Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Der richtige Ansatz besteht doch darin, dass die Menschen vor Ort, die Kommunen und die Behör

den vor Ort entscheiden, sich verlässliche Partner suchen und darüber nicht irgendwelche großen Behörden entscheiden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/DieGrünen spricht nun Frau Staudte.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir von Bündnis 90/Die Grünen unterstützen den Antrag der SPD-Fraktion ausdrücklich. Auch wir sind für eine Verbesserung der Kontrollen bei Auslandsprojekten der Jugendhilfe.

Ich möchte am Anfang natürlich betonen, dass Auslandspädagogik ein wichtiger und wirksamer Bestandteil von Jugendarbeit und Jugendhilfe ist und dass fachlich durchdachte Konzepte der Erlebnispädagogik wirklich ganz neue Gruppen- und Grenzerfahrungen im Ausland ermöglichen, die die Jugendlichen hier so nicht haben können. Die Auslandspädagogik erweitert den kulturellen Horizont und trägt so wirklich dazu bei, dass wichtige Impulse für eine Persönlichkeitsentwicklung gegeben werden können.

Aber die mündliche Anhörung und auch die schriftlichen Stellungnahmen haben sehr deutlich gemacht, dass wir einen ganz erheblichen Handlungsbedarf haben und dass viele Projekte zu einer stumpfen Arbeitspädagogik verkommen sind.

Hier ist vorgetragen worden, dass wir die Kommunen entmündigen wollten. Das aber ist wirklich absolut an den Haaren herbeigezogen. Fakt ist, dass Sie die Probleme nicht wahrhaben wollen,

(Norbert Böhlke [CDU]: Das stimmt nicht!)

den Kopf in den Sand stecken und der Einzelfall bei Ihnen scheinbar keine Rolle spielt.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das stimmt auch nicht!)

Die Problemlage ist eine strukturelle. Das wollen Sie nicht sehen. Die einzelnen Jugendämter können zwar den Jugendlichen, den sie ins Ausland geschickt haben, aus der Jugendhilfemaßnahme herausholen, wenn sie nicht überzeugt sind. Aber niemand kann ein umstrittenes Heim im Ausland schließen, weil die Regelungskompetenzen für

Einrichtungen im Ausland nach dem SGB VIII im Ausland liegen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das stimmt!)

Diese Problemlage muss beseitigt werden.

Wir haben es hier mit einem Bereich mit sehr hohen Gewinnmargen zu tun. Es wird ein deutscher Tagessatz für eine Maßnahme in Rumänien gezahlt, bei der vielleicht mit rumänischen pädagogischen Hilfskräften zu ganz anderen Preisen gearbeitet wird. Gerade bei diesen hohen Gewinnmargen besteht immer die Gefahr, dass sich in so einem Bereich schwarze Schafe tummeln. Deswegen brauchen wir eine verstärkte Fachaufsicht.

Die Anhörung hat eine breite Unterstützung für den Antrag ergeben, und zwar auch vonseiten der Träger. Die LAG der Freien Wohlfahrtspflege ist demgegenüber positiv eingestellt. Die Leuphana Universität mit dem Institut für Erlebnispädagogik sagt: uneingeschränkte Zustimmung.

(Glocke des Präsidenten)

Ich habe den Eindruck, dass Sie die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes nicht gelesen haben. Es hat ganz dezidiert dargestellt, welche immensen bilateralen Probleme wir mit den Gastländern haben und dass die diplomatischen Beziehungen durch Fälle mit jugendlichen Straftätern gestört werden, etwa dann, wenn beispielsweise in Polen ein alkoholisierter deutscher 14-Jähriger eine 82 Jahre alte Polin auf brutalste Art und Weise vergewaltigt oder der Jugendhilfeträger entgegen dem Anraten des Auswärtigen Amtes in Kirgistan Jugendliche unterbringt, sodass sie in Bürgerkriegsunruhen geraten.

Wenn Jugendliche, die dorthin geschickt werden, selbst zu Opfern werden, weil sich der Jugendhilfeträger nicht kümmert und die Aufsicht nicht ausübt, dann ist doch wirklich klar, dass wir hier einen sehr großen Handlungsbedarf haben. Im Übrigen sagt auch der Arbeitskreis der Träger, die Auslandspädagogik anbieten

(Glocke des Präsidenten)

- ich komme zum Schluss -, dass man sich eine stärkere Kontrolle der Arbeit der örtlichen Jugendämter wünscht, weil sie ein Interesse daran haben, dass die von ihnen gewährten Maßnahmen nicht teurer sind als die Maßnahmen, die hier durchgeführt werden. Last, but not least zeigt sich hier, dass die Abschaffung des Landesjugendamtes im Jahr 2007 eine fatale Fehlentscheidung war.

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Focke das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Staudte, ich teile Ihre Auffassung zu dem Problem, dass umstrittene Einrichtungen im Ausland nicht aus Deutschland heraus geschlossen werden können. Das können wir bedauern; wir können dieses Problem aber weder hier im Landtag noch im Deutschen Bundestag regeln. Wir können nicht sagen: Wir schließen irgendwelche Einrichtungen im Ausland. - Auch wir würden es nicht zulassen, wenn in Polen plötzlich gesagt würde: Wir schließen jetzt eine deutsche Einrichtung. - Das wird nicht funktionieren.

Was die Kosten angeht, sagen Sie, da bestünden hohe Gewinnmargen. Ich will einmal die Diskussion umdrehen und darauf hinweisen, was passieren würde, wenn die Durchführung von intensivpädagogischen Maßnahmen im Ausland unglaublich günstig wäre. Dann würde hier im Haus nämlich der Vorwurf erhoben, dass die Kommunen Jugendliche aus Kostengründen ins Ausland abschieben würden, weil es nämlich billiger ist. Deshalb kann auch das nicht funktionieren. Wir müssen die Qualität der dort stattfindenden pädagogischen Maßnahmen messen. Wenn das eben nach deutschem Satz ist, dann muss es nach deutschem Satz sein. Wir dürfen hier nicht dazu kommen, dass wir sagen, die Kommunen würden die jungen Leute ins Ausland schieben, weil es dort billiger ist. Das müssen wir ganz dringend verhindern.

Sie haben schließlich die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes angesprochen. Richtig ist, dass man mit einigen Ländern Probleme hat, wenn man kritische Fälle anspricht und sagt, hier müssten wir etwas machen. Andererseits müsste man, wenn man dieses Problem nicht in den Griff kriegt

Herr Focke, letzter Satz, bitte!

- ja, letzter Satz -, die auslandspädagogischen Maßnahmen streichen. Das wollen wir aber nicht, weil wir in diesem Bereich sehr große Erfolge haben. Deshalb können wir uns gern über die Einzelfälle unterhalten. Im Gros aber müssen wir sehen, dass dies doch sehr erfolgreiche Projekte sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich sehe nicht, dass erwidert werden soll. Dann kommen wir in der Reihenfolge der Redner zu - - -

(Der Lautsprecher im Redepult rauscht - Der Präsident schaltet sein Mikrofon ab)

Meine Damen und Herren, ich denke, Sie können mich auch so verstehen.

(Zurufe: Nein!)

- Ich bitte, zu überprüfen, woran es liegt, dass es hier so rauscht. Vielleicht kann das hier in der Zwischenzeit einmal überprüft werden. - Ich rufe jetzt den Redner auf. Das ist Herr Perli von der Fraktion DIE LINKE.

(Björn Thümler [CDU]: Jetzt weiß ich auch, warum es rauscht!)

So schnell ist die Stille wieder da.

Schönen guten Tag, meine Damen und Herren, Herr Präsident! Intensivpädagogische Maßnahmen sind ein wichtiges Instrument im Umgang mit sogenannten Problemkids. Sie können ein Rettungsanker für diese Jugendlichen sein, die aufgrund von komplexen Problemlagen kaum noch eine Chance auf ein Leben haben, dessen Grundgerüst nicht aus Faktoren wie Drogenmissbrauch, Gewaltbeziehungen oder Kriminalität besteht.

(Norbert Böhlke [CDU]: Prostitution haben Sie vergessen!)

Intensivpädagogische Auslandsprojekte können hierbei als ein räumlicher Bruch hilfreich sein. Sie sind vom Grundsatz her durchaus eine richtige Option. Genau deshalb müssen die bestehenden Missstände dringend abgestellt werden. Der SPDAntrag sieht hierfür eine Reihe zielführender Maßnahmen vor und findet daher unsere Unterstützung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Diese Unterstützung gilt für die Bundesratsinitiative zur Einführung von zentralen Meldestellen in den Bundesländern, wo diese Projekte betreut werden. Sie gilt aber auch der Erstellung von landesweiten Richtlinien für diese Projekte. Ganz besonders gilt unsere Unterstützung der Wiedererrichtung des Landesjugendamtes, welches dann die Funktion der Fach- und Rechtsaufsicht übernehmen könnte.

CDU und FDP hingegen scheint es egal zu sein, was in den Auslandprojekten passiert; denn die sind ja weit weg von Niedersachsen. Sie ignorieren auch die Stellungnahmen der Expertinnen und Experten. Anstatt zumindest Gegenvorschläge zu machen, redet sich die Regierungsseite mit hanebüchenen Argumenten heraus.

(Ansgar-Bernhard Focke [CDU]: Mit welchen?)

Es sei ein Akt der Bürokratisierung und ein Eingriff in die Rechte der Jugendhilfeträger, heißt es. Nein, das stimmt so aber nicht. Es wäre für die Arbeit der Träger sogar eine große Hilfe, wenn es in Niedersachsen einheitliche Richtlinien und eine zentrale Anlaufstelle für diese Auslandprojekte gäbe.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Landesregierung hat uns mit dem Kindergefängnis in Lohne gezeigt, welche intensivpädagogischen Maßnahmen sie für richtig hält. Keine Sekunde denken Sie daran, dass den Kindern hier Unrecht geschieht. Unser Antrag zur Schließung dieser Einrichtung wurde im Ausschuss im Schnelltempo vom Tisch gefegt. Nicht einmal zu einer gemeinsamen Ortsbesichtigung konnte man sich durchringen; von einer Expertenanhörung ganz zu schweigen. Das ist stillos, und es ist auch unverantwortlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, soziale Probleme bei Kindern und Jugendlichen lassen sich weder durch Wegsperren beseitigen noch einfach ins Ausland abschieben. Wenn Sie schon so wenig Interesse an den Kindern zeigen, so sollten Sie doch wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass hier Steuergelder für mangelhafte Projekte verschleudert werden. Intensivpädagogische Maßnahmen sind selbstverständlich auch kostenintensiv. Wenn damit aber Erfolge erzielt werden können, sind sie das zu Recht. Es geht schließlich um die Zukunftschance sehr problembelasteter Kinder und Jugendlicher.

Herr Kollege Perli, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Vockert?

Sie müssen sich mal entscheiden. Es gibt ja schon die Kurzintervention. Ich wollte mich eigentlich - - -

(Astrid Vockert [CDU]: Ich habe doch nur eine Frage!)