Protokoll der Sitzung vom 06.06.2008

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Staatssekretär Joachim W e r r e n ,

Walter H i r c h e (FDP) Ministerium für Wirtschaft,

Arbeit und Verkehr

Justizminister Staatssekretär Dr. Jürgen O e h l e r k i n g ,

Bernhard B u s e m a n n (CDU) Justizministerium

Minister für Wissenschaft und Kultur Staatssekretär Dr. Josef L a n g e ,

Lutz S t r a t m a n n (CDU) Ministerium für Wissenschaft

Und Kultur

Minister für Umwelt und Klimaschutz

Hans-Heinrich S a n d e r (FDP)

Beginn der Sitzung: 9 Uhr.

Guten Morgen, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 10. Sitzung im 4. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode und stelle die Beschlussfähigkeit fest.

Geburtstag hat heute der Abgeordnete Dirk Toepffer. Herzlichen Glückwunsch im Namen des ganzen Hauses!

(Beifall)

Ich komme zur Tagesordnung. Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, also Tagesordnungspunkt 26. Dann folgen Tagesordnungspunkt 2, die strittigen Eingaben, und daran anschließend der gestern zurückgestellte Tagesordnungspunkt 25. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte 28 bis 33 in der Reihenfolge der Tagesordnung. Wir behandeln danach den Tagesordnungspunkt 27. Den Abschluss der heutigen Sitzung bildet sodann der Tagesordnungspunkt 34.

Die heutige Sitzung soll demnach gegen 15.10 Uhr beendet sein.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst wird erinnert.

Es folgen jetzt geschäftliche Mitteilungen durch den Schriftführer.

Es hat sich entschuldigt von der Landesregierung der Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung Herr Ehlen.

Vielen Dank. - Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 26 auf:

Tagesordnungspunkt 26: Mündliche Anfragen - Drs. 16/195

Bevor ich die erste Frage aufrufe, möchte ich für alle noch einmal die folgende Regelung unserer Geschäftsordnung in Erinnerung rufen: Die Fragestellerin oder der Fragesteller und andere Mitglieder des Landtages können bis zu zwei Zusatzfragen stellen. Zusatzfragen dürfen nicht verlesen werden. Sie müssen zur Sache gehören und dür

fen die ursprüngliche Frage nicht auf andere Gegenstände ausdehnen. Sie müssen knapp und sachlich sagen, worüber Auskunft gewünscht wird. Anfragen, durch deren Inhalt oder Tatbestand eine strafbare Handlung begründet wird oder die Werturteile oder parlamentarisch unzulässige Wendungen enthalten, sind unzulässig. Ich darf des Weiteren darauf hinweisen, dass einleitende Bemerkungen ebenfalls nicht mehr erlaubt sind.

Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich stelle fest: Es ist jetzt 9.03 Uhr.

Wir beginnen mit:

Frage 1: Auswirkung der Bahnprivatisierung auf die Schieneninfrastruktur und die Verkehrsanbindung in der Fläche

Die Frage wird gestellt von den Abgeordneten Frau König und Herrn Bode von der FDP-Fraktion. Ich erteile Frau König von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz jahrelangen Widerstands vonseiten des BMVBS, der Bahn, Transnet und Teilen der SPD wurden nun die Diskussion um die Variante eines „integrierten Börsengangs“ der Deutschen Bahn AG beendet

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehr gut!)

und die Teilprivatisierung der Verkehrs-, Transport- und Logistiksparte der Deutschen Bahn AG beschlossen. Auch wenn mit einer Privatisierung von 24,9 % nur ein sehr kleiner Teil an die Börse kommt, soll damit der Einstieg in mehr Wettbewerb und damit mehr Qualität im Schienenverkehr beginnen.

Derzeit beabsichtigt die Bundesregierung entgegen den ursprünglichen Planungen, auf ein Privatisierungsgesetz zu verzichten. Ein solches Gesetz wäre aber notwendig, um u. a. die Neuregelung der Infrastrukturfinanzierung und die Einflussmöglichkeiten der Länder zu regeln. Dementsprechend haben die Bundesländer im Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes eingebracht, um eine ausreichende Berücksichtigung der Länderinteressen zu erreichen. Vonseiten der Länder werden insbeson

dere Sorgen geäußert, dass sich die Deutsche Bahn AG infolge des Börsengangs auf lukrative Fernverbindungen konzentrieren wird, während Fernverkehrsanbindungen in der Fläche und die entsprechenden Investitionen in die Netzinfrastruktur leiden.

Vor diesem Hintergrund frage ich daher die Landesregierung:

1. Welche Auswirkungen auf das Investitionsverhalten der Bahn und die Versorgung der Ober- und Mittelzentren durch die Fernverkehrssparte sind im Falle einer fehlenden gesetzlichen Regelung für Niedersachsen zu erwarten?

2. Welche gesetzgeberischen und finanziellen Maßnahmen müssen vonseiten des Bundes noch ergriffen werden, um Nachteile für Niedersachsen durch den Börsengang der Deutschen Bahn AG zu vermeiden?

3. Welche Maßnahmen sind notwendig, um den diskriminierungsfreien Zugang zum Schienennetz der Deutschen Bahn AG für Wettbewerber sicherzustellen und damit das Ziel von mehr Wettbewerb auf der Schiene zu erreichen?

(Beifall bei der FDP - Dr. Philipp Rös- ler [FDP]: Gute Frage!)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Hirche.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG - genauer: der Verkehrs- und Logistiksparten der DB AG - ist vom Bundestag beschlossen worden. Die kritische Position der Länder, auch Niedersachsens, hat dazu geführt, dass die ursprünglichen Pläne des Bundesverkehrsministers und der Bahn vom Börsengang des integrierten Konzerns, d. h. die Privatisierung von Netz und Betrieb, aufgegeben wurden; denn eine Privatisierung von Netz und Betrieb hätte den gerade einsetzenden Wettbewerb auf der Schiene schwer geschädigt und Strukturen geschaffen, die im Bereich der Energiewirtschaft gerade unter großen Anstrengungen korrigiert werden sollen.

(Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Insofern ist die jetzt angepeilte Teilprivatisierung der Verkehrssparten ein großer Erfolg der Länder,

nicht der DB AG und auch nicht des Bundesverkehrsministers, auch wenn diese ihre Niederlage umzudeuten versuchen. Die Teilprivatisierung ist durchaus ein Schritt in die richtige Richtung.

Allerdings bedarf es nach Auffassung der Landesregierung und auch der übrigen Länder flankierender Regelungen. Dies gilt zum einen für die Infrastrukturbewirtschaftung, zum anderen für die Frage, wie die Gemeinwohlverpflichtung auch beim Fernverkehr konkretisiert werden kann.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Bund eine gesetzliche Grundlage weder für die Privatisierungsentscheidung selbst noch für die Infrastrukturfinanzierung anstrebt. Er begibt sich damit in Widerspruch zum eigenen bisherigen Vorgehen. Deswegen haben wir Länder den Ball, den der Bund letztes Jahr mit der Vorlage des Eisenbahnneuordnungsgesetzes ins Spiel gebracht hat, aufgenommen und im Mai im Bundesrat eine eigene Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht. Wir wollen klare Rahmenbedingungen für diesen wichtigen und künftig an Bedeutung weiter zunehmenden Verkehrsträger sowie Sicherheit und Transparenz für alle Akteure.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Es besteht in der Tat die Sorge, dass nach einer Teilprivatisierung Entscheidungen im DB-Konzern, gerade solche, die das Netz betreffen, verstärkt im Interesse der teilprivatisierten Konzerntöchter getroffen werden. Die vorgesehene personelle Verflechtung zwischen DB-Konzern und der zur Teilprivatisierung vorgesehenen Zwischenholding lassen diese Befürchtungen keineswegs schrumpfen.

Es darf nicht sein, dass Strecken vernachlässigt oder mit höheren Nutzungsentgelten belegt werden, nur weil diese möglicherweise von Mitkonkurrenten genutzt werden. Es darf auch nicht sein, dass regionale Strecken vernachlässigt werden, nur weil sich das Interesse der Kapitalgeber möglicherweise auf das „Kernnetz“ fokussiert. Artikel 87 e Abs. 4 des Grundgesetzes, der die Verantwortung des Bundes für den Schienenverkehr regelt, gilt in vollem Umfang weiter.

Beim Fernverkehr schließlich wird es darauf ankommen, den verfassungsrechtlich vorgegebenen Gewährleistungsauftrag endlich mit Leben zu erfüllen. Das heißt, das Angebot im Fernverkehr muss dem Wohl der Allgemeinheit Rechnung tragen.

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Es geht nicht darum, die unternehmerischen Freiheiten des DB-Fernverkehrs zu beschneiden. Es geht aber sehr wohl darum, den öffentlichen Gewährleistungsauftrag zu definieren.