Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Bei konventionellem Abblendlicht liegt der Mehrverbrauch - das wurde inzwischen auch untersucht - bei ca. 0,1 Liter pro 100 km. Durch spezielle und besonders langlebige Tagesfahrleuchten kann der Mehrverbrauch allerdings verringert werden. Aber dies alles ist bekannt und nachzulesen.

Meine Damen und Herren, Ihr Antrag beschränkt sich im Wesentlichen darauf, mit Bitten und Anregungen an die Bundesregierung heranzutreten. In der Begründung erläutern Sie selbst, dass Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe sich bereits im September 2005 dieses Themas angenommen hat. Das Fahren mit Licht am Tage wird nach geltendem Recht ausdrücklich empfohlen. Nach einer freiwilligen Regelung plant der Bund eine verpflichtende Lösung. Der Grund für diese Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums war die Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen, der sich der Bund nach Ihrem Antrag anschließen soll. Ich frage mich, was diese Forderung in Ihrem Antrag eigentlich soll.

Das Konkreteste an Ihrem Antrag ist die Aufforderung an die Landesregierung, ihre Fahrzeuge auch tagsüber mit Abblendlicht fahren zu lassen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Was redest du denn überhaupt dazu?)

Selbst das ist noch als Bitte formuliert. In einer Kommune heißt so etwas „Geschäft der laufenden Verwaltung“; darum kümmert sich nicht einmal der Gemeinderat.

Meine Damen und Herren, wenn das Tagesfahrlicht tatsächlich verpflichtend vorgeschrieben wird, stellt sich die Frage, wie mit Altfahrzeugen ohne Tagesfahrleuchten umgegangen wird. Die Studie des Bundesamtes für Straßenwesen schlägt hierzu vor, eine dringende Empfehlung an die Fahrer solcher Fahrzeuge auszusprechen. Für Neufahr

zeuge wird in der Studie empfohlen, den Einbau von Tagesfahrleuchten, die sich automatisch aktivieren, verbindlich vorzuschreiben. Das stellen Sie auch in Ihrem Antrag dar. So weit, so gut.

Nun möchte ich den letzten und meines Erachtens wichtigsten Satz des Antrages zitieren:

„Das Bundesverkehrsministerium hat dazu bereits bei der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen in Genf eine entsprechende Initiative ergriffen. In der EU-Kommission bestehen Überlegungen für eine diesbezügliche EU-Richtlinie.“

Ich schlage daher vor: Wir lassen die Bundesregierung das machen, was sie ohnehin auch ohne die Aufforderung durch Ihren Antrag bereits macht. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster spricht Herr Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat nicht erst der Rede von Frau König bedurft, um uns völlig in Verwunderung zu bringen, welchen Kurs die Koalitionsfraktionen eigentlich zum Thema Verkehrssicherheit verfolgen wollen. Frau König hat gegen den Antrag und sein Bestreben geredet, Herr Bley sehr entschieden dafür. Das war ein ganz entschiedenes Jein. Sie sollten einmal den Koalitionsausschuss einberufen, um das zu klären. Jedenfalls geht aus Ihrem Antrag das, was Frau König gesagt hat, so nicht hervor.

Insgesamt sind Ihre Initiativen ja ohnehin etwas leer. Groß angekündigt wurde vor einigen Wochen von Minister Busemann beispielsweise eine Bundesratsinitiative zu Tempo 30 vor Schulen und Kindertagesstätten. Das hätten wir sehr begrüßt. Seit langem wollen wir das innerorts überall durchsetzen. Meistens scheitern wir dabei an der CDU. Nach unserer Kenntnis hat diese Initiative, die Minister Busemann medienwirksam vor der Kommunalwahl landauf, landab erläutert hat, bisher nicht zu Aktivitäten der Landesregierung geführt, in irgendeiner Weise das Thema voranzubringen. Stattdessen ist aber der Verkehrsminister, Herr

Hirche, aktiv geworden. Bei ihm geht es auch um das Thema Verkehrssicherheit, nur in umgekehrter Richtung, indem er nämlich Gigaliner auf unsere Straßen losgelassen hat, überlange Lkw, die beim Verlassen der Autobahn nun wirklich Fußgänger und Fahrradfahrer wegen des toten Winkels mehr als gefährden.

(David McAllister [CDU]: Die fahren doch nur auf der Autobahn!)

- Wie laden die denn auf der Autobahn ab, Herr McAllister? Ich glaube, der Gigaliner muss irgendwann auch mal die Autobahn verlassen. Und wenn auf der Autobahn ein Stau ist, muss er auch durch die Ortschaften fahren, in denen Leute herumlaufen.

(Zurufe von der CDU)

Ein Gigaliner muss auch mal von Fahrzeugen überholt werden, was ziemlich lange dauert. Sie könnten also in Sachen Verkehrssicherheit bei etwas mehr Gradlinigkeit dem Land sehr viele Dienste erweisen.

Nun also dieser Antrag zum Fahren mit Licht. Inhaltlich berufen Sie sich auf eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen. Auf eben diese Studie verweisen allerdings auch die Skeptiker, zum Beispiel der ADFC, gegenüber einer solchen Regelung. In der Studie heißt es nämlich:

„Die Ergebnisse aus den Ländern, insbesondere Skandinavien, sind nicht direkt auf mitteleuropäische Länder wie Deutschland übertragbar, weil hier andere klimatische, topografische und verkehrliche Rahmenbedingungen vorliegen.“

Das ist klar; bei uns ist es nicht den ganzen Winter über dunkel. Außerdem sind in diesen Ländern die Straßen im Wesentlichen auch deshalb gefährlicher, weil sie häufig durch Wald führen, wo die Bäume sehr viel Schatten werfen. Wir haben solche Straßen auch, aber dort stehen heute schon Schilder „Fahren Sie mit Licht“, und das ist auch gut so. Mir ist allerdings nicht klar, warum man in Ortschaften mit Licht fahren soll. Dort wirkt sich der Überblendeffekt negativ auf die Aufmerksamkeit der Autofahrer aus, die nämlich Fahrradfahrer und Fußgänger, die tagsüber kein Licht an haben, eher übersehen. Das sind die Aussagen der Studien aus dem Ausland, die der Grund dafür waren, dass

einige Länder das Fahren mit Licht schon wieder aufgegeben haben.

(Bernd Althusmann [CDU]: Skandina- vien aber nicht! Norwegen! Schwe- den! Dänemark!)

Das sollten Sie, bitte schön, auch berücksichtigen, wenn Sie Verkehrssicherheit wirklich verfolgen wollen.

Wenn dieses Thema weiter vorangetrieben werden soll und Sie nicht im interkoalitionären Streit darüber scheitern, müssen die offenen Fragen im Ausschuss über eine Anhörung geklärt werden. Sonst starten Sie Ihre Initiative auf Kosten der schwächsten Verkehrsteilnehmer, nämlich der Fußgänger und Radfahrer.

Das obligatorische Fahren mit Licht - dies ist heute das konventionelle Abblendlicht, das den Menschen zur Verfügung steht - verbraucht nicht nur mehr Energie - darauf hat Herr Will schon hingewiesen -, sondern es überblendet auch die Aufmerksamkeit. Sogar der ADAC weist in seiner heutigen Presseerklärung darauf hin, dass es mit der heutigen Technik nicht geht, weil z. B. die Sicherheit, die die Zweiradkraftfahrer, die Motorradund Mopedfahrer, durch das Fahren mit Abblendlicht erhalten haben, egalisiert würde, wenn alle, also auch die Autos, mit Licht fahren. Damit gefährden sie diese schwächeren Teilnehmer zusätzlich.

Mit anderen Worten: Ihr Antrag ist Stückwerk und unausgegoren. Sie sollten mit uns an einem umfassenden Konzept für Verkehrssicherheit arbeiten - beispielsweise mit Geschwindigkeitsminderungen und Maßnahmen, die tatsächlich allen nützen und Tempoverminderung und Alkoholverbot stärker durchsetzen. In Frankreich sind damit sehr gute Ergebnisse erzielt worden.

Ich denke z. B. an das Verbot des Telefonierens am Steuer - dies sehe ich heute im Straßenverkehr noch immer - da offensichtlich nicht genügend kontrolliert wird. Das sind echte Gefährdungen. Durch das Fahren mit Abblendlicht würden Sie zusätzliche Gefährdungen auslösen, die auch Sie sicherlich nicht verantworten wollen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die Landesregierung dazu jetzt Herr Wirtschaftsminister Hirche, Verkehrsminister in diesem Fall.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jeder von uns hat im Straßenverkehr sicherlich schon Situationen erlebt, dass man andere Fahrzeuge spät erkannt hat oder selbst spät erkannt worden ist. Manches von dem wäre nicht passiert, wenn Licht eingeschaltet worden wäre.

Die Polizei sagt: Bei 50 % der Kollisionen am Tag ist das Übersehen von Unfallbeteiligten zumindest eine Mitursache. Bei Kollisionen an Kreuzungen steigt dieser Wert sogar auf 80 %. Bei Augenzeugenberichten nach Unfällen solcher Art wird immer wieder gesagt: Ich habe den anderen Wagen zu spät gesehen. - Dieser Gefahr sind Fußgänger allemal genauso ausgesetzt wie Leute, die im Auto sitzen. Gerade die heutigen modernen silbernen und dunklen Autofarben heben sich von der Umgebung häufig kaum ab. Die Fahrzeuge werden von den Farben drumherum geradezu aufgesaugt und sind auf den ersten Blick nicht erkennbar. Wahrnehmungspsychologische Experimente zeigen, dass die Sichtbarkeit von Fahrzeugen mit Licht am Tag verbessert wird. Problematische Fahrbewegungen werden früher wahrgenommen, Distanz und Geschwindigkeit korrekter eingeschätzt.

Inzwischen hat die Bundesanstalt für Straßenwesen eine eigene Studie über die Wirksamkeit eines speziellen Tagfahrlichts vorgelegt. Danach gibt es erwartete Unfallrückgänge in einer Größenordnung - einige mögen sagen, dies ist nicht bedeutend von 3 %. Die vielfach geäußerte Befürchtung von neuen Gefahren für Motorradfahrer konnte bei diesem Tagfahrlicht nicht erhärtet werden.

Meine Damen und Herren, bei dieser Studie - wie es mit Studien eben so ist - handelt es sich aber um eine reine Literatur- und Statistikauswertung. Was in Deutschland bis heute fehlt, ist ein belastbarer Modellversuch mit wissenschaftlicher Begleitung und Auswertung. Und darauf zielen dieser Antrag und dieser Vorstoß, meine Damen und Herren.

Wir haben bereits in zwei anderen Fällen erlebt, dass man von Niedersachsen aus die Berliner in

Bewegung bringen kann. Das eine war der Vorstoß in Sachen „Begleitetes Fahren mit 17“, bei dem die ganze Republik erst einmal aufgeheult hat, dass dies nicht gehe.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Inzwischen haben es alle übernommen. Das andere ist die probeweise Einführung auf bestimmten ausgewählten Strecken von Gigalinern, die im Wesentlichen auf der Autobahn fahren. Meine Damen und Herren, dazu gibt es in anderen europäischen Staaten positive Erfahrungen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir werden in Deutschland, auch in Niedersachsen, an diesem Versuch festhalten. Im Übrigen hat mir mein Kollege aus Nordrhein-Westfalen gerade geschrieben, dass der Versuch auf nordrheinwestfälische Straßen ausgedehnt werden kann. Auch dies werden wir probeweise einführen. Und wenn die Erfahrungen negativ sind, dann ist eben Schluss damit. Auch das will ich sagen. Es ist ergebnisoffen. Aber hören Sie doch endlich einmal auf, bevor man etwas versucht und auf den Weg bringt, immer zu sagen: Das geht nicht.

Meine Damen und Herren, wenn das in der deutschen Technik- und Industriegeschichte gemacht worden wäre, dann könnten wir alle den sozialen Wohlstand heute nicht so genießen, wie er trotz Hartz IV und vieler Probleme in unserem Lande vorhanden ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - David McAllister [CDU]: Sehr richtig!)

Ziel muss - dies sehe ich durchaus - ein spezielles Tagfahrlicht sein, das es für einige Modelle übrigens schon gibt. Aus meiner Sicht weist der ADAC durchaus zu Recht darauf hin, dass die bloße Umstellung auf Abblendlicht die Probleme nicht löst. Meine Damen und Herren, wir wollen aber den Bund in Bewegung bringen. Deswegen finde ich es gut, dass der Antrag eingebracht worden ist. Die Landesregierung kann überhaupt nichts dagegen haben, wenn eine zusätzliche Anhörung gemacht werden soll; denn eines ist ganz klar: Bei allem, was mit Verkehr zu tun hat, ist immer eine Abwägung zwischen Umwelt- und Sicherheitsbelangen zu treffen. Es geht z. B. um die Frage „Benzinverbrauch gegen erhöhte Sicherheit?“ und andere Dinge - all das muss man abwägen. Um es aber abwägen zu können, meine Damen und Herren,

müssen wir Erfahrungen sammeln. Und dazu muss man einen probeweisen Versuch machen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Damit kommen wir zur Ausschussüberweisung.

Der Antrag soll an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr überwiesen werden. Wer möchte so verfahren? - Ist jemand anderer Meinung? - Dann ist so entschieden worden.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung: Sofortprogramm zur Schaffung von Ausbildungsplätzen auflegen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3133