Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Frau Meißner, Sie haben das Wort.

Die Antwort geht ganz schnell. Herr Schwarz, Sie haben mich zitiert. Ich habe aber damals nicht gesagt, dass wir noch im selben Jahr ein Gesetz auf den Weg bringen würden. Vielmehr habe ich gesagt, dass wir uns um die Belange von Menschen mit Behinderung und deren gleichberech

tigte Teilhabe kümmern. Das habe ich auch eben gesagt. Ich habe vorhin nicht gesagt, dass es kein Gesetz geben wird. Ich habe gesagt: Dieses Jahr wird es ein Gesetz geben.

(Heidrun Merk [SPD]: Sie haben ge- sagt, es ist im Kabinett!)

Herzlichen Dank. - Jetzt hat sich für die Landesregierung Frau Ministerin Ross-Luttmann zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir in Niedersachsen treten für eine effektive Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ein. Das wird an den vielfältigen Aktivitäten des Landes genauso deutlich wie daran, dass im aktuellen Landeshaushalt mehr als 1,3 Milliarden Euro für Leistungen für Menschen mit Behinderungen eingesetzt sind.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Den Großteil dieses Geldes verwenden wir für stationäre und teilstationäre Leistungen für Betroffene sämtlicher Altersgruppen bis zum 60. Lebensjahr. Hinzu kommt die Ausgleichsabgabe von niedersächsischen Arbeitgebern, die keine oder eine nicht ausreichende Anzahl von Menschen mit Behinderungen beschäftigen. Diese Mittel in Höhe von 54 Millionen Euro setzt das Land für die Integration von Menschen mit Behinderungen ins Arbeitsleben ein. Außerdem stellt das Land Mittel für freiwillige Leistungen bereit. So unterstützen wir Familien mit einer halben Million Euro, damit sich Angehörige von Behinderten regenerieren und z. B. in Urlaub fahren können.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das alles sind zielgerichtete Maßnahmen des Landes, die der Verbesserung der gesellschaftlichen Situation von Menschen mit Behinderungen dienen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Ein Wider- spruch zu dem, was der Kollege Schwarz sagt! Damit das klar ist! - Gegenruf von Uwe Schwarz [SPD]: Nur dass das alles Bundesmittel sind, Herr Kollege!)

Neben den vielfältigen Aktivitäten des Landes in der Behindertenpolitik macht beispielsweise aktuell ein junger Mann mit Behinderung ein Praktikum in meinem Haus. Die Leistungen des Landes sind zielgerichtet und sehr gut. Mein Vorredner, Herr Böhlke, hat darauf hingewiesen.

(Zustimmung bei der CDU)

Neben all diesen Aktivitäten ist auch ein Behindertengleichstellungsgesetz des Landes Niedersachsen ein wichtiger Baustein. Dieses muss sich sowohl an den Bedürfnissen der Betroffenen als auch an den Rahmenbedingungen beispielsweise der Kommunen orientieren. Wir werden den Betroffenen, aber auch denjenigen, die die Gleichstellung vor Ort umsetzen sollen, einen Handlungsrahmen geben. Dabei müssen wir aber die Akzeptanz aller Beteiligten erreichen. Die Landesregierung arbeitet deshalb sorgfältig an einem ausgewogenen Gesetzentwurf.

Zunächst war es wichtig und richtig, Anfang 2006 das Konnexitätsprinzip verfassungsrechtlich zu verankern. Im Anschluss daran haben wir verschiedene Gespräche u. a. mit den kommunalen Spitzenverbänden über ein Gleichstellungsgesetz geführt. Inzwischen ist auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verabschiedet worden, das Anfang 2007 in Kraft treten wird. Eines der vordringlichen Ziele dieses Gesetzes ist, alle Benachteiligungen wegen einer Behinderung zu verhindern oder zu beseitigen. Das Gesetz ist eine umfassende Ergänzung zu den bereits bestehenden Regelungen. Es erfasst das Arbeitsleben ebenso wie das Verhältnis Betroffener zum Staat und auch deren privatrechtliche Angelegenheiten.

Die Regelungen im Niedersächsischen Behindertengleichstellungsgesetz werden die bestehenden Regelungen sinnvoll ergänzen und abrunden. Ziel ist es, im Abstimmungsprozess einen tragfähigen und akzeptierten Vorschlag zu erreichen, der die sehr unterschiedlichen Interessen angemessen berücksichtigt.

Sehr geehrter Herr Schwarz, gestatten Sie mir einen kleinen Einwurf - Frau Helmhold ist schon darauf eingegangen -: Während Ihrer Regierungszeit hatten Sie tatsächlich 13 Jahre Zeit, ein Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Niedersachsen zu erlassen. Dazu hat Ihnen leider der Mut gefehlt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Hätten Sie ihn gehabt, müssten wir diese Debatte heute nicht führen. Sie haben erst im Dezember 2002, kurz vor der Landtagswahl, den Entwurf für ein solches Gesetz eingebracht. Abstimmungen im Vorfeld hat es dazu nicht gegeben. Ich möchte Sie deshalb daran erinnern, was die langjährige Landtagsabgeordnete und Sozialpolitikerin der Grünen, Frau Brigitte Pothmer, in der Debatte am 11. Dezember 2002 zutreffend ausgeführt hat:

„Dieser Gesetzentwurf ist - das muss man einmal deutlich sagen - reine Makulatur. Es macht von daher überhaupt keinen Sinn, inhaltlich auf ihn einzugehen.“

(Norbert Böhlke [CDU]: Ach!)

„Der Gesetzentwurf ist - ob es uns gefällt oder nicht - extrem verbesserungsbedürftig.“

(Norbert Böhlke [CDU]: Ach!)

„Das ist doch nichts anderes als eine Wahlkampfinszenierung.“

(Norbert Böhlke [CDU]: Ach!)

So weit das Zitat von Frau Pothmer. Diese Aussage war damals zutreffend und hat auch bis heute nichts von ihrem Wahrheitsgehalt verloren.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Jörg Bode [FDP])

Sich also heute mit einem solchen kurz vor der Wahl mit heißer Nadel gestrickten Entwurf zu rühmen, erscheint mir nicht angebracht. Vor allen Dingen wird es den berechtigten Interessen von Menschen mit Behinderungen nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal Herr Kollege Schwarz zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, mit den 13 Jahren haben Sie und auch Herr Kollege Böhlke Unrecht. Wenn Sie sich auf Ihre Reden vorbereiten lassen, sollte

man Ihnen wenigstens sagen, dass der Bundesgesetzgeber das Bundesgleichstellungsgesetz erst am 27. April 2002 verabschiedet hat.

(Zustimmung bei der SPD)

Erst mit dieser Verabschiedung ist die Grundlage dafür geschaffen worden, um entsprechende Ländergesetze ausfüllen zu können. Das sind zweifellos nicht 13, sondern lediglich 4 Jahre. Die damalige Landesregierung hat am 11. Dezember 2002 einen Gesetzentwurf eingebracht. Seinerzeit war es die CDU-Fraktion, die eine zügige Beratung schlichtweg verweigert hat.

Das Gesetz - das habe ich gesagt - mag zwar schlapp gewesen sein, aber Sie legen ja keinen Entwurf vor. Es wäre hoch interessant, zu erfahren, welch wuchtigen Gesetzentwurf Sie erarbeiten; denn Sie arbeiten schon dreieinhalb Jahre daran und erklären jedes Jahr neu, Sie seien noch nicht so weit.

(Beifall bei der SPD)

Haben Sie doch wenigstens einmal den Schneid und sagen Sie: Jawohl, ich habe als Ministerin eine bestimmte Vorstellung, aber ich kriege das im Kabinett nicht durch. - Uns liegt überhaupt nichts vor. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der zweite Punkt, den ich nur kurz ansprechen will, ist die Frage nach der Integration von Behinderten ins Berufsleben. Jawohl, Sie haben einen Vertrag geschlossen, und Sie rühmen ihn als Landesleistung. Aber Sie verteilen ausschließlich Bundesmittel. Kein Euro Landesknete ist in diesem Programm!

(Beifall bei der SPD)

Eines finde ich noch viel dreister:

Das ist hoffentlich der abschließende Punkt.

Das ist die Frage, die die Integration in das Berufsleben betrifft. Wenn der Opposition und dem Kollegen Max Matthiesen aus Ihrer Fraktion nicht im letzten Moment aufgefallen wäre, dass Sie die

Integrationsfachdienste zum Jahresende auslaufen lassen wollten, dann hätten wir zum 1. Januar dieses Jahres überhaupt keine Instrumente mehr gehabt, um diese behinderten Menschen zu beraten. So wird bei Ihnen mit diesem Thema umgegangen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Frau Ministerin Ross-Luttmann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, sehr geehrter Herr Schwarz, lasse ich nicht unkommentiert stehen. Herr Finke hat 1999 einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Landesregierung ist zu keiner Zeit daran gehindert worden, ein Gleichstellungsgesetz auf Landesebene zu erlassen.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Das stimmt!)

- Herr Möhrmann nickt bestätigend; das allein reicht mir. - Sie haben gerade dargestellt, die Landesregierung hätte es nicht tun können. Sie hätte es tun können, aber sie hat es nicht getan.

Ich glaube, es wird den berechtigten Belangen behinderter Menschen nicht gerecht, wenn wir uns dahinter verstecken, dass der Bundesgesetzgeber damals noch keinen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet hatte. Das ist nicht der richtige Weg. Der richtige Weg kann nur sein, nach Verabschiedung des Konnexitätsprinzips jetzt zügig an die Erarbeitung des Gesetzentwurfs zu gehen.