Protokoll der Sitzung vom 11.07.2006

(Walter Meinhold [SPD]: Das ist ein Skandal! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist heftig!)

Die Qualität von Ganztagsschulen ohne zusätzliche Lehrerstunden wird dadurch nicht besser, und drei Tage sind nun mal nicht vier.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Ablehnung dieser Art von Ganztagsschulen bleibt.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Landesregierung hat ihren Gesetzentwurf im Mai im Plenum eingebracht und ihn mithilfe der Fraktionen der CDU und der FDP im Eilverfahren durch die Beratung gepeitscht. Dies hat zur Folge, dass die Abstimmungsgespräche zwischen Kultusministerium und Gesetzgebungs- und Beratungsdienst zum Teil im Kultusausschuss stattfinden mussten. Im zweiten Beratungsdurchgang kam hinzu, dass die CDU-Fraktion eine Reihe von Veränderungen, zum Teil als Tischvorlage, einbrachte, was auch den GBD vor Probleme stellte. Diskussionsbeiträge der Fraktionen, Einwände des Kultusministeriums sowie Einsprüche und Vorschläge des GBD vermischten sich zu einem Beratungstohuwabohu, wie meine Kolleginnen und Kollegen und ich es noch nie erlebt haben. Dies war einer so wichtigen Beratung unangemessen.

(Beifall bei der SPD)

Die Regierungsfraktionen werden sich nicht davon abbringen lassen, diese Schulgesetznovelle heute zu beschließen, von der bereits jetzt feststeht, dass sie lücken- und fehlerhaft ist. So sind beispielsweise die Bestimmungen über die kollegiale Schulleitung in § 44 nicht an die geänderten Vorschriften im Schulleiterparagrafen angepasst worden. So sind die Regelungen über den Schulvorstand in Schulen mit weniger als vier Lehrkräften irreführend. Dass die Schulleitung bezüglich der Verwendung der Haushaltsmittel vom Schulvorstand entlastet werden soll, klingt zunächst einmal gut, aber welche Rechtsfolgen mit einer Nichtentlastung verbunden sind, ist nicht geklärt.

Sehr geehrte Damen und Herren, was wäre passiert, wenn wir diesen Gesetzentwurf bis September oder Oktober ausführlich beraten hätten? - Das Gesetz tritt doch in der Hauptsache erst am 1. August 2007 in Kraft. Der vorliegende Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, zeugt von vertanen Chancen.

(Beifall bei der SPD)

Weil der Gesetzentwurf heute artikelweise abgestimmt wird, wird nicht deutlich werden, welche Paragrafen die SPD-Fraktion mitträgt, z. B. den über die Einsetzung und die Zusammensetzung des Schulvorstandes oder den über die Schuluntersuchung oder die Integrationsklassen an Schulen in freier Trägerschaft.

Zu der Wahl der Lehrervertreter und -vertreterinnen in den Schulvorstand gab es einen interfrakti

onellen Antrag, den wir initiiert hatten. Das Gesetz insgesamt wird die SPD-Fraktion aber ablehnen, weil mit ihm die Eigenverantwortlichkeit der Schule eben nicht eingeführt wird.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Klare das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist ein sehr wichtiger Tag für unsere Schulen im Lande,

(Beifall bei der CDU)

für unsere Eltern, für unsere Lehrer, für unsere Schülerinnen und Schüler.

(Walter Meinhold [SPD]: Wieso ei- gentlich „unsere“?)

- Sie gehören uns allen, Herr Meinhold, da haben Sie Recht. Ich danke Ihnen für diesen sehr produktiven Zwischenruf.

(Walter Meinhold [SPD]: Es kommen noch mehr!)

Meine Damen und Herren, der Niedersächsische Landtag wird heute hoffentlich mit breiter Mehrheit einen weiteren Baustein für mehr Qualität der schulischen Arbeit beschließen, nämlich das Gesetz zur Eigenverantwortlichen Schule.

Frau Eckel, nach dem, was ich gerade von Ihnen gehört habe, habe ich den Eindruck, dass Sie sich der Tragweite dieses Gesetzes möglicherweise nicht ganz bewusst sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben wirklich sehr in klein-klein gemacht, getreu Ihrer alten Fundamentalkritik: Mal ist es zu wenig, mal zu viel, aber immer haben wir die Schuld.

Andererseits habe ich einen schönen Artikel von Ihnen gelesen, in dem Sie ganz freundlich geschrieben haben: Kurswechsel ist ein Sieg der Vernunft. Nun auch CDU und FDP für mehr Elternrechte. - Das erscheint mir denn doch ein bisschen widersprüchlich zu dem zu sein, was Sie heute gesagt haben. Ich glaube, Sie werden nicht einmal

der Rolle einer guten Opposition gerecht, wenn Sie auf diese Art und Weise diskutieren.

(Walter Meinhold [SPD]: Kommen Sie mal zur Sache!)

Meine Damen und Herren, wir haben unmittelbar nach der Regierungsübernahme vor drei Jahren eine notwendige Kehrtwendung in der Schulpolitik vollzogen und eine Vielzahl von Maßnahmen beschlossen, die unsere Kinder endlich in die Lage versetzen, besser zu werden. Das war nach vielen Fehlentscheidungen der Vorgängerregierung dringend notwendig. Das wissen alle. Das wissen vor allem auch diejenigen, die sich nicht jeden Tag mit Schulpolitik befassen. Mehr Unterricht,

(Walter Meinhold [SPD]: Haben wir doch nicht!)

mehr langfristige Bildungsgänge, frühkindliche Bildung, Sprachförderung, Stärkung von Grundschulen, Abitur nach zwölf Jahren, Bildungsstandards, zentrale Prüfungen oder auch die Schulinspektion - das sind alles ganz wichtige Maßnahmen, die unsere Kinder in die Lage versetzen, besser zu werden. Wir wissen, dass wir unseren Schulen sehr viel zugemutet haben; keine Frage. Aber wir wissen auch, dass jede der einzelnen Maßnahmen von den Schulen als notwendig und sinnvoll begrüßt wird. Ich finde, das überwiegt.

(Walter Meinhold [SPD]: Wovon träu- men Sie nachts?)

Wirklich wichtig ist, dass die Eltern und die Schulen merken, dass die Schülerinnen und Schüler durch diese Maßnahmen schon nach kurzer Zeit wirklich nach vorne gekommen sind. Das ist es, worauf es wirklich ankommt.

Jetzt kommt der ganz große Meilenstein hin zu mehr Qualität, nämlich die Eigenverantwortliche Schule. Die Schulen sollen im Rahmen der Zielvorgaben möglichst viele Freiheiten bei der Gestaltung von Bildung und Erziehung erhalten - das ist unser Ziel -, aber mit einer staatlichen Kontrolle, Frau Eckel. Das ist auch in der Anhörung sehr deutlich geworden.

(Zustimmung bei der CDU)

Eigentlich liegen wir gar nicht auseinander. Aber Sie haben es so dargestellt, als lägen wir auseinander.

Dazu bedarf es natürlich auch entscheidender Veränderungen. Bildung im modernen Sinne kann heute nicht mehr per Anordnung oder weisungsgebunden erreicht werden, sondern sie ist etwas ganz Persönliches, das jeder Mensch nur allein für sich erwerben kann. Lehrerinnen und Lehrer müssen den einzelnen Menschen allerdings bei der Vermittlung von Bildung unterstützen. Dabei kommt es auf eine sehr individuelle Sicht und Ausgestaltung dieser Unterstützung an. Eine solche Unterstützung kann und muss sich dort entwickeln, wo die Beteiligten selber erkennen können, was zwangsläufig oder richtigerweise erforderlich ist.

Wir wollen die Verantwortung dahin geben, wo sie hingehört, wo sie tatsächlich lebt, d. h. wo die Probleme tatsächlich auflaufen und gelöst werden müssen. Genau da soll die zentrale Verantwortung liegen. Das neue Schulgesetz schafft genau die Voraussetzungen, um diese Grundsätze umzusetzen. Mit der Einführung wird Schul- und Bildungsgeschichte in unserem Land geschrieben. Wir leiten einen wirklichen Paradigmenwechsel ein mit einer Struktur, die von der des heutigen Schulwesens völlig abweicht. Das geschieht in dem sicheren Wissen, dass wir damit wesentlich verbesserte Voraussetzungen für die Schularbeit schaffen können.

Natürlich muss auch die Schulverfassung dieser neuen Rolle angepasst werden. Wir haben eine große Anhörung durchgeführt. Wir haben sehr genau hingehört. Das Ergebnis ist so eindeutig gewesen, dass wir den ersten Gesetzentwurf gemeinsam verändern mussten. Ich glaube, das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Stärke. Das zeigt auch unseren Respekt vor den angehörten Verbänden. Die Beiträge waren vielfach ausgezeichnet und haben uns sehr geholfen, ein sehr gutes Gesetz zu entwickeln. Ich möchte den Anzuhörenden, die diese Beiträge geleistet haben, ganz herzlich Dank sagen. Einige sind ja auch hier, so der Vorsitzende des Landeselternrats Schmieding und Herr Kuert vom Verband der Elternräte an Gymnasien.

Aber auch die kritischen Verbände haben interessante Beiträge eingebracht, über die wir nachdenken müssen. Ich nenne als Beispiele den Philologenverband oder die GEW.

Für die CDU war von Anfang an klar, dass eine so weitgehende Eigenverantwortliche Schule eine deutlich gestärkte Schulleiterin oder einen deutlich gestärkten Schulleiter braucht. Wer die Gesamt

verantwortung für die Schule und die Verantwortung für die Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung trägt, muss eine deutlich gestärkte Rolle erhalten, und zwar auch für das Personal. Das wird daran deutlich, dass wir den Schulleiterinnen und Schulleitern durch die Übertragung bestimmter Aufgaben die Eigenschaft von Dienstvorgesetzten verleihen. Der Schulleiter kann jetzt eigentlich all das, was mit Gesamtverantwortung zu tun hat, auch dienstrechtlich durchsetzen. Das war eine Notwendigkeit und ist auch vom Schulleitungsverband so gefordert worden.

Drei Aufgaben kommen hinzu: Zuständigkeit für Unterrichtsverteilung und Stundenpläne, Stundenanrechnung und Vertretungsstunden. Das ist aufgrund von verschiedenen Einlassungen noch einmal verändert worden. Wir wollen damit einerseits klare Zuordnungen treffen und damit unnötige Reibungspunkte vermeiden, die es in der Vergangenheit gerade in diesen Bereichen immer gegeben hat. Wir wollen ferner den Schulleitern die Möglichkeit lassen, auf besondere Anlässe und Aufgaben flexibel zu reagieren. Zum Beispiel kann so ein besonderes Projekt durch den Schulleiter gefördert werden. Zum Beispiel können so besondere Leistungen von Lehrern gefördert und unterstützt werden. Deswegen ist die Stärkung der Schulleitung ein besonders wichtiger Schritt. Er ist für das Gelingen des Projektes „Eigenverantwortliche Schule“ ausgesprochen wichtig.

Ich möchte an dieser Stelle gerne feststellen, dass wir an unseren niedersächsischen Schulen weitgehend gute Schulleiterinnen und Schulleiter haben. Das ist ein Riesenpfund, mit dem wir gewuchert haben und weiter wuchern können. Mit der nochmals vorgenommenen Stärkung wollen wir erreichen, dass unser gutes Führungspersonal wirklich in die Lage versetzt wird, seine Möglichkeiten im Sinne von noch besserer Gestaltung von Schule voll auszuschöpfen.

Aus dem Schulbeirat des ersten Gesetzentwurfs ist der Schulvorstand geworden.

(Walter Meinhold [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

- Aus dem Schulbeirat ist ein Schulvorstand geworden. Du warst nicht immer dabei, Walter!

Auch das ist ein ganz eindeutiges Ergebnis der Anhörung. Dieser Schulvorstand besteht jetzt zu 50 % aus Hauptamtlichen an Schulen. Das sind die Lehrer und die pädagogischen Mitarbeiter. Er

besteht zu 25 % aus Elternvertretern und zu 25 % aus Schülervertretern. Das ist der Vorschlag von Herrn Kuert, den ich gerade schon erwähnt habe.

Der Schulbeirat wird das wichtige Entscheidungsgremium der Schule, zuständig für Haushalt, Personal und - das ist eben angesprochen worden die Stundentafel. Wir schaffen mit diesem Gremium endlich ein schlankes und effizientes Entscheidungs- und Gestaltungsorgan. Ganz wichtig für uns ist, dass alle an Schule Beteiligten in einem vernünftigen Verhältnis miteinander arbeiten können. Ich sage auch mit ein bisschen Stolz: Ich glaube, keiner hätte der CDU und auch der FDP so viel Mut und Weitsicht zugetraut, eine solche auf Zukunft ausgerichtete Beteiligung von Eltern und Schülern in das Gesetz hineinzuschreiben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist folgerichtig, dass wir das gemacht haben, weil das Erziehungsrecht der Eltern und das Erziehungsrecht des Staates, also der Schule, gleichberechtigt nebeneinander im Schulgesetz angesiedelt sind. Darauf hat der Landeselternrat in der Anhörung hingewiesen. Wir haben das umgesetzt, weil das an unseren Schulen heute schon selbstverständlich ist. Schule und Eltern leben heute eine ganz andere Partnerschaft als noch vor zehn oder 15 Jahren. Diese gelebte Partnerschaft zwischen Elternhaus und Schule hat das gemeinsame Ziel: Wir wollen das Beste für unsere Kinder, und zwar auf gleicher Augenhöhe. Genau darauf kommt es in einer Debatte über Schulpolitik doch an.