Frau Helmhold, Sie haben sich mit der gelben Karte zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie kennen ja die Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gelbe Karte ist nicht unbedingt im Sinne des Fußballs zu verstehen.
Ich stimme der Zustandsbeschreibung von Herrn Schwarz ausdrücklich zu und möchte gern noch einen Punkt ergänzen, den er dabei nicht bedacht hat. Wir haben in den Einlassungen von Frau Kohlenberg eben das Stichwort „Baden-Württemberg“ gehört. Insofern sind meine Ohren relativ spitz geworden; denn ich sage denjenigen hier im Hause, die es nicht wissen, eines: BadenWürttemberg ist das Land, das im Moment die Fachkraftquote ankratzt. Baden-Württemberg will die Fachkraftquote, die derzeit bei 50 % liegt - das
ist aus fachlicher Sicht die unterste Grenze dessen, was man für eine qualifizierte Pflege braucht -, mit Gewalt auf 33 % heruntersetzen. Von daher möchte ich von Ihnen in der nächsten Zeit deutliche Äußerungen dazu hören, ob Sie die Fachkraftquote dann, wenn das Heimrecht im Zuge der Föderalismusreform auf die Bundesländer übertragen wird - was ich für einen außerordentlich großen Fehler halte -, bei 50 % halten oder unter Umständen sagen: Das alles ist kein Problem. Wir gehen auf 33 %. Dann müssen wir nicht mehr soviel ausbilden. Das kostet dann auch weniger. Den Rest machen wir mit ungelernten Kräften. - Das nämlich steht auch noch im Raum, meine Damen und Herren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgrund der demografischen Entwicklung werden zukünftig immer mehr ältere Menschen Pflegeleistungen in Anspruch nehmen. Auf diese Herausforderungen für unser Gesundheits- und Sozialwesen müssen wir uns einstellen. Mit dem vorliegenden Antrag soll die Umlage zur Finanzierung der Altenpflegeausbildung wieder eingeführt werden. Rechtsgrundlage für eine entsprechende Umlage, meine Damen und Herren von der SPD, wäre jetzt § 25 des geltenden Altenpflegegesetzes des Bundes. Eine Umlageverordnung kann hiernach nur erlassen werden, wenn ein Ausgleichsverfahren erforderlich ist, um einen Mangel an Ausbildungsplätzen zu verhindern oder zu beseitigen. Dieser Nachweis müsste zunächst einmal erbracht werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, Sie sprechen von einem Rückgang der Zahl der Altenpflegeschülerinnen und -schüler um ca. 20 %. Nach den mir vorliegenden und vom Kultusministerium regelmäßig ermittelten Schülerzahlen in der Altenpflege ist mir allerdings unklar, wie Sie zu dieser Aussage kommen; denn vor Einführung der Altenpflegeumlage im Jahre 1995
gab es 3 919 Altenpflegeschülerinnen und -schüler. 1996 - also nach Einführung der Altenpflegeumlage - gab es 4 101 Altenpflegeschülerinnen und -schüler. Im Jahr 2000 waren es dann 4 048. Nach Einstellung der landesrechtlichen Umlageverfahren stieg die Schülerzahl bis zum Jahr 2005 auf 4 922 an. Vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2005 gab es also einen Zuwachs um 874 Schülerinnen und Schüler. Den von Ihnen behaupteten Rückgang um 20 % kann ich demnach nicht feststellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich werden wir in den nächsten Jahren einen erheblichen Bedarf an zusätzlichen Pflegekräften haben. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Auszubildenden stetig und kontinuierlich gewachsen. Die eben genannten Zahlen belegen dies. Das heißt für das Land, dass wir den bundesgesetzlich geforderten Nachweis für die Notwendigkeit einer Umlageverordnung damit nicht erbringen können.
Es stellt sich auch die Frage, ob diese Umlage das geeignete Mittel ist. Dazu haben Sie, Herr Schwarz, in Ihrer Presseerklärung erklärt - ich zitiere wörtlich, Frau Elsner-Solar -:
„Die Umlagefinanzierung hat sich bewährt. Sie ist unbürokratisch, breit akzeptiert und schafft die notwendigen Anreize bei den Pflegeeinrichtungen.“
Pressemitteilung vom 15. Juni 2006. - Aber: Gegen die 1996 eingeführte Umlage führten bis zu 50 % der herangezogenen Träger von Pflegeeinrichtungen Widerspruch und Klage. Dieser Widerstand gegen das Umlageverfahren wurde sowohl von den privaten Trägern von Pflegeeinrichtungen als auch von der freien Wohlfahrtspflege geleistet. Von breiter Akzeptanz kann also keine Rede sein.
Die Klagen und die Verzögerung bei der Umlageerhebung haben das Land insgesamt mit Zinsen in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro belastet. Es bestehen weiterhin erhebliche Außenstände in Höhe von fast 8 Millionen Euro. Anhängig sind noch 46 Klagen gegen rund 220 Bescheide mit der Möglichkeit eines weiteren Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht. Rund 340 Einrichtungen zahlen in Raten ein. Etliche Niederschlagungen stehen an. Ich kann also beim besten Willen nicht
(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Ich würde einmal nachfragen! Ich würde mal in die Einrichtungen gehen! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Sie sind damals zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Ich zitiere aus der 24. Plenarsitzung vom 11. März 1999. Damals hat Frau Pothmer die ehemalige Ministerin Merk gefragt:
„Frau Ministerin, ich frage Sie: Was halten Sie eigentlich von dem Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft der Altenpflegeschulen, die Umlagefinanzierung erst zu einem späteren Zeitpunkt auszusetzen, um einen Zusammenbruch der Altenpflegeausbildung zu vermeiden?“
„Frau Kollegin, bei der Verhaltensweise des einen Drittels halte ich von diesem Vorschlag gar nichts. Dann werde ich in einem halben Jahr wieder genau das gleiche Theater haben; denn wir haben bereits seit 1996 das Theater, dass diejenigen, die eigentlich zahlen müssten, nicht zahlen.“
Nein. - Die Anreize, die die Umlagefinanzierung am häufigsten setzt, sind doch anscheinend Anreize zur Klageerhebung. Das wird auch durch die in Baden-Württemberg und in Sachsen in der jüngeren Vergangenheit gemachten Erfahrungen bestätigt. In Sachsen musste das Verfahren nach richterlichen Entscheidungen wieder ausgesetzt werden, weil an den Nachweis der Erforderlichkeit eines Ausgleichsverfahrens sehr hohe Anforderungen gestellt werden.
Die Erfahrungen zeigen: Die Wiedereinführung der Umlagefinanzierung scheint das falsche Instrument zur falschen Zeit zu sein. Vielmehr sollten wir uns weiterhin gemeinsam dafür einsetzen, dass die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen attraktiver werden.
Nun ein Wort zum Heimgesetz, das eben von Ihnen, Frau Helmhold, angesprochen worden ist. Die Bedenken, die bezüglich einer Übertragung der Zuständigkeit auf Länderebene bestehen, teile ich. Ich habe die Hoffnung, dass die Zuständigkeit beim Bund verbleibt. Ich kann es aber noch nicht sagen. Es würde mich jedoch sehr freuen. Aber schon jetzt im Vorfeld einer Föderalismusreform Antworten auf Fragen zu geben, die noch gar nicht gestellt worden sind, weil bei uns in Niedersachsen noch niemand davon gesprochen hat, irgendwelche Fachkraftquoten zu senken, wäre meiner Meinung nach ein wenig überzogen. Ich habe nur gesagt, dass ich die Bedenken teile. Ich kann aber nicht sagen, wie das Ergebnis aussehen wird.
Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal der Abgeordnete Schwarz zu Wort gemeldet. Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung erteile ich ihm das Wort für zwei Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich eben nur eine Zwischenfrage stellen. Nun muss ich es leider so machen.
Frau Ministerin, ich hoffe, Ihnen ist bekannt, dass die Schulen krampfhaft Praxisplätze suchen und bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, dass sie mehr ausbilden müssten, um den Bedarf zu decken, dass sie dies aber nicht können, weil die Praxis nicht genügend Plätze zur Verfügung stellt.
Darüber hinaus haben Sie hier Zahlen aus dem Kultusministerium vorgetragen. Ich empfehle Ihnen, sich einmal die Zahlen aus dem eigenen Haus anzugucken, nämlich die Zahlen im Landespflegebericht, die dem Sozialausschuss vorgetragen wurden. Dann werden Sie eine erhebliche Differenz feststellen. Das Kultusministerium hat in seine Zahlen nämlich auch die Umschüler mit einbezogen. Ihr eigenes Haus hat dem Sozialausschuss aber gerade mitgeteilt, dass wir zurzeit 1 100 Plätze haben. Das ist meiner Meinung nach
eine ganze Ecke weniger als 4 000. Wir reden zurzeit darüber - ich sage es noch einmal -, dass wir nur rund 1 000 Kräfte ausbilden, obwohl wir nach Aussage Ihres eigenen Hauses - das bestreitet auch niemand - mindestens 1 500 bräuchten.
Wir können uns über die Umlage streiten, aber ich erwarte von der Regierung - ich wiederhole das -, dass sie hier klare Konzepte auf den Tisch legt, wie sie dem Thema begegnet, und nicht versucht, sich in Ausflüchte zu begeben und überhaupt keine Lösung auf den Tisch zu legen. Wenn Sie Letzteres tun, provozieren Sie den Pflegenotstand. Jetzt ist noch Zeit genug. Sie haben aber nur noch anderthalb Jahre. Dann haben wir das Desaster.
Der Antrag soll zur Federführung dem Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und zur Mitberatung dem Kultusausschuss überwiesen werden. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Dann ist es so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 44: Keine Zerschlagung der Fachhochschule für Rechtspfleger und Verwaltung - Ausbildung von Steuerbeamten auf akademischem Niveau erhalten - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2938
Die Fraktionen sind übereingekommen, dass dieser Antrag ohne Beratung an die Ausschüsse werden soll, und zwar zur Federführung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und zur Mitberatung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, den Ausschuss für Wissenschaft und Kultur und den Ausschuss für Inneres und Sport. Wer dem zustimmen will, den bitte ich das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Dann ist es so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 43: Erste Beratung: Leitstellen vernünftig organisieren! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2937
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war nicht meine Idee, diesen Punkt heute Abend zu beraten. Das haben die Parlamentarischen Geschäftsführer so abgesprochen. Ich verspreche Ihnen aber, dafür sind wir morgen eher fertig. Ich halte es nicht für richtig, diesen Punkt ohne Aussprache abzuhandeln, weil es erforderlich ist, sozusagen eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Meine Damen und Herren, einen Augenblick! Es geht wirklich schneller, wenn Sie Herrn Bachmann jetzt zuhören. - Danke schön.
Wenn Sie zuhören und nicht so laut dazwischenreden, führt das dazu, dass ich leise rede. Ich reagiere immer auf Ihre Lautstärke.
Ich halte es also für dringend erforderlich, eine Zwischenbilanz im Blick auf die Leitstellendebatte im Lande Niedersachsen zu ziehen. Eines eint den Innenminister und uns. Wir haben in diesen Wochen und Monaten zahlreiche Gespräche im Lande geführt. Der Innenminister ist in den Inspektionen der Polizei unterwegs. Wir haben Veranstaltungen besucht und Gespräche in sehr vielen Kommunen des Landes mit den für die kommunalen Feuerwehr- und Rettungsdienstleitstellen verantwortlichen Kommunalpolitikern, mit Inspektionsleitern der Polizei, mit Kreisbrandmeistern, mit Leitern von Berufsfeuerwehren, mit Leitern von Rettungsdiensten und Vorsitzenden von Hilfsorganisationen geführt. Was Ihnen in der Drucksache 2937 vorliegt, ist das Ergebnis dieser Gespräche. Ich gehe davon aus, dass der Innenminister dieses Ergebnis kennt und dass die Menschen im Lande ihm nichts anderes als uns gesagt haben.