Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In der Region Lüchow-Dannenberg gilt über alle Parteigrenzen hinweg: Dort muss bitte Vernunft einkehren. Solche Schildbürgerstreiche, die dazu führen, dass Hitzacker beim nächsten Mal wieder volllaufen wird, sind schon unerträglich. Wir müssen hier schnellstmöglich Abhilfe schaffen; denn Starrköpfigkeit hilft uns in dieser Frage nicht weiter.

Was uns hingegen hilft, ist ein vorbeugender Hochwasserschutz. Seit 2003 haben wir bereits 30

Baumaßnahmen von Schnackenburg bis Geesthacht umgesetzt. Seit 2003 hat diese Landesregierung unter enormster Kraftanstrengung auf der in Amt Neuhaus gelegenen Strecke von 48 km die Deiche auf einer Strecke von 36 km in einen zeitgemäßen Zustand gebracht. Es ist allerdings schon verwunderlich, meine Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass Sie diesen technischen Hochwasserschutz, diese Baumaßnahmen immer wieder als Unfug, als etwas Verwerfliches kritisieren oder diesen Maßnahmen zumindest keine Priorität zumessen. Ich zitiere: In großem Umfang sei in technische Maßnahmen des Hochwasserschutzes investiert worden. - Sie kritisieren das. Kein Mensch versteht wirklich, warum, schon gar nicht die Menschen in Lüchow-Dannenberg oder im Landkreis Lüneburg entlang der Elbe.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Sie ha- ben das auch nicht verstanden!)

- Ich verstehe es auch nicht. Das mag sein. Es mag an mir liegen. Sie sollten sich vielleicht einmal selber überprüfen, ob Sie mit Ihren Alt-68erÜberlegungen, mit Ihren ideologischen Überlegungen in dieser Frage überhaupt noch wirklich vorankommen.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP setzen wir weitere Prioritäten. Wir setzen den Kurs der Niedersächsischen Landesregierung beim Deichbau und beim nachhaltigen und vorbeugenden Flussgebietsmanagement konsequent fort. Wir werden die Ergebnisse auch dieses Elbehochwassers sehr genau auswerten, weil es dieser Landesregierung darum geht, für die Menschen entlang der Elbe und entlang jeglichen Flusses, der von Hochwasser gefährdet sein kann, alles Menschenmögliche zu tun, um ihren Schutz zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren, wir halten an den Inhalten unserer Antrages vom Februar dieses Jahres betreffend zukunftsweisenden Hochwasserschutz eindeutig fest. Wir nehmen die Inhalte unseres Antrages hier erneut auf und gehen darüber hinaus. Generell gilt es zukünftig, Flüsse von der Quelle bis zur Mündung und damit in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen. Nur so können wir die Wechselwirkungen aller Maßnahmen einbeziehen und beim Hochwasserschutz einen entsprechenden Schwerpunkt setzen. Dabei kommt es darauf an, dass es eine Ausgewogenheit zwi

schen vorbeugendem und technischem Hochwasserschutz gibt.

Dazu gehört allerdings auch - nun komme ich zu einem Thema, sehr verehrte Damen und Herren von den Grünen, das maßgeblich Sie verursacht haben -, dass wir entlang der Elbe endlich die bislang von Ihnen tabuisierte Verbuschung dieses Flusses beseitigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben aus rot-grünen ideologischen Gründen in der Vergangenheit die Beseitigung der Verbuschung entlang der Elbe verhindert. Sie schreien jedes Mal auf, wenn man an dieses Thema herangeht und sagt „Wir werden vor Ort handeln, wir müssen handeln“. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Eis auf der Elbe ist und die Verbuschung dieses Eis aufhält, rasiert das Eis die Deiche ab. Das ist die Realität. Vor einer solchen Situation gilt es die Menschen zu schützen. Der Menschenschutz ist mir wichtiger als rot-grüne Ideologie in dieser Frage.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das Elbehochwasser hat uns eines sehr deutlich gemacht. Wir sind in der Frage der Ausweisung von Poldern, Retentionsflächen usw. auf einem richtigen Weg. Wir werden hier länderübergreifend nach Lösungen suchen müssen und die entsprechenden Staatsverträge dazu abschließen. Wir brauchen mehr Prognosesicherheit. Das Wasservorhersagemodell WAVOS hat das alte Modell ELBA inzwischen ersetzt. In Zukunft wird es also zu deutlich höheren Sicherheiten bei der Prognose kommen. Wir brauchen ein konstruktives Miteinander. Die Betroffenen vor Ort sind der gegenseitigen Schuldzuweisungen sicherlich überdrüssig. Sie erwarten mit Recht, dass hier gehandelt wird. Darauf können sich die Menschen entlang der Elbe, aber auch entlang aller anderen gefährdeten Flussläufe in Niedersachsen verlassen. Wir reden nicht, wie Sie es 13 Jahre lang getan haben, sondern wir handeln. Wir nehmen dazu sogar entsprechend Geld in die Hand. Weil es um Niedersachsen geht, weil es um Menschen geht und weil es um Hochwasserschutz geht, setzen wir die richtigen Prioritäten, die Sie versäumt haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zur Einbringung des Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Kollegin Steiner das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das letzte Elbehochwasser hat uns die Notwendigkeit eines erweiterten Hochwasserschutzes an den Flüssen und Flussläufen drastisch vor Augen geführt. Wieder mussten wir feststellen, dass ein hundertjähriges Hochwasser auch nach drei Jahren wieder auftreten kann. Hochwasserhöhe und Hochwassergeschwindigkeit sind eben nicht eindeutig berechenbar, sondern hängen von klimatischen Veränderungen, Wetterlagen und den Veränderungen ab, die die Menschen in den Flusseinzugsgebieten verursachen.

Meine Damen und Herren, es ist unsere Aufgabe, den bisherigen Hochwasserschutz auf den Prüfstand zu stellen und weiterzuentwickeln. Deswegen begrüßen wir auch, dass im Antrag der Regierungsfraktionen die Notwendigkeit des vorsorgenden Hochwasserschutzes aufgenommen worden ist. Ich habe anhand der Rede von Herrn Althusmann allerdings den Eindruck, dass ihm nicht so richtig klar ist, was der Unterschied zwischen vorsorgendem Hochwasserschutz und technischem Hochwasserschutz ist. Aber es ist, wie es ist.

(Zuruf von der CDU: Das hat er doch deutlich gesagt!)

Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren, den Hinweis nicht ersparen, dass wir zum Großteil die notwendigen Maßnahmen des vorsorgenden Hochwasserschutzes schon 2002 in einem Antrag an die Landesregierung formuliert haben, als sich hier alle Fraktionen unter dem Eindruck des Elbehochwassers auf eine gemeinsame Entschließung geeinigt haben. Deshalb, Herr Althusmann, kann heute nicht der gesamte Landtag die Landesregierung bejubeln. Das müssen Sie in Ihrer „niveauvollen“ Rede schon alleine tun; denn außer Deichbau ist in Niedersachsen fast nichts passiert, obwohl man es besser wissen musste.

Wir haben auch nicht die Attacken und Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Hochwasserschutzgesetzgebung 2004 vergessen, bei der ein grüner Bundesumweltminister die Zielsetzung des vorsorgenden Hochwasserschutzes verantwortet hat. Die Auseinandersetzung ist damals

teilweise demagogisch geführt worden. Beispielsweise hat man Jürgen Trittin unterstellt, er wolle die Landwirte ruinieren, weil er die Umwandlung von Ackerland in Dauergrünland auf Überschwemmungsflächen gefordert hat.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Eine solche Forderung steht zu Recht im „Aktionsprogramm Elbe“ der IKSE, der Internationalen Kommission für den Schutz der Elbe, das den vorsorgenden Hochwasserschutz im Elbeinzugsgebiet beschreibt. Dort steht z. B.: Für eine nachhaltige Hochwasservorsorge sind Maßnahmen zur Erhaltung und Reaktivierung der natürlichen Wasserspeicherung im gesamten Flusseinzugsgebiet unerlässlich. Ein solches Hochwasserflächenmanagement hat bei der Hochwasservorsorge - dort, wo es möglich ist - Vorrang vor einem Hochwassermanagement, das u. a. die Vergrößerung der Gewässerbettkapazität - ich sage nur: Elbausbau -, den weiteren Deichbau und neue Hochwasserrückhaltebecken einschließt. - So weit das Zitat.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die vollständige Konzentration in Niedersachsen auf den technischen Hochwasserschutz an der Elbe steht im Widerspruch dazu. Das ist es, was wir kritisieren - nicht die Tatsache, dass er gemacht wird, sondern dass man sich allein darauf konzentriert.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Es war unbestreitbar notwendig, die Deiche vor Amt Neuhaus zu erneuern. Aber: Warum haben Sie, Herr Sander, bei diesem Neubau nicht gleich Deichrückverlegungen geprüft und in Angriff genommen, wie es auch von der IKSE und von den Umweltverbänden vorgeschlagen worden ist? Unser Nachbarland Brandenburg hat gerade im Jahr 2005 die Deichrückverlegung am Bösen Ort bei Lenzen eingeleitet. Es gewinnt am rechten Elbufer 425 ha Überflutungsflächen zurück und entschärft eine Engstelle. Niedersachsen reduziert dagegen die einzige vorgesehene Überflutungsfläche bei Neu Bleckede von 100 ha auf mickrige 30 ha. Was ist das für eine seltsame Logik? Der Anlieger Brandenburg sorgt am rechten Elbufer für Überflutungsflächen und Deichrückverlegung, und der Anlieger Niedersachsen am gegenüberliegenden linken Elbufer will mit der Begründung für schnelleren Abfluss sorgen, man sei ja Unterlieger. Das ist doch Kirchturmpolitik im Quadrat!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Eine solche Festlegung kann man im Aktionsprogramm der IKSE natürlich mit keinem Wort finden. Angeblich orientiert sich Niedersachsen daran. Nicht nur in unserem Antrag, sondern auch in Ihrem eigenen Antrag von CDU und FDP wird zu Recht die Forderung erhoben, das Speichervermögen in den natürlichen Flussauen wieder herzustellen. Dazu muss man aber die Flussauen wieder entwickeln und den Flüssen mehr Raum geben. Wir haben es uns angeguckt: Man findet auch Raum für Überflutungsflächen und neue Flussauen; man muss sie nur suchen.

Meine Damen und Herren, es wird völlig widersinnig, wenn Umweltministerium und Regierungsfraktionen versuchen, uns die Abholzung der Weichholzauen als Hochwasserschutz zu verkaufen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Wir haben das ja gerade von Herrn Althusmann vorgeführt bekommen. Dabei handelt es sich ja um eine Art von Neusprech wie bei Orwell: „Entbuschung“. Das hört sich so nett an. Dies ist eine Abholzung von Weichholzauen! Hierbei hat sich eine vor Ort handgestrickte Theorie, deren Entstehen wir vor zwei Jahren erlebt haben, verselbständigt. Heute wird sie uns als Kernstück des Hochwasserschutzes in Niedersachsen angeboten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Faktisch handelt es sich um eine Zerstörung von Weichholzauen, Weiden und Pappeln mit der Begründung - Sie haben uns das gerade geliefert -, dass Gehölze den Hochwasserabfluss vor allem im Winter behindern würden. Von Fachleuten wird das intern immer als Schwachsinn bezeichnet.

(Bernd Althusmann [CDU]: Erklären Sie das einmal den Menschen vor Ort!)

Man hört, dass sich auch Herr Sander jetzt in Briefen zum Thema der Strömungsminderung schon sehr viel vorsichtiger äußert. Ich kann Ihnen dazu nur sagen, Herr Althusmann: Da stehen keine Wälder, da stehen Gehölzstreifen von 200 bis 300 m Breite, die das Hochwasser mit entsprechender Kraft einfach überfließt.

Wie widersprüchlich Ihr Denkansatz ist, will ich Ihnen an einem einzigen Beispiel zeigen. Eine der

Abholzungsmaßnahmen ist an der Elbfähre bei Pevestorf vorgesehen, genau dort, wo auf der brandenburgischen Seite der Deich zurückverlegt wird und neue Überflutungsflächen gewonnen werden. Es ist doch nicht erklärbar, dass ausgerechnet dort Gehölze zum Hochwasserschutz geschleift werden sollen, wo der Fluss aufgeweitet wird. Da wird der Hochwasserschutz doch auf den Kopf gestellt, und es kommt der Verdacht auf, dass es nur darum geht, das Vieh dort weiden zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die neuartige These, die uns Herr Sander in der Diskussion über das Elbehochwasser 2006 serviert hat, lautet: Niedersachsen habe in seinem Elbabschnitt nicht mehr für Überflutungsflächen und Retentionsflächen auch in den Einzugsgebieten der Flüsse zu sorgen, sondern nur noch dafür, dass das Wasser schnell abfließt. Für die Maßnahmen des vorsorgenden Hochwasserschutzes seien die anderen, d. h. die anderen Bundesländer und Tschechien, zuständig. - Dazu, meine Damen und Herren, kann ich nur sagen: Das heißt, sich vor der eigenen Verantwortung zu drücken.

Länderübergreifender Hochwasserschutz verlangt umfassende Maßnahmen, wie sie das Aktionsprogramm Elbe vorschlägt, und nicht die Ansage „Herr, lass es schnell vorübergehen, und hoffen wir, dass der Deich hält“.

Ein weiterer Punkt, bei dem kein kollektiver Jubel über den Hochwasserschutz der Landesregierung ausbrechen kann, sind die Prognosen und die länderübergreifende Kooperation bei Hochwasser. Nicht ohne Grund wird dieser Schwachpunkt auch im CDU/FDP-Antrag benannt. Die Prognosen seien landesweit zu optimieren, wird gefordert. Das, meine Damen und Herren, sehen wir allerdings auch als ganz dringend an. Es reicht nicht aus, die Prognosen des Wasser- und Schifffahrtsamtes Magdeburg einfach zu übernehmen und für die Kommunen ins Internet zu stellen. Das reicht insbesondere dann nicht aus, wenn man sich nicht sicher ist, ob der Druck auf die Elbe überhaupt über die Havelpolder abgeschwächt werden kann.

Nebenbei bemerkt: Hätte ein Vertreter Niedersachsens an der IKSE-Tagung Ende März in Prag teilgenommen, hätte er wahrscheinlich auch mitgekriegt, dass schon damals in Prag die Hochwasserschutzwände standen und dass tschechische Fachleute bereits darauf hingewiesen haben, dass

aufgrund der weiteren Schneeschmelze im Riesengebirge noch ein weiteres Ansteigen der Fluthöhe zu erwarten sei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das hätte die Planung in Niedersachsen deutlich erleichtert. Aber Niedersachsen hält es ja seit letztem August nicht mehr für nötig, in der IKSE mitzuarbeiten, sondern lässt sich durch SachsenAnhalt vertreten. Dann hätten sich vielleicht auch solche Anfragen zu einem späten Zeitpunkt erübrigt, ob man vielleicht nicht die Havelpolder öffnen könne. Es ist lächerlich, wenn man hinterher öffentlich darüber diskutieren muss, wer wann wen angerufen hat und nachgefragt hat;

(Jörg Bode [FDP]: Das habt doch ihr gemacht!)

denn hierbei zeigt sich eine Schwäche des Systems: Die niedersächsischen Behörden wissen nicht genau, was in den Nachbarländern getan wird und was bewertet wird. Es gibt keine gemeinsame, abgestimmte Hochwasserschutzstrategie zwischen allen Anliegern. Das reicht von der Frage, wo Polder angelegt werden und wie sie im Hochwasserfall gesteuert werden, bis dahin, ob die Deiche überall eine halbwegs gleiche Höhe haben. Deshalb brauchen wir ein länderübergreifendes Konzept, an dem sich alle Anlieger beteiligen, auch Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD)

Da wirkt ein Hinweis auf einen Staatsvertrag, der irgendwann kommen soll und wegen dessen man hin und wieder einmal mit Nachbarländern telefoniert, eher hilflos.