Ich halte es also für dringend erforderlich, eine Zwischenbilanz im Blick auf die Leitstellendebatte im Lande Niedersachsen zu ziehen. Eines eint den Innenminister und uns. Wir haben in diesen Wochen und Monaten zahlreiche Gespräche im Lande geführt. Der Innenminister ist in den Inspektionen der Polizei unterwegs. Wir haben Veranstaltungen besucht und Gespräche in sehr vielen Kommunen des Landes mit den für die kommunalen Feuerwehr- und Rettungsdienstleitstellen verantwortlichen Kommunalpolitikern, mit Inspektionsleitern der Polizei, mit Kreisbrandmeistern, mit Leitern von Berufsfeuerwehren, mit Leitern von Rettungsdiensten und Vorsitzenden von Hilfsorganisationen geführt. Was Ihnen in der Drucksache 2937 vorliegt, ist das Ergebnis dieser Gespräche. Ich gehe davon aus, dass der Innenminister dieses Ergebnis kennt und dass die Menschen im Lande ihm nichts anderes als uns gesagt haben.
Man kann zunächst feststellen, dass das ursprüngliche Konzept des Innenministers, die Leitstellen im
Land Niedersachsen in zehn bis zwölf gemeinsamen bunten oder kooperativen Leitstellen zu organisieren, aufgrund der überwiegenden Meinung der Verantwortlichen an der Basis und in den Organisationen gescheitert ist.
Dass es richtig ist, im Polizeibereich beim Land selber, aber auch bei den Rettungsdiensten, den Hilfsorganisationen und der Feuerwehr den Versuch zu unternehmen, die Leitstellenzahl zu verringern, haben wir nie bestritten. Wir haben immer deutlich gemacht, dass wir im Einzelfall auch bereit sind, kooperative oder bunte Leitstellen dann zu akzeptieren, wenn es die Verantwortlichen vor Ort unisono so wollen. Wir stellen aber fest, dass der Minister das Fernziel so genannter bunter Leitstellen sogar im Entwurf des Rettungsdienstgesetzes weiter festgeschrieben hat, indem er gesagt hat, es solle kooperative Leitstellen im Lande geben. Wer das Juristendeutsch kennt, weiß, dass „soll“ heißt: Es muss eigentlich der Regelfall sein; man kann nur in begründeten Ausnahmefällen davon abweichen. Fakt ist aber, der Minister müsste an dieser Stelle den Kommunen, die nach Brandschutz- und Rettungsdienstgesetz die Verantwortung tragen, die Zuständigkeit nehmen und den verantwortlichen Kommunen sozusagen durch Landesgesetz eine Vorgabe machen. Wer das tun will, muss aber zwangsläufig auch darüber nachdenken, ob er das Geld dafür aufbringen kann.
Wir setzen auf den Weg der Freiwilligkeit. Wir stellen fest, dass man im Lande die riesigen Leitstelleneinheiten überwiegend nicht will und dass man auch bunte oder kooperative Leitstellen überwiegend nicht will. Wir stellen auch fest, dass es durch eine größere Organisationsform von Leitstellen einen Sicherheitsgewinn, der immer suggeriert wurde, nicht geben wird. Es wird dadurch allerdings auch nicht schwieriger. Machbar ist alles. Darüber haben wir uns mehrfach ausgetauscht. Technisch ist alles machbar. Wir kennen in Deutschland heute Leitstellen in Größenordnungen von Millionenstädten, die funktionieren. Natürlich muss jeweils die örtliche Kenntnis vorliegen. Das kann man hinbekommen, indem man die Disponenten bisheriger Leitstellen mit ihrer Ortskenntnis in neuen Einheiten einsetzt oder durch die entsprechenden Einsatzleitsysteme den Disponenten die Ortskenntnis technisch an ihren Platz vermittelt.
Wir halten folgende Essentials fest. Wir haben festgestellt, dass die Leiter der Polizeiinspektionen nicht freiwillig auf ihr Lage- und Führungszentrum verzichten würden. Sie halten es auch aufgrund der Nähe zum örtlichen Einsatz weiterhin für erforderlich, über ihr Lage- und Führungszentrum zu verfügen. Wenn Sie es anders regeln, handeln Sie gegen die Interessenlage der bei der Polizei örtlich Verantwortlichen. Wir haben keinen Inspektionsleiter gesprochen, der gesagt hat: Meine Leitstelle muss bei der Polizeidirektion angesiedelt werden.
Wir sagen in unserem Antrag weiterhin, dass es ein wichtiges Essential ist - das steht unter Ziffer II.5 -, dass das Vorhalten und die Organisation integrierter Leitstellen für Brandschutz und Rettungsdienst - um die Debatte wieder vernünftig zu führen, muss das Parlament dies endlich einmal deutlich machen - nach allen gesetzlichen Grundlagen kommunale Aufgabe ist und bleiben muss. Wir sind der Auffassung, das Parlament sollte auch beschließen, dass wir die Entscheidungen der Kommunen vor Ort zu akzeptieren bereit sind. Das sollten endlich auch Sie tun, Herr Minister. Wenn Kommunen sich zu der Entscheidung durchringen, ihre eigene Leitstelle aus bestimmten Gründen behalten zu wollen, ist das zu akzeptieren.
- Es wird in jedem Falle billiger, als es im Moment ist; denn die ersten freiwilligen Zusammenschlüsse im Lande zeichnen sich ab. Herr Kollege Biallas, Sie wissen, dass Braunschweig schon einen Vertrag mit Peine geschlossen hat. Mit Wolfenbüttel wird verhandelt. Das sind Kooperationen, die sinnvoll sind. Die bunte Leitstelle strebt aber niemand von denen an. Wenn aus drei eins wird, spart man schon zweimal Geld. Das ist auch die Interessenlage des Kostenträgers im Bereich des Rettungsdienstes, sprich: der Krankenkassen.
Ihnen müsste ja das schriftliche Ergebnis Ihrer Anhörung zum Rettungsdienstgesetz vorliegen. Ändern Sie deshalb schleunigst den Entwurf, den Sie dem Parlament zuleiten und sagen Sie: Integrierte Feuerwehrund Rettungsdienstleitstellen, auch in größeren Einheiten, vielleicht auch am Zuschnitt der Polizeiinspektionen oder sogar noch am Bereich darunter orientiert, muss es geben. Es sollte nicht, wie Sie es im Moment noch formuliert haben, heißen, dass es diese Leitstellen geben kann. „Kann“ bedeutet einen Rückschritt gegenüber dem Istzustand. Sagen Sie bezüglich der
kooperativen Leitstellen: Diese kann es geben, wenn alle Beteiligten es wollen. Verzichten Sie bei den kooperativen Leitstellen auf die Formulierung, dass es diese geben soll. Ich habe eben gesagt, was „soll“ juristisch bedeutet. Wenn Sie bei der Formulierung „soll“ bleiben, hätte dies die Konsequenz, dass die zuständigen Kommunen entmündigt werden.
Verzichten Sie darauf - auf diese wenigen Zitate aus dem Antrag, den Sie ja hoffentlich alle gelesen haben, will ich mich beschränken -, dass die Grenzen der Flächenpolizeidirektionen für Sie unverzichtbare Grenzen auch für die Leitstellen im Bereich von Feuerwehr und Rettungsdienst sind. Es ist Ihnen und uns deutlich geworden, dass es - wir haben das von Anfang an gesagt - im Bereich von Feuerwehr und Rettungsdienst andere Bezüge gibt. Ich nenne hier etwa Einsatz-, Krankentransport-, Rettungsdienst-, Krankenhaus- oder auch Brandschutzbezüge im Zusammenhang mit Großschadenslagen. Diese Bezüge haben nichts mit den Grenzen der Polizeidirektionen gemeinsam. Deshalb sollten und müssen wir hier auch abweichende kommunale Entscheidungen akzeptieren. Auf diese wenigen Zitate will ich mich aus Gründen der Versachlichung der Debatte über die Leitstellen aus unserem Antrag, der insgesamt das Ergebnis vieler, vieler Gespräche mit den Verantwortlichen ist, beschränken. Wir haben den Antrag bewusst mit „Leitstellen vernünftig organisieren!“ überschrieben.
den ich Ihnen noch einmal erzählen möchte. Alle Beteiligten im Lande sagen: Herr Innenminister, nehmen Sie in dieser Debatte Vernunft an. Und seit zwei Jahren antworten Sie stupide: Ich nehme nichts an, ich bin niedersächsischer Innenminister. - Ändern Sie das!
Bevor ich dem Abgeordneten Coenen von der CDU-Fraktion das Wort erteile: Herr Biallas, wir sind hier nicht in der Kleingartenversammlung; Sie sind zu laut. - Herr Coenen, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser vorliegende Antrag ist so überflüssig wie die zwei Gegentore der Fußballnationalmannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Volker Brockmann [SPD]: Sie waren äußerst hilfreich! Pädagogisch wert- voll!)
Mit diesem Antrag beweisen Sie, dass Sie nicht reformfähig und erst recht nicht regierungsfähig sind, sondern von diesem Problem so fasziniert sind, dass es fast schade wäre, es zu lösen.
Während Sie durchs Land laufen und versuchen, Angst und Neid zu verbreiten, und Sie immer noch auf den Bäumen schlafen, haben andere Kommunen schon längst gehandelt. Am 11. Mai dieses Jahres hat Minister Schünemann den Startschuss für die erste kooperative, bunte Leitstelle gegeben. Und wie könnte es anders sein? - Natürlich im Osnabrücker Land. Weitere Anwärter für eine kooperative Leitstelle stehen vor der Tür.
Auch wenn Sie es immer noch nicht glauben wollen. Fahren Sie doch einmal nach Istanbul: Eine Leitstelle für 10 Millionen bzw. 15 Millionen Einwohner.
Wer nicht nach Istanbul fahren kann, dem empfehle ich gerne diese Lektüre, die wir mitgebracht haben, in der alles Weitere steht.
Herr Coenen, einen Augenblick bitte! Das geht nicht von Ihrer Redezeit ab. - Meine Damen und Herren, versuchen Sie doch einmal, ein bisschen leiser zu sein. - Bitte, Herr Coenen!
Danke, Herr Präsident. - Wie lange wollen Sie den Organisationen und Kommunen noch etwas vorgaukeln? - Das, was Sie beantragen, ist nicht mehr bezahlbar. 27 Leitstellen analog der PIs binden Finanzmittel und noch mehr Polizei in den Stäben.
Die Polizei brauchen wir aber auf der Straße. Wollen Sie so lange warten und schieben, bis die Kostenträger massiv eingreifen? Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, an dem freiwillig gar nichts mehr läuft.
Allein durch die Einführung des Digitalfunks wird sich einiges in der Leitstellenstruktur verändern bzw. verändern müssen. Herr Innenminister Schünemann hat einen landesweiten Vorschlag unterbreitet, die Zahl der Leitstellen im Lande Niedersachsen von zurzeit 77 auf 10 bis 12 zu reduzieren; freiwillig, ohne Zwang, aber zukunftsorientiert. Sie vergessen: Die Menschen in Niedersachsen interessiert es gar nicht, woher im Notfall Hilfe kommt - Hauptsache, sie kommt
schnell, zuverlässig und kompetent. Sie sind einfach technik- und fortschrittsfeindlich. Die neuen Techniken sind so präzise und überlegen, dass sie die Hilfeleistenden bis auf ca. 1 m an das Objekt heranführen können. Selbst Amateurfotokameras sind jetzt schon mit GPS-Navigationsempfängern ausgestattet. Bei Aufnahmen werden die aktuell ermittelten geografischen Koordinaten zusammen mit dem Foto gespeichert. Während fast jedes neue Auto über ein Navigationssystem verfügt und präzise geführt wird, erwecken Sie den Anschein, als ob man noch Pfadfinder brauchte, um die richtigen Wege und Orte zu finden.
Wir sollten diese Leitstellendiskussion beenden und die verantwortlich handelnden Kommunen zur abschließenden Diskussion und Entscheidung auffordern und nicht - um in der Fußballsprache zu bleiben - wie mit diesem Antrag immer nachtreten. Dafür gibt es die rote Karte.
Erstens. Ich fange mit dem an, was Herr Coenen gesagt hat: Während andere nur nörgeln, reagieren und agieren bestimmte Kommunen. Die erste kooperative Leitstelle wurde durch den Minister am 11. Mai im Osnabrücker Land eröffnet. Diejenigen, die sich in Osnabrück, um Osnabrück herum oder sonst wo im Land interessiert mit dem Thema auseinander setzen, haben zur Kenntnis nehmen können, dass diese Art der Eröffnung einer bunten Leitstelle doch erhebliche Irritationen auf kommunaler Ebene ausgelöst hat. Also tun Sie jetzt nicht so, als wäre das das Musterbeispiel für die Einführung solcher Leitstellen.
Wenn alles nach dem Modell „Osnabrücker Leitstelle“ geht, dann wird es auf der kommunalen Ebene noch ganz schönen Stunk geben.
(Hans-Christian Biallas [CDU]: Wir haben einen Kommunalwahltermin! Da muss etwas Kritik geübt werden!)
Zweitens. Der Gesetzentwurf, der die Grundlage für die Reduzierung der Zahl der Leistellen und die Schaffung bunter Leitstellen eröffnen soll, ist im Dezember vergangenen Jahres in die Verbändeanhörung gegangen. Ich weiß nicht, ob er immer noch nicht zurück ist - das wäre ja ungewöhnlich lange - oder warum Sie nach der Verbändeanhörung noch nicht konkret mit einem Gesetzentwurf in das parlamentarische Verfahren kommen. Insofern finde ich den Antrag, den die SPD-Fraktion hier vorgelegt hat, durchaus hilfreich. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir das diskutieren. Wir haben das bereits im letzten Jahr zweimal im Parlament gehabt.
Ich will unsere Position kurz in Erinnerung rufen. Erstens. Die Reduzierung von jetzt 77 Leitstellen auf eine wesentlich geringere Zahl - gegebenenfalls auch in der Größenordnung, die die Landesregierung anstrebt - ist in Ordnung und sinnvoll. Zweitens. Keine bunten Leitstellen, d. h. wir wollen die Integration von Rettungsdienst- und Katastrophenschutzleitstellen, aber wir wollen die polizeilichen Leitstellenfunktionen davon getrennt halten.
- Herr Biallas, ich werde keine Frage von Ihnen zulassen. - Das schließt nicht aus, dass die Technik, die geschaffen wird, nämlich die digitale Technik - darum geht es ja auch, das muss man im Zusammenhang sehen -, gemeinsam dort genutzt wird, wo es standortspezifisch passt. Das sind die beiden zentralen Positionen.
Wenn ich mir den Antrag der SPD-Fraktion anschaue, kann ich die Kriterien, die hier definiert werden, durchaus unterschreiben. Zum Teil sind es Selbstverständlichkeiten, aber ich kann aus Zeitgründen nicht auf Details eingehen. Eines will ich allerdings sagen: Das, was Sie hier fordern - polizeiliche Leitstellen werden am Standort jeder Polizeiinspektion eingerichtet -, ist eine Position, die man vertreten kann. Es ist aber nicht meine Position. Das ist eine Sache, meine ich, die noch einmal überdacht werden sollte. Natürlich ist es auch denkbar, dass in einer geringeren Zahl von Polizeieinrichtungen Leitstellen vorgehalten werden, also z. B. nur in den Polizeipräsidien des Landes. Insofern gibt es da eine Abweichung, eine Differenz zu Ihrem Antrag. Aber im Prinzip ist das ein wesentlich konstruktiverer und konstruktiver gedachter Antrag als Ihr Kontrabeitrag, Herr Coenen. - Schönen Dank.