Die Bundeskanzlerin hat zu Recht angekündigt, dieses Thema auch im Rat der Europäischen Union am 24. und 25. März in Brüssel und ebenso auf der Ebene der G8- und G20-Staaten intensiv zu erörtern. Das ist zielführend.
EU-Kommissar Günther Oettinger hat am Dienstag ebenfalls erste konkrete Maßnahmen eingeleitet. Dazu gehört z. B. ein neuer vereinheitlichter Sicherheitscheck in den europäischen Mitgliedsstaaten. Die Landesregierung begrüßt, dass die Europäische Union an einer neuen Sicherheitsphilosophie arbeitet, und würdigt die Rolle des Energiekommissars aus Deutschland.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Risiken der Kernenergie machen an den Grenzen nicht halt. Deshalb macht es wenig Sinn, alle deutschen Kernkraftwerke sofort abzuschalten und dafür beispielsweise den Strom aus Tschechien oder Frankreich zu importieren. Meine Damen und Herren, das wäre keine verantwortungsbewusste Energiepolitik.
Deshalb müssen wir die Diskussion national führen, aber Deutschland muss auch eine Vorreiterrolle in der europäischen und internationalen Debatte einnehmen, damit wir gemeinsam zu substanziellen konkreten Fortschritten kommen.
Meine Damen und Herren, wir sollten unseren Blick nicht nur auf den Bereich der Kernenergie richten. Die Bundesregierung hat im vergangenen Herbst ein Energiekonzept vorgelegt und damit erstmalig einen Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien aufgezeigt.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD, von den GRÜ- NEN und von der LINKEN - Glocke des Präsidenten)
das wissen Sie, Herr Kollege Wenzel; das wissen Sie, Herr Kollege Adler - beinhaltet einen ganzen Strauß an Maßnahmen,
wie die Energiepolitik der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Jahrzehnten gestaltet werden soll,
und enthält viele positive Aspekte zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Gleichwohl - das räume ich ein - gab es auch das Thema der Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke.
Meine Damen und Herren, Sie wissen auch, dass dieses Thema innerhalb der Koalition und innerhalb meiner eigenen Partei unterschiedlich diskutiert wurde.
(Zurufe von der SPD, von den GRÜ- NEN und von der LINKEN - Karl- Heinz Klare [CDU]: Hören Sie doch mal auf zu schreien! Hören Sie doch mal zu! - Christian Meyer [GRÜNE]: Sie haben doch im Bundesrat zuge- stimmt! - Glocke des Präsidenten)
Wenn am Montag die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP beschließt, diese Laufzeitverlängerung vorerst auszusetzen,
dann zeigt das auch, mit welcher Ernsthaftigkeit dieses Thema in Berlin und in den Ländern erörtert wird.
Meine Damen und Herren, eines hat das Energiekonzept der Bundesregierung auch gezeigt: Die Kernkraft war und ist darin nur eine zeitlich befristete Brückentechnologie bis zu ihrem endgültigen Auslaufen.
Was wir jetzt brauchen, sind - da sind wir uns hoffentlich einig - ein noch schnellerer Umstieg auf die erneuerbaren Energien und die dazu notwendigen Übergangsschritte.
Wir in Niedersachsen leisten dazu unseren aktiven Beitrag. Wir sind führend in der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben schon jetzt die Chance, bereits ab 2020 mehr Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren, als wir verbrauchen können.
Meine Damen und Herren, Niedersachsen ist das führende Land bei den erneuerbaren Energien. Das ist eine Rolle, auf die wir gemeinsam parteiübergreifend stolz sein können. Wir wollen unseren aktiven Beitrag dazu leisten.
Bis auf die Biomasseanlagen und die Geothermie haben wir es aber mit einer ungleichmäßigen Stromerzeugung zu tun, die sich halt nicht am Verbrauch orientiert. Deshalb sind in den nächsten Jahren der beschleunigte Netzausbau, die Entwicklung intelligenter Netze, der sogenannten Smart Grids, und neue Speichertechnologien notwendig. Wir müssen uns vor Augen führen, dass noch große Herausforderungen zu bewältigen sind, wie man aktuell an den technischen und finanziellen Problemen der Offshorewindenergie sehen kann.
Das Hohe Haus sollte sich über eines im Klaren sein - und da bitte ich alle Abgeordneten, egal welcher Fraktion, um Verständnis -: Der weitere Ausbau, der schnellere Ausbau der regenerativen Energien wird nicht ohne gesellschaftliche und politische Konflikte erfolgen. Wenn uns aber das gemeinsame Ziel eint, aus der Kernenergie in Deutschland so schnell wie möglich auszusteigen, dann müssen wir diese politischen Debatten auch in einem hohen Maß an parteipolitischer Übereinstimmung führen.
Lassen Sie uns einmal konkret werden. Der Netzausbau z. B. ist kein einfacher Weg - das wissen wir alle -, weil es hier noch viele Akzeptanzprobleme gibt. Ich würde mir deshalb wünschen, dass wir uns als ersten Schritt zum beschleunigten Netzausbau auf die technisch und rechtlich mögliche Teilverkabelung verständigen könnten. Wir müssen mit dem Netzausbau in Deutschland und speziell bei uns in Niedersachsen schnell vorankommen und können uns keine weiteren Verzögerungen mehr leisten.
Der Netzausbau ist das Nadelöhr und auch die Achillesferse des Umbaus unserer Energiewirtschaft. Hier müssen wir akzeptieren, dass erst ausreichende Erfahrungen mit der Teilverkabelung im vermaschten Netz gemacht werden müssen. Niedersachsen ist dort mit drei von vier Pilotvorhaben ganz vorne mit dabei.
Meine Damen und Herren, wenn wir schneller aus der Kernenergie aussteigen wollen, weil die Kerntechnik die gestiegenen Sicherheitsanforderungen mittelfristig nicht erfüllen kann, werden wir allerdings auch über andere Brückentechnologien, bis wir das Zeitalter der erneuerbaren Energien vollständig erreicht haben, reden müssen. Es könnte auch sein, dass wir für eine Übergangszeit neue, effizientere Kohle- oder Gaskraftwerke brauchen. Ich bin zuversichtlich, dass wir da auch im Rahmen des restriktiven Emissionshandels noch Spielräume besitzen, die wir nutzen könnten, ohne unsere Klimaschutzziele infrage zu stellen. Auch hier wäre dann parteiübergreifend eine ideologiefreie Diskussion zu führen.
Meine Damen und Herren, wer den Ausstieg aus der Kernenergie ernst nimmt, der muss auch - und das gilt für uns alle - an seinem individuellem Verhalten ansetzen. Die umweltfreundlichste Energie ist und bleibt diejenige, die erst gar nicht produziert werden muss.
Wir werden daher die Energieforschung zu Fragen der Kraftwerkstechnik, zu alternativen Antriebsformen, Energieerzeugung, Energiespeicherung und Energienetzen sowie zum energiesparenden Bauen, die bereits heute ein Schwerpunkt unserer Forschungsanstrengungen in Niedersachsen sind, weiter stärken. Wir wollen und wir werden den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien in Niedersachsen gehen.
Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen hat es - das räume ich ein - insbesondere auch in meiner eigenen politischen Partei, aber auch darüber hinaus viele neue Überlegungen gegeben, viel Nachdenklichkeit
und auch neue Entscheidungen. Eines ist mir wichtig: Wir sollten uns in Deutschland gemeinsam das Ziel setzen, die Wende in der Energiepolitik jetzt nicht nur zu diskutieren,
sondern auch gemeinsam auf den Weg zu bringen. Es gibt die Chance auf einen neuen Grundkonsens in der Energiepolitik. Wir sollten diese Chance nutzen.
Eine mit Schuldzuweisungen verbundene Diskussion hilft nicht weiter. Ich möchte alle Beteiligten ernsthaft bitten, dieses Thema, auch wenn die Versuchung natürlich naheliegt, nicht zum Spielball von parteipolitischen Auseinandersetzungen zu machen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Oh! bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Unruhe - Glo- cke des Präsidenten)
Ich glaube nicht nur, sondern bin mir sehr sicher, dass die Menschen dies von allen politisch Verantwortlichen momentan erwarten.
Deshalb geht es um eine sachgerechte und nicht parteipolitisch motivierte Debatte, meine sehr geehrten Damen und Herren.