Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Bachmann das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer hat in diesem Hause etwas gegen Prävention, gegen den Dialog, gegen einen normalen Umgang unterschiedlicher in diesem Land lebenden Menschen? - Niemand hat etwas dagegen. Deswegen rennen Sie mit dieser allgemeinen Forderung bei uns natürlich Tür und Tor ein. Aber wenn Sie, gerade in diesem sensiblen Bereich, von Prävention reden, dann wären Sie, glaube ich, glaubwürdiger, wenn Sie nicht die Landeszentrale für politische Bildung abgeschafft hätten.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ich rufe noch einmal in Erinnerung, was vor Kurzem in diesem Hause Thema war, nämlich die Ansiedlung der Präventionsarbeit im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit allein beim Verfassungsschutz. Daran, dass der Verfassungsschutz Öffentlichkeitsarbeit machen, über seine Arbeit informieren und auch den Dialog führen muss, besteht kein Zweifel. Aber das ist kein Ersatz für die bisherige politische Bildungsarbeit; denn wenn so etwas von dieser Behörde bzw. Dienststelle kommt, stößt das eben nicht bei allen auf die Akzeptanz, auf die es stoßen müsste.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, lieber Kollege Adasch, so schlimm das Attentat in Frankfurt war - wir verurteilen es genauso wie Sie -: Mit dem Netzwerk, das Sie hier fordern, hätten wir gerade diesen Attentäter auch nicht im Vorfeld erkannt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Er war eben total unauffällig und hatte keine derartigen Kontakte. Deswegen, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, dieses Thema nicht mit islamophobischen Vorurteilen und Ängsten zu diskutieren, sondern mit aller Sachlichkeit und Nüchternheit sowie unaufgeregt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich empfehle Ihnen - er ist im Moment leider nicht da -, sich dazu einen Artikel Ihres Kollegen Dirk Toepffer anzuschauen, der am 8. März in der Hannoverschen Neuen Presse erschienen ist. Er hat dort sehr Vernünftiges gesagt. Er hat gesagt: Es gibt in meiner eigenen Partei ganz offensichtlich leider noch viele, die mit diesen Vorurteilen und Ängsten leben. Ich empfehle allen CDU-Mitgliedern - damit meint er sicherlich auch Abgeordnete -, mal eine Moschee zu besuchen und über diesen Dialog nicht nur zu reden, sondern ihn selbst zu führen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Heinz Rol- fes [CDU]: Ihr müsst immer mit dem Finger auf andere zeigen!)

Ich lade auch den Herrn Innenminister ein, endlich der Einladung des Kollegen Jüttner zu folgen und diesen ach so schlimmern Stadtteil HannoverLinden einmal zu besuchen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Ingrid Klopp [CDU]: Warum schreien Sie denn so?)

Warum tue ich das? - Weil diejenigen, die diesen Stadtteil bisher besucht haben, von diesem schönen Stadtteil begeistert waren. So auch Herr McAllister. Er hat dort mit dem Kollegen Jüttner zünftig Karneval gefeiert und gesagt: Das ist ja ein toller Stadtteil! - Solche Berührungsängste hat Gott sei Dank auch Frau Özkan nicht. Aber der Herr Minister warnt vor diesem Stadtteil. Er warnt vor solchen Stadtteilen in unserer Republik, wo das Grauen lauert. Meine Damen und Herren, damit erreicht man nicht die Akzeptanz und die Unaufgeregtheit bzw. das, was Sie in diesem Antrag beschreiben.

Der Herr Innenminister hat sich im Vorfeld dahin gehend geäußert - das geht viel weiter als Ihr Antrag -, dass er Meldestellen bei den Kommunen einrichten möchte. Wissen Sie, meine Damen und Herren, einmal unabhängig davon, dass den Kommunen nicht noch weitere Aufgaben zugemutet werden können: Es ist heute bereits Tagesgeschäft, dass sie in ihren Präventionsräten diese Arbeit leisten.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist auch de- ren Aufgabe!)

Aber der Herr Innenminister müsste doch wissen, dass es in diesem Land, organisiert in seinem Ministerium, Hunderte derartiger Meldestellen gibt. Die heißen: Polizeistationen, Polizeikommissariate, Polizeiinspektionen und Staatsschutzdienste der Zentralen Kriminaldienste.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Dahin, meine Damen und Herren, kann man sich wenden, wenn man einen begründeten Verdacht und Erkenntnisse hat, die das rechtfertigen. Aber wir wollen doch bitte kein Denunziantentum aufbauen und keine Blockwartmentalität!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Heinz Rol- fes [CDU]: Das ist doch wohl eine Un- verschämtheit! Wie man aus dem An- trag so etwas machen kann! Ewig das gleiche Gekloppe hier!)

- Nein, Herr Kollege Rolfes, wir sehen das im Kontext dessen, was Herr Schünemann in der Vergangenheit an Ängsten verbreitet hat

(Heinz Rolfes [CDU]: Eine Unver- schämtheit ist das!)

und an entsprechenden Kontakten eben nicht hergestellt hat. Wir wollen kein Denunziantentum. Allein der Umstand, dass irgendjemand im Lande sagt „Ich habe da einen Verdacht“, darf doch nicht dazu führen, dass die Maschinerie von Ermittlungen in Gang kommt. Was das bedeutet, haben wir doch mit einer Lehrerin erlebt, die einen Schüler zu Unrecht in diese Verdachtsecke gestellt hat. Das sind doch Entwicklungen, die nicht eintreten dürfen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Heinz Rol- fes [CDU]: Unglaublich!)

Wir werden uns einmal ganz unaufgeregt und in aller Sachlichkeit mit Ihrem Antrag auseinandersetzen. Wir werden aber auch das notwendige Maß der Dinge besprechen.

(Unruhe - Zurufe von der CDU)

Vor allen Dingen, Herr Kollege, werden wir jetzt einmal unterbrechen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Ein Schreihals erster Güte! - Widerspruch bei der SPD - Zurufe - Unruhe)

- Herr Kollege Rolfes,

(Heinz Rolfes [CDU]: Er macht doch nichts anderes!)

ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Wissen Sie, ich werde natürlich dann etwas lauter, wenn ich den Eindruck habe, dass ich die Lautstärke, die bei Ihnen entsteht, übertönen muss. Es liegt also auch an Ihnen.

Ich sage Ihnen noch einmal: Wir werden uns mit diesem Antrag in aller Sachlichkeit auseinandersetzen. Wir werden aber die Mitberatung auch im Ausschuss für Verfassungsschutzfragen beantragen und werden dort folgende Fragen stellen.

Herr Kollege, darf ich kurz unterbrechen? - Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllring?

Ich möchte jetzt in einer Minute diesen Fragenkatalog noch abarbeiten.

(Zuruf von der CDU: Haben Sie Angst vor Herrn Möllring?)

- Nein, ich habe von Herrn Möllring keine Angst, überhaupt nicht. Ich glaube, da kennen Sie mich gut genug. Manchmal kann eine Zwischenfrage an mich auch zum Bumerang werden. Das will ich Ihnen nicht zumuten, Herr Möllring.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Heinz Rol- fes [CDU]: So kann man jeden Antrag kaputt machen!)

Wir werden fragen: Wie setzt sich der Personenkreis zusammen, von dem die HAZ am 5. März berichtet hat - wahrscheinlich nach Informationen des Verfassungsschutzes -, es gebe 100 gewaltbereite Islamisten? Was heißt in diesem Zusammenhang „gewaltbereit“? Wer definiert das? Sind also alle potenzielle Attentäter? Wie viel Konvertiten gehören zu diesem Personenkreis? Welche konkreten Maßnahmen sind bisher ergriffen worden? Wie viele Rückkehrer und potenzielle Gefährder aus pakistanischen oder afghanischen Ausbildungslagern gibt es in Niedersachsen?

Das sind die Fragen, die wir stellen werden, um auf der Basis eine sachliche Debatte zu führen. Dann werden wir hoffentlich mit Ihnen gemeinsam im Sinne dessen, wie es der Kollege Toepffer formuliert hat, sehr unaufgeregt darüber entscheiden, ob wir zu einer gemeinsamen Beschlusslage kommen, was die Vernetzung angeht. Aber es darf nicht der Eindruck entstehen, es geschieht auf der Basis, auf der Herr Schünemann diese Debatte durch seine damalige Pressekonferenz eingeleitet hat.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Adasch. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Bachmann, man kann ja zu allen Themen unterschiedlicher politischer Auffassung sein. Sie mahnten zum Schluss an, wir sollten uns sachlich mit diesen Dingen auseinandersetzen.

(Hartmut Möllring [CDU]: Wir waren ja auch sachlich!)

Insofern bin ich wirklich entsetzt, welche unnötige Schärfe Sie hier hereingebracht haben. Den Begriff „Blockwartmentalität“, den Sie verwendet haben, Herr Kollege Bachmann, ist meiner Ansicht nach eine Unverschämtheit. Das wird diesem bedeutenden Thema in keiner Weise gerecht und ist deutlich unter Ihrem Niveau.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die SPD-Fraktion möchte antworten. Herr Kollege Bachmann, bitte!

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Sag ein- fach „Das stimmt nicht“! - Heinz Rol- fes [CDU]: Eine tiefe Entschuldigung!)

Herr Kollege Adasch, ich bin in der Lage, den Begriff „Blockwart“ zurückzunehmen.