaillierten Informationen zu dem Krankenhaus bzw. zu den Krankenhäusern, für das bzw. für die sie ein vorläufiges Angebot abgegeben haben. Dies versetzt die Bieter in die Lage, ihre Angebote zu konkretisieren. Dann folgt eine weitere Auswahl.

Mit den danach verbliebenen Bietern werden Vertragsverhandlungen geführt. Auf der Grundlage der Verhandlungsergebnisse erfolgt schließlich der Zuschlag.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 2: Die Landesregierung hatte bereits unter dem 29. September 2005 eine begleitende Projektgruppe eingesetzt, die den Auftrag hatte, eine Stellungnahme zu dem Themenbereich „Erhalt der Qualität der psychiatrischen Versorgung in Niedersachsen und Wahrung der Rechte der Beschäftigten in den niedersächsischen Landeskrankenhäusern“ zu fertigen. Der Bericht der begleitenden Projektgruppe wurde am 10. Februar 2006 vorgelegt. Er enthielt eine Vielzahl von Forderungen, von denen ich zwei zentrale Forderungen ausdrücklich nennen möchte: die Forderung nach Aufrechterhaltung des Prinzips der regionalen Vollversorgung sowie die Forderung nach Fortführung der kooperativen Zusammenarbeit mit den Trägern komplementärer Angebote in der Region und den sozialpsychiatrischen Verbünden. Der

Bericht der begleitenden Projektgruppe vom 10. Februar 2006 ist die Basis der Vorstellungen der Landesregierung.

Um den vorhandenen Fachverstand einzubinden und zugleich die personelle Kontinuität zu gewährleisten, ist ein begleitender Ausschuss gebildet worden, dem fünf Personen angehören, die auch schon Mitglieder der begleitenden Projektgruppe waren, u. a. die drei ärztlichen Direktoren, die Vorsitzende der Projektgruppe bzw. der beiden Arbeitsgruppen waren, die sich mit den Fragen der Qualitätssicherung befasst haben. Diese drei Personen haben auch bereits bei der Formulierung der Teilnahmebedingungen mitgewirkt.

Inzwischen sind die Vergabebedingungen für das weitere Verfahren, also für die Verfahrensschritte zwei bis vier, formuliert worden. Diese Vergabebedingungen untergliedern sich in die vier Themenbereiche medizinisches Konzept, Personalkonzept, Kaufpreis und finanzielle Absicherung des Landes gegen finanzielle Risiken. Die Unterkriterien zum medizinischen Konzept sowie zum Personalkonzept wurden einvernehmlich mit dem begleitenden Ausschuss formuliert. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich in dieser öffentlichen Plenardebatte hinsichtlich der Einzelheiten keine weitergehenden detaillierten Auskünfte geben werde.

(Christa Elsner-Solar [SPD] Uns geht das nichts an!)

Bei dem förmlichen Vergabeverfahren handelt es sich um ein Verfahren, das der Vertraulichkeit unterliegt. Alle Bieter erhalten, wie ich eben erwähnt habe, die Vergabebedingungen und die Informationsmemoranden mit den Informationen zu den niedersächsischen Landeskrankenhäusern nur, wenn sie zuvor die Vertraulichkeitserklärung abgegeben haben. Dementsprechend äußere ich mich auch sehr vorsichtig zur Frage der Gewichtung. So viel kann ich dazu sagen: Von allen vier Themenfeldern kommt dem medizinischen Konzept die höchste Gewichtung zu.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Christa Elsner-Solar [SPD]: Das ist ja wohl eine Selbstverständ- lichkeit!)

Die von mir genannten vier Themenfelder lassen sich in zwei Gruppen zusammenfassen. Zum einen in die inhaltlich geprägten Themenfelder medizinisches Konzept und Personalkonzept, zum anderen in die finanziell geprägten Themenfelder Kaufpreis

und finanzielle Absicherung des Landes. Die konzeptionellen Aspekte werden also stärker gewichtet als die finanziellen.

Zu 3: In der Anlage 5 der Einigung der Tarifgemeinschaft der Länder - TdL - mit ver.di und der Tarifunion des Deutschen Beamtenbundes - dbb vom 19. Mai 2006 sind von den arztspezifischen Regelungen nur Ärztinnen und Ärzte erfasst, die an Universitätskliniken und überwiegend in der unmittelbaren Patientenversorgung tätig sind. Allerdings soll es durch landesbezirklichen Tarifvertrag möglich sein, diese Regelungen auch auf andere Ärzte im Landesdienst auszuweiten. Die in der TdL zusammengeschlossenen Länder waren sich darüber einig, mit dem Marburger Bund nur denselben Geltungsbereich der tariflichen Regelung zu vereinbaren wie mit den Gewerkschaften ver.di und dbb Tarifunion vom 19. Mai 2006. Nur so konnte erreicht werden, dass es nicht zu Widersprüchen zwischen den Tarifverträgen unterschiedlicher Tarifparteien kommt.

Die TdL hat aus den in der Vorbemerkung dargestellten Gründen mit dem Marburger Bund am 16. Juni 2006 vereinbart, dass auf Landesebene darüber verhandelt werden kann, ob und inwieweit diese Einigung auf andere Ärztinnen und Ärzte im Landesdienst, z. B. an psychiatrischen Krankenhäusern, übertragen werden kann. Da die Tarifverträge erst zum 1. November 2006 in Kraft treten sollen, ist abzuwarten, ob es zu Verhandlungen auf Landesebene kommen wird. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass Landeskrankenhäuser eher mit Krankenhäusern der Allgemeinversorgung als mit Universitätskliniken zu vergleichen sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Helmhold.

Frau Ministerin, zunächst zu der Tarifauseinandersetzung. Der Marburger Bund hat inzwischen den Finanzminister schriftlich aufgefordert, in Verhandlungen über eine Übernahme dieses Tarifvertrags einzutreten. Wann beabsichtigt die Landesregierung, dies zu tun, und mit welcher Zielrichtung wird sie in diese Verhandlungen gehen?

Für die Landesregierung Frau Ministerin RossLuttmann!

Hierzu bitte ich um Verständnis. Diese Frage wird schriftlich beantwortet, und die Antwort wird nachgereicht.

(Zuruf: Wieso denn das?)

Meine Damen und Herren, das hat es schon öfter gegeben. Das ist nichts Neues. - Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Hemme.

Frau Ministerin, Sie haben gesagt, die Hauptkriterien sind das medizinische und das personelle Konzept. Ordnen Sie unter dem Begriff „personelles Konzept“ auch die Rechte der Beschäftigten ein?

Für die Landesregierung Frau Ministerin RossLuttmann!

Selbstverständlich ist die Wahrung der Rechte der Beschäftigten ein ganz wesentlicher Aspekt in den Verkaufsverhandlungen. Selbstverständlich ist ein so genanntes K.-o.-Kriterium, wenn ein Bieter den Tarifüberleitungsvertrag, den wir abzuschließen gedenken, nicht akzeptiert; denn dann ist er aus dem Rennen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Meihsies.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, wie viele Interessenbekundungen hat es insgesamt gegeben, wie viele liegen Ihnen vor? Wird die Stadt Lüneburg die zweite Hürde nehmen, d. h. kommt sie in die zweite Phase hinein?

Herr Meihsies, damit das nachher klar ist: Sie brauchen während dieses Tagesordnungspunkts nicht noch einmal zu fragen. Sie haben nämlich soeben zwei Fragen gestellt. - Bitte!

Lieber Herr Meihsies, ich habe wohl eingangs sehr deutlich gemacht, dass ich gewisse Fragen aus verfahrensrechtlichen Gründen und auch aufgrund von EU-Vorgaben und aus rechtlichen Gründen nicht beantworten kann. Ich bitte nachzusehen, dass ich die Rechtmäßigkeit und den Ablauf des Verfahrens nicht dadurch gefährden werde, dass ich in öffentlicher Sitzung gewisse Auskünfte gebe. Ich bin aber gerne bereit, im nichtöffentlichen bzw. vertraulichen Teil einer Sitzung des Fachausschusses umfangreicher Stellung zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Professor Dr. Lennartz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich muss leider jetzt die Frage wiederholen, die Herr Meihsies als Erste gestellt hat, obwohl ich eigentlich eine andere stellen wollte. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wieso das EU-Recht und das Vergaberecht Sie daran hindern könnten, zu sagen, wie viele Interessenbekundungen es gegeben hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das EU-Recht hindert Sie nur daran, zu sagen, wer Interessenbekundungen abgegeben hat, aber nicht daran, wie viele eingegangen sind.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Da hat er Recht!)

Für die Landesregierung Frau Ministerin RossLuttmann!

Ich werde hierüber im nichtöffentlichen Sitzungsteil des Ausschusses Auskunft geben, weil ich unsere eigenen Interessen als Land nicht behindern möchte. Ich bitte hierfür nochmals um Verständnis. Aus diesem Grunde habe ich mich in der Antwort auf die Anfrage sehr deutlich positioniert. Im vertraulichen Teil der Fachausschusssitzung werde ich entsprechende Details nennen, aber nicht in einer öffentlichen Landtagssitzung.

(Unruhe bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sind im Verfahren, wir bleiben im Verfahren und fertig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme auf den vehementen Einsatz des niedersächsischen Finanzministers Möllring zurück, in den Tarifverhandlungen mit den Klinikärzten dafür zu sorgen, dass das Verhandlungsergebnis, das für die Unikliniken ausgehandelt worden ist, nicht für die Landeskrankenhäuser übernommen wird. Ich frage die Landesregierung, ob es sich um ein bewusstes Kalkül des niedersächsischen Finanzministers handelt, mithilfe dieses unklaren Zustandes hinsichtlich der künftigen Tarifentwicklung in den Landeskrankenhäusern diese Frage zulasten der Beschäftigten Kaufpreis steigernd offen zu halten.

Frau Ministerin Ross-Luttmann für die Landesregierung!