Protokoll der Sitzung vom 12.07.2006

und deshalb zitiere ich Frau Erpenbeck:

„Die harten Schicksale von Einzelnen und vor allem von Familien mit Kindern, die in Deutschland seit Jahren mit einer Duldung leben, sind der Grund dafür, dass die Forderung nach einer Bleiberechtsregelung so laut und so weit verbreitet ist. Von einer Bleiberechtsregelung sollen, so viele Innenminister, aber nur Geduldete profitieren, deren eigener Lebensunterhalt sichergestellt ist, die ihre Identität zu keiner Zeit verschleiert haben und die nicht straffällig geworden sind.“

(Minister Uwe Schünemann: Was ist daran falsch?)

„Eine solche Bleiberechtsregelung wäre weniger als halbherzig.“

Frau Erpenbeck schließt mit einer Forderung, der ich mich rückhaltlos anschließen kann:

„Geben Sie den 190 000 Flüchtlingen, die in Deutschland geduldet werden, ein Bleiberecht ohne Wenn und Aber. Springen Sie endlich über Ihren Schatten.“

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von Minister Uwe Schü- nemann)

Herr Schünemann, Sie versuchen hier, im Vorfeld des Integrationsgipfels schon Pflöcke einzuschlagen und deutlich zu machen, wo Sie die Grenzen sehen, die Sie nicht überschritten haben wollen. Aber längst haben Sie das Feuer im eigenen Lager, weil so viel Härte alle Integrationsbemühungen konterkariert. Die Kirchen, Teile der Wirtschaft, Flüchtlingsinitiativen und Nachbarschaftsinitiativen stehen Ihnen auf den Füßen und mögen diesem Treiben nicht länger zusehen. Mit dem Versuch,

Ihre erbarmungslose Abschiebepolitik mit dem Mäntelchen der Integration zu umhüllen, werden Sie bei den Bürgerinnen und Bürgern glücklicherweise keine Zustimmung finden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Rot-grünes Zuwanderungs- recht!)

Meine Damen und Herren, bei Zarah Kameli war es der Pilot, der am Ende Zivilcourage bewiesen hat. Sie werden immer wieder solche Fälle bekommen, wenn Sie so weitermachen. - Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als Nächster hat der Kollege Bachmann von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Bachmann!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass zunächst noch die FDP in der generellen Aussprache über die Regierungserklärung redet.

(David McAllister [CDU]: Darauf war- ten wir auch!)

Aber umso besser ist, dass ich zeitnah Ihnen, Herr McAllister, antworten kann.

Ich möchte mit der Feststellung beginnen, dass er chic aussehen wollte, der alte Häuptling „Harter Hund“ mit seinem neuen Federschmuck, den er sich heute angelegt hat. Aber er ist von Wolfgang Jüttner zu Recht enttarnt worden als jemand, der sich zu 80 % mit fremden Federn geschmückt hat.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Wie viele Plätze bringt das auf der Landesliste?)

Bei den restlichen 20 %, Herr Schünemann, muss man in Erinnerung rufen dürfen, dass es Gitta Trauernicht war, die als erste Sozialministerin und seinerzeit für Integration verantwortliche Ministerin Landesregierung und Landtag mit einem umfassenden Konzept zum Thema „Integration - Defizite, Zukunftsaufgaben“ befasst hat, und dass Sie heute mit der Fortschreibung ihres Handlungsrahmens

darauf aufbauen. Damit ist, Herr McAllister, auch Ihre Frage, ob es bei uns Konzepte gibt, beantwortet. Sie setzen unsere Konzepte fort!

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Frau Trauernicht, ja, die muss gelobt werden!)

- Ich will jetzt nicht näher untersuchen, was dieser Zwischenruf sollte. Ansonsten könnte ich mich natürlich auch dazu äußern, lieber Herr Kollege.

In den Reden ist deutlich geworden, dass wir als Demokraten in vielen Punkten dieselbe Sichtweise haben. Das sollte auch so sein. Aber nun hat der Kollege McAllister die Kritik von Wolfgang Jüttner an der Rede des Innenministers - in der er den Unterschied zwischen Reden und Handeln im Detail festgemacht hat und in der er aufgezeigt hat, wo es in den letzten Jahren schlechter geworden ist, wo die Zusammenarbeit abgebaut und die Mittel gestrichen worden sind - als ungerechtfertigt abgetan und nach unseren Anträgen und Konzepten gefragt. Darauf will ich ihm sagen: Sie haben hier sehr viel schöngeredet. Wir hingegen haben die Reaktionen aus der Fachöffentlichkeit, aus den Wohlfahrtsverbänden, den Kirchen, den Gewerkschaften, die tagtäglich vor Ort mit den Problemen zu tun haben, aufgegriffen. Und Fakt ist nun einmal: Nachdem Sie die Landesmittel um 50 % gekürzt haben, mussten die Wohlfahrtsverbände bewährte Migrationsberaterinnen und Migrationsberater mit langjährigem Erfahrungshintergrund entlassen. Sie haben daraufhin Kolleginnen und Kollegen aus der Job-Börse, die zum Teil aus den Bezirksregierungen kamen, in die Integrationsleitstellen gesetzt. Das zu tun, ist sicherlich richtig, und diese Kräfte sind auch eine Verstärkung, aber sie sind eben kein adäquater Ersatz für die Fachleute mit langjähriger Erfahrung, die entlassen wurden, weil Sie die Zuschüsse gestrichen haben. Damit ist Know-how und Wissen weggefallen, das diejenigen, die sich jetzt neu darum kümmern, erst mühsam erwerben müssen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, im Wesentlichen will ich mich aber mit einigen anderen Äußerungen von Herrn McAllister auseinander setzen. Er hat im Zusammenhang mit der Frage der Einbürgerung gesagt, er finde es sehr schön, dass türkische Jugendliche bei der Fußballweltmeisterschaft mit deutschen Fahnen in der Hand und mit schwarzrot-goldener Bemalung gejubelt haben. Das findet

er vorbildlich. Ich habe mich darüber auch gefreut. Aber genau daran zeigt sich das Grundproblem, Herr McAllister. Woher wissen Sie eigentlich, dass diese Jugendlichen keinen deutschen Pass in der Tasche hatten? Unterstellen Sie jedem, der nach einer Einbürgerung nicht auch automatisch deutsch aussieht - wie sollte das auch gehen? -, dass er nach wie vor nicht Deutscher ist?

(David McAllister [CDU]: Bitte, bitte, Herr Bachmann!)

Ich habe an der Stelle dazwischengerufen: Herr McAllister, würden Sie, wenn die türkische Nationalmannschaft in diesem Turnier mitgespielt hätte, von ihren Spielern auch erwarten, dass sie sich für Deutschland engagieren und sich entsprechend kennzeichnen? Ich sage Ihnen sehr deutlich: Wir wollen integrieren und nicht assimilieren! Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Wir freuen uns über jeden, der uns unterstützt. Wir freuen uns über jeden Zuwanderer, der mit der deutschen Nationalmannschaft mitfiebert. Aber wir unterstellen nicht automatisch, dass das alles türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger sind. Daran wird deutlich, dass Sie insoweit ein anderes Grundverständnis haben als wir.

(Beifall bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Das sagt doch niemand! Das ist eine böswillige Unterstellung! - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das ist konstruiert! Das ist dummes Zeug!)

Herr McAllister, Sie haben das Privileg der doppelten Staatsangehörigkeit. Sie sollten das, was Sie wie selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen, auch anderen zubilligen. - Aber auch da sind Ihr Reden und Handeln verschieden, und auch da liegen Welten zwischen uns.

(Beifall bei der SPD)

Sie, Herr McAllister, haben die doppelte Staatsangehörigkeit, aber es ist Ihre Partei, die bei den Kompromissen um das Zuwanderungsrecht die Möglichkeit, die doppelte Staatsangehörigkeit hinzunehmen, torpediert hat.

(Björn Thümler [CDU]: Aus gutem Grund!)

Auch an der Stelle verhalten Sie - Sie ganz persönlich - sich anders, als Sie reden. Von daher muss man an der Stelle auch die Frage nach Ihrer Glaubwürdigkeit stellen dürfen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nun gehe ich auf Ihre Frage nach unseren Anträgen und unseren Konzepten ein.

Herr Kollege Bachmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte im Zusammenhang vortragen. Die Zeit rast mir ohnehin schon davon.

Alle Kritikpunkte, die wir heute zu der Rede von Herrn Schünemann vorgebracht haben, waren bereits Thema hier im Parlament. Wir haben das bei Petitionen thematisiert, nachdem die Mittel für den Flüchtlingsrat auf null gesetzt wurden, wir haben es in Entschließungsanträgen aufgegriffen, wir haben entsprechende Initiativen in der Ausländerkommission gestartet - wo sie niedergestimmt wurden -, und wir haben in den Haushaltsberatungen der letzten Jahre beantragt, die Mittel, die Sie gestrichen haben, wieder einzustellen.

Wir haben unser parlamentarisches Handeln immer an dem Gesamtkonzept aus der Zeit von Gitta Trauernicht ausgerichtet. Von daher erübrigt es sich, Herr McAllister, von einer Diskrepanz zwischen unserem Reden und unserem Handeln zu sprechen. Das, was Herr Jüttner hier gesagt hat, entspricht dem parlamentarischen Handeln, das wir in den letzten drei Jahren an den Tag gelegt haben.

(Beifall bei der SPD - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Ihr habt viel ge- redet und deshalb auch nicht gehan- delt!)

Ich finde es gut, dass der Innenminister und ich insofern einer Auffassung sind, als dass wir dem Problem Sozialhilfe, das uns immer wieder als Schwierigkeiten entgegensteht, durch die Schaffung eines erleichterten Zugangs zum Arbeitsmarkt begegnen wollen. Ein entsprechender Entschließungsantrag liegt dem Parlament schon vor. Und jetzt nehme ich Sie beim Wort, meine Damen und

Herren von der CDU: Ich hoffe, dass Sie diesen Antrag, mit dem wir die Landesregierung bitten, beim Bund für einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt einzutreten, dann, wenn der Antrag in einer der nächsten Plenarsitzungen zur Beratung ansteht, mit beschließen. Auch bei dieser Gelegenheit werden wir Sie und Ihre Ankündigungen wieder an Ihrem Handeln messen können.

(Beifall bei der SPD - Reinhold Coe- nen [CDU]: Ach, Herr Bachmann, nun hören Sie doch auf!)

Herr McAllister, Sie haben die Situation von vor zehn Jahren - als für alle politischen Kräfte die Notwendigkeit bestand, auf die hohen Asylbewerberzahlen zu reagieren - mit der Situation heute verglichen. Damit aber haben Sie Äpfel mit Birnen verglichen.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Wieso? Da können Sie Frau Merk fragen!)

- Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Kollegin Merk sich genauso wie ich in dieser Zeit innerhalb unserer eigenen Partei darum bemüht hat - auch bei Ihnen gibt es schließlich einige, die mit der Abschiebepolitik von Herrn Schünemann nicht immer einverstanden sind -, humanitäre Einzelfallentscheidungen zu erreichen. Wir wollten, dass die Menschen, die seit dieser Zeit immer noch bei uns leben, weil es Abschiebehindernisse gab, deren Kinder hier geboren sind und das Heimatland ihrer Eltern nicht kennen, weil sie dort nie waren, die hier eine Sozialisation erfahren haben, die deutsch sprechen, die die Schule besucht und Schulabschlüsse erreicht haben, die hier also voll und ganz integriert sind, hier bleiben dürfen. Bei Ihnen hingegen stehen diese Menschen auf der Abschiebeliste. Das ist der qualitative Unterschied zwischen uns, Herr Schünemann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Warum schreien Sie denn so?)

Damals ist versucht worden, die Aufenthaltszeiten erst gar nicht so lang werden zu lassen, um der Riesenwelle von Asylbewerbern begegnen zu können. Sie aber schieben Menschen ab, die zum Teil seit Jahrzehnten hier leben. Das kann man, wie gesagt, nicht vergleichen. Deswegen sage ich: Unterlassen Sie es, Herr McAllister, Äpfel mit Birnen zu vergleichen,