Protokoll der Sitzung vom 12.07.2006

deutschen Staatsbürgerschaft in den letzten Jahren eine sehr heftige Debatte geführt.

Herr Kollege Jüttner, ich fand Ihre Einlassungen zur hessischen CDU und zum damaligen Wahlkampf übrigens völlig deplatziert.

(Walter Meinhold [SPD]: Was?)

Ich weise das in aller Schärfe zurück.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bei aller Schärfe der Auseinandersetzung - Ihr pauschaler Vorwurf, die CDU/CSU sei ausländerfeindlich, ist völlig inakzeptabel. Das lassen wir uns von Ihnen nicht bieten. Das sage ich, damit das völlig klar ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: In Hes- sen!)

Übrigens: Sorgen Sie für mehr Integration in Ihrer Landtagsfraktion. Vielleicht könnte es Ihrer Oppositionsarbeit gut tun.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der SPD)

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat Recht, wenn er schreibt - das hat er kürzlich in einem Beitrag für die Politische Meinung getan -: Staatsangehörigkeit ist nicht die Vorleistung für Integration. Vielmehr ist Integration die Voraussetzung zum Erwerb der Staatsangehörigkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr McAllister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte am Stück vortragen. - Mit anderen Worten heißt dies: Die letzte Stufe einer erfolgreichen Integration ist die Einbürgerung. Die Einbürgerung muss am Ende des Prozesses stehen, nicht am Anfang, wie viele von Ihnen in der politischen Linken in den letzten Jahren behauptet haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das heißt konkret: Der deutsche Staat kann von den zu Integrierenden Vorleistungen erwarten, bevor es zur Einbürgerung kommt. Auf der ande

ren Seite ist der Staat natürlich verpflichtet, den Integrationsprozess von Beginn an nach besten Kräften zu unterstützen. Darauf können und müssen sich die Migranten verlassen.

Wir unterstützen alle Bemühungen, die den langen Weg zur Einbürgerung ermöglichen. Hierbei bedarf es allerdings klar formulierter und vor allem bundeseinheitlicher Regelungen. Die Innenminister von Bund und Ländern haben auf ihrer Konferenz Anfang Mai in Garmisch-Partenkirchen Voraussetzungen für bundeseinheitliche Standards vereinbart. Herr Innenminister, diese Tagung in Garmisch-Partenkirchen war ein Erfolg für die niedersächsische Politik. Es hat sich der niedersächsische Vorschlag durchgesetzt, dass Einbürgerungswillige ein gewisses Sprachniveau beherrschen müssen. Gleiches gilt für das Erfordernis einer gewissen Rechtstreue.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist Rechtslage!)

Eines freut uns ganz besonders. Uwe Schünemann hat sich durchgesetzt: Die Einbürgerung wird zukünftig mit einer Eidesleistung verbunden werden.

(Beifall bei der CDU)

Herr Innenminister, Sie sind zu Anfang für Ihren Vorschlag sehr gescholten worden. Aber auch hier hat sich wieder erwiesen, dass Sie einen langen Atem haben, dass Sie auch manchen populistischen Angriffen der Opposition widerstehen können. Am Ende haben Sie sich mit einem guten Vorschlag durchgesetzt.

Der Erwerb einer Staatsangehörigkeit ist allerdings mehr als ein alltägliches Rechtsgeschäft. Er ist mit Rechten und Pflichten - schön, dass Sie beides betont haben, Herr Jüttner - verbunden. Das lobenswerte Bemühen vieler Menschen, sich zu integrieren, darf nicht von einigen wenigen unterlaufen werden. Das heißt konkret: Wer seine Bereitschaft zur Integration verweigert oder Integrationskurse nicht besucht, muss mit aufenthaltsrechtlichen Sanktionen rechnen. Integration ist keine Einbahnstraße.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sprechen heute über die Integrationspolitik bei uns in Niedersachsen. Wir in Niedersachsen haben eine 60-jährige Erfahrung im Umgang mit den Migrantinnen und

Migranten. Kollege Jüttner ist bereits darauf eingegangen. Ein Fazit bleibt: Unabhängig von der politischen Führung dieses Landes haben wir in Niedersachsen immer Zuwanderung gehabt und uns immer bemüht, für ein harmonisches Zusammenleben der Menschen zu sorgen. Aber ohne Zweifel gibt es neue Herausforderungen. Die Landesregierung, insbesondere der Innenminister, ist auf diesem Gebiet unbestritten sehr engagiert.

Eines muss sich der Oppositionsführer wiederum fragen lassen, wenn er jetzt mit dem Finger auf den Innenminister zeigt und kritisiert, was alles angeblich nicht passiere, was angeblich nicht ausreiche. Herr Jüttner, wo sind Ihre konkreten Konzepte, Ihre konkreten parlamentarischen Initiativen? Wenn Sie der Regierungserklärung aufmerksam zugehört hätten, hätte Ihr Redebeitrag anders ausfallen müssen. Ich kann mich beim besten Willen nicht an ähnliche Anstrengungen in der Zeit von 1990 bis 2003 erinnern, wie sie der niedersächsische Innenminister seit drei Jahren unternimmt.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von den Grünen: Doch!)

Der Innenminister hat die Ziele der niedersächsischen Integrationspolitik ganz klar formuliert. Das Handlungsprogramm „Integration“ soll Menschen mit ausländischem Pass, aber auch eingebürgerten Ausländern und Spätaussiedlern eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Der große Stellenwert des Themas in der Landespolitik lässt sich auch am Haushaltsansatz festmachen. Im Jahr 2005 hat das Land etwa 50,9 Millionen Euro für das Handlungsprogramm bereitgestellt. Im laufenden Jahr stehen sogar mehr als 60 Millionen Euro zur Verfügung.

Lassen Sie mich kurz anhand von vier Notwendigkeiten erläutern, wofür das Geld eingesetzt wird.

Erstens für das Erlernen der deutschen Sprache und die Einführung in die deutsche Rechts- und Gesellschaftsordnung. Man muss sich schon vor Augen halten, welche konkreten Maßnahmen diese Regierung in ihrer relativ kurzen Amtszeit - in drei Jahren - bereits ergriffen hat: zusätzliche Fachkräfte für die Sprachförderung an bestimmten Kindergärten, einheitliche Sprachstandserhebung ein Jahr vor der Einschulung, Fortbildung in Sprachförderung für Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrkräfte an Grundschulen, Informationsmaterialien über Bildungsarbeit und Sprachförde

rung in den wichtigsten Herkunftssprachen, gezielte Fortführung der Sprachförderung in der Schule - denn überproportional viele Schüler ausländischer Herkunft verlassen die Schule leider ohne Abschluss -, besondere Förderung durch Alphabetisierungsmaßnahmen, eine Sonderform des Berufsvorbereitungsjahres mit hohem Anteil an Deutsch als Zweitsprache, Sprachförderung an den Hochschulen und Hochschulveranstaltungen zu den Themen Integration und Migration. Ich könnte vieles mehr nennen. Das ist eine beeindruckende Bilanz. Es war undifferenziert und unehrlich, wie Sie hier gegenüber der Landesregierung argumentiert haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich könnte die Willkommenskurse für Spätaussiedler und jüdische Zuwanderer erwähnen. Dort werben wir auch für die Teilnahme an Integrationskursen. Ich mache gar keinen Hehl daraus, dass wir uns wünschen würden, dass neben den Neuzuwanderern, die bereits verpflichtet sind, diese Integrationskurse zu besuchen, auch Spätaussiedler zum Besuch der Integrationskurse verpflichtet würden. Wir wollen es jetzt auf dem freiwilligen Weg versuchen, sie für diese Kurse zu begeistern.

Ein anderes Beispiel: Wir sind eines der ersten Bundesländer gewesen, die einen deutschsprachigen Religionsunterricht für Muslime an staatlichen Schulen eingeführt haben. Es ist vernünftig, dass es Religionsunterricht für muslimische Kinder unter staatlicher Aufsicht und mit entsprechender staatlicher Begleitung gibt. Dazu hätten sie wenigstens einen lobenden Satz sagen können.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Das ist innovativ und nicht trotz CDU und FDP eingeführt worden, sondern gerade weil CDU und FDP sich dieses Themas besonders angenommen haben. Nordrhein-Westfalen geht jetzt einen ganz ähnlichen Weg.

Zweitens. Zur Eingliederung in Arbeit und Ausbildung möchte ich neben alledem, was der Innenminister gesagt hat, darauf hinweisen, dass es ein neu strukturiertes Förderprogramm für Jugendliche als flächendeckendes Netzwerk gibt. An Frauen richtet sich das FIFA-Programm „Förderung der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt".

Wir haben drittens unsere Beratungsstellen auf den Umgang mit Problemen wie häusliche Gewalt und Zwangsehen ausgerichtet und sie mit Informationen in verschiedenen Sprachen ausgestattet, weil die Förderung von Frauen und die Stärkung der Familien für uns eine besondere Rolle im Integrationsprozess spielen.

Wir haben viertens die Optimierung der Beratung durch eine weitere Zusammenarbeit der Integrationsdienste gewährleistet. Darauf ist der Innenminister sehr ausführlich eingegangen. Wir sind hier auf dem richtigen Weg. Nordrhein-Westfalen zieht nun nach.

Abschließend möchte ich auf ein Thema eingehen, das uns in den letzten Wochen und Monaten in diesem Hause sehr beschäftigt hat. Es gibt Menschen in unserem Land, die nach den Vorgaben unserer Gesetze eigentlich kein Aufenthaltsrecht mehr haben, bei denen tatsächliche oder rechtliche Gründe einer Ausreise aber entgegenstehen. Wir sind uns parteiübergreifend auf Bundes- und Landesebene einig, dass die Praxis der Anwendung der gesetzlichen Normen dringend überprüft werden muss. Das sieht auch die Evaluierung des Zuwanderungsrechts vor. Im Vordergrund stehen dabei die mit wiederholten Duldungen einhergehenden Fragen des Umgangs mit hier aufgewachsenen Jugendlichen. Heute haben wir in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung dazu einen interessanten Debattenbeitrag der Ausländerbeauftragten des Landes Niedersachsen lesen können.

Meine Damen und Herren, in der Vergangenheit haben CDU und FDP in einem Entschließungsantrag Vorschläge gemacht, die bei einer eventuellen Bleiberechtsregelung berücksichtigt werden sollten.

Erstens. Dem Status von Kindern und Jugendlichen muss ein besonderes Augenmerk gewidmet werden.

Zweitens. Ein Bleiberecht kann nicht demjenigen zukommen, der in gewissem Umfang straffällig geworden ist oder die Aufklärung seiner Identität behindert.

Drittens. Die Existenzgrundlage der Menschen muss gewährleistet sein.

Wir von der CDU erteilen einer konkreten Stichtagsregelung dagegen eine klare Absage.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Wir auch!)

Hiermit würden wir keine Probleme lösen, sondern sie lediglich verlagern. Deshalb begrüßen wir umso mehr den Vorschlag des Innenministers, ein Bleibe- und Wiederkehrrecht für Kinder und Jugendliche rechtlich zu fixieren. Diesen jungen Menschen müssen wir eine Perspektive hier bei uns in Deutschland geben.

Nun wird nach langen Diskussionen auch innerhalb meiner eigenen Fraktion - das gebe ich zu die Landesregierung für ganz außergewöhnlich gelagerte humanitäre Fälle eine Härtefallkommission einrichten. Einen entsprechenden Landtagsbeschluss haben wir gefasst. Die Härtefallkommission wird - das ist bekannt - wie in allen anderen Bundesländern auch Empfehlungen in der einen oder anderen Richtung geben. Sie ist allerdings nicht dazu da - das betone ich ausdrücklich -, den Ausnahmefall zu einem Regelfall zu machen. Ich habe großes Vertrauen zu den Mitgliedern der Kommission, dass sie zu Ergebnissen kommen werden, die alle Interessen und alle Belange angemessen berücksichtigen.

Allerdings ist auch klar, dass das Letztentscheidungsrecht unabhängig von der Empfehlung der Kommission beim Ministerium für Inneres und Sport als oberster Ausländerbehörde liegt. So wie in Berlin Innensenator Körting, ein Sozialdemokrat, mancher Empfehlung folgt und mancher auch nicht, wird sich auch der niedersächsische Innenminister keine Entscheidung leicht machen. Da sind wir uns ganz sicher. Er wird nach Recht und Gesetz unter besonderer Berücksichtigung der Faktenlage eine von allen Seiten zu respektierende Entscheidung treffen.

Wenn wir jetzt diese Härtefallkommission auf den Weg bringen, dann haben wir eine Bitte an die Opposition in diesem Hause: Unterlassen Sie bitte künftig die politische Stimmungsmache bei Härtefällen! Versuchen Sie nicht, das Schicksal einzelner Menschen zu parteipolitischen Zwecken zu missbrauchen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von den GRÜNEN: Unver- schämtheit!)