Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

Auch die Umstellung auf Kerncurricula - Frau Kollegin Korter, damit gehen wir natürlich in die Sa

che; das alles wollten Sie ja nicht - wirkt einer Überfrachtung der Lerninhalte entgegen. Es gibt dort weniger verbindliche Inhalte. Inhalte sind jetzt eher exemplarisch für die letztendlich wichtigen Kompetenzen, die die Schüler am Ende des Lernprozesses haben sollen, zu nutzen. Das erfordert eine stärkere Auswahl und eine Reduktion. Genau an dieser Stelle sind wir bei Ihrem Problem.

Fragen wir nun: Wie würde denn die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 praktisch aussehen? - Landesweit müssten Sie - das ist auch von Herrn Poppe angesprochen worden - zwei Systeme haben. Denn jeder Schüler müsste im Falle eines Umzugs ein Gymnasium mit derselben Laufgeschwindigkeit in Reichweite wiederfinden. Das ist im Flächenland Niedersachsen unmöglich. „Flächenland Niedersachsen“ - das haben Grüne und Linke gerade bei dem Tagesordnungspunkt zuvor eindeutig betont. Nehmen Sie es bitte auch hier zur Kenntnis.

Selbst in Nordrhein-Westfalen, wo man diese Option angeboten hat, ist vom Schulministerium eindeutig gesagt worden: Wer sich nunmehr für G9 entscheide, da viele G8 machen, der müsse hinterher sein Abitur woanders machen als unter Umständen am Gymnasium. Nordrhein-Westfalen ist sehr viel dichter besiedelt als Niedersachsen. Vielleicht setzen Sie sich doch einmal mit der Schulministerin in Nordrhein-Westfalen, die grün ist, in Verbindung.

Meine Damen und Herren, erst recht chaotisch würden die Verhältnisse natürlich, wenn G8 und G9 parallel an einer Schule greifen sollten. Dann bräuchten Sie nämlich eine Mammutschule, die Sie ansonsten kritisieren. Denken Sie auch einmal an den Organisationsaufwand. Das, was wir jetzt einmalig bei dem doppelten Abiturjahrgang haben, würden Sie zum Dauerzustand erheben. Machen Sie sich das bitte klar!

Ich frage Sie: Wollen Sie das, wofür Sie uns monatelang gescholten haben, selbst noch toppen? - Mit Ihrem Gesetzentwurf sind Sie auf diesem Wege.

Noch eine Ungereimtheit: Sie behaupten, haushaltsmäßige Auswirkungen habe das Ganze nicht. - Das ist natürlich Unsinn. Denn Sie schicken die Schüler ja nicht eher nach Hause, nur weil Sie die Pflichtstunden bis zum Abitur um ein Jahr strecken.

Ich frage Sie zum Schluss: Wer will eigentlich die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9? - Auf die NDRUmfrage sind wir bereits eingegangen. Sehen Sie doch einmal nach Nordrhein-Westfalen, wo die

grüne Schulministerin genau diese Option im September angeboten hat! Von den 630 Gymnasien in Nordrhein-Westfalen haben keine 15 - es waren 13 oder 14 - dieses Angebot wahrgenommen. Gucken wir dann einmal in die große Stadt Essen: Bereits nach wenigen Wochen haben sich dort 19 von 20 Gymnasien eindeutig dagegen ausgesprochen. Gerade dort hätte man wegen der Dichte der Gymnasien am ehesten zwei Systeme haben können.

Meine Damen und Herren, es stellt sich nun die Frage: Was sollen wir eigentlich mit diesem Gesetzentwurf anfangen? - Auch da gehe ich noch einmal auf Nordrhein-Westfalen ein. Ist die dortige Schulministerin eigentlich traurig über das Ergebnis? - Nein. Dort sagte eine Sprecherin:

„Das zeigt uns doch, dass sich das G8 gefestigt hat. Wir werten das als Erfolg“.

Liebe Frau Korter, ich empfehle den niedersächsischen Grünen Gespräche mit den Grünen in Nordrhein-Westfalen und freue mich, wenn etwas davon in unsere Beratungen einfließt.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin BertholdesSandrock. - Frau Kollegin Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich mit einer Kurzintervention zu Ihrer Rede zu Wort gemeldet.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Frau Korter, sind Sie jetzt so unter Argumentati- onsdruck, dass Sie - - -)

- Herr Klare, Sie können nachher gerne für die CDU-Fraktion antworten. Aber jetzt hat Frau Korter das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich muss hier einige sachliche Missverständnisse aufklären.

(Ulf Thiele [CDU]: Haben Sie einen missverständlichen Gesetzentwurf eingebracht?)

- Herr Thiele, wenn Sie zuhören würden, dann würden Sie wissen, worum es geht.

Erster Punkt. Frau Bertholdes-Sandrock, in Nordrhein-Westfalen haben 14 Schulen entschieden, das mitzumachen. Wenn es nur 14 von über 600

sind, wovor haben Sie dann eigentlich Angst? Warum räumen Sie den Eltern und den Schulvorständen diese Freiheit nicht ein? Sie gehen davon aus, dass das Turboabi super ist. Dann wird doch gar kein Gymnasium diese Möglichkeit in Anspruch nehmen! Dann ist es doch kein Problem für Sie.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Dann brau- chen wir auch keinen Gesetzentwurf!)

Geben Sie den Schulen doch die Freiheit! Ich gehe davon aus, dass sich z. B. in einer großen Stadt die Gymnasien sehr gut absprechen könnten, wer welchen Schwerpunkt und wer welche Geschwindigkeit anbieten kann. Das Gleiche gilt für die Gesamtschulen. Ich vertraue da auf die Einsicht und die klugen Absprachen der Schulen.

Zweiter Punkt. Wir schaffen damit keinen Flickenteppich und auch kein zweites Schulsystem. Wir haben jetzt die Beruflichen Gymnasien mit dem Abitur nach Klasse 13. Wir haben die Waldorfschulen. Wir haben die Oberschulen in Bremen mit dem Abitur nach Klasse 13; dorthin gehen auch Schüler aus dem Umland. Wir haben in der ganzen Bundesrepublik ganz verschiedene Schulen mit verschiedenen Abiturgeschwindigkeiten. Und dann wollen Sie mir sagen, das sei hier nicht möglich?

Letzter Punkt. Wenn Sie uns empfehlen, in Nordrhein-Westfalen nachzufragen - das haben wir natürlich vorher getan -, dann empfehle ich Ihnen: Fragen Sie doch einmal in Schleswig-Holstein nach! In Kiel gibt es - - -

Das war jetzt auf die Sekunde genau der Schlusspunkt. Perfekt! - Frau Kollegin Sandrock, selbstverständlich haben Sie die Möglichkeit zu antworten. Frau Bertholdes-Sandrock hat das Wort.

Frau Korter, erstens kann man ganz kurz fragen - Sie haben die Zahl nicht bestritten und werden nicht bestreiten, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen dort im Grunde nicht wissen, was sie tun -: Warum wollen Sie in Niedersachsen das einführen, was woanders gescheitert ist?

Zweitens. Sie sagen, man könne sich absprechen. Sind die 630 Gymnasien und die vielen Tausend Lehrer in Nordrhein-Westfalen eigentlich unterbelichtet, dass sie sich nicht absprechen wollen? Da müssen Sie einmal hingehen!

Drittens. Sie sagen, es entstünde kein Flickenteppich. Sie können in Niedersachsen nicht Gymna

sien mit zwei verschiedenen Laufzeiten haben, die für Schüler in der Fläche erreichbar sind. Sie haben selber vom Ausweichen gesprochen. Selbst in Nordrhein-Westfalen ist den Schülern eindeutig gesagt worden: Wer sich für G9 entscheidet, wenn es viele Gymnasien mit G8 gibt, der muss sehen, dass er sein Abitur woanders macht, z. B. an einer Gesamtschule.

Wollen Sie einem Schüler, der in der 10. oder 11. Klasse des Gymnasiums umzieht, ernsthaft zumuten, woanders auf eine Waldorfschule zu gehen, die unter ganz anderen Voraussetzungen arbeitet? Wissen Sie, dass Ihr Vorschlag verdammt weltfremd ist?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Althusmann das Wort. Bitte schön!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mir angewöhnt - das werden Sie vielleicht kaum gemerkt haben -, zur ersten Beratung des Parlaments gar nicht das Wort zu ergreifen. Aber möglicherweise habe ich überhaupt keine Chance, bei der zweiten Beratung noch etwas zu sagen, weil der Gesetzentwurf bis dahin möglicherweise zurückgezogen wird.

(Jens Nacke [CDU]: Mit Sicherheit!)

Von daher muss ich jetzt in aller Kürze die Gelegenheit nutzen.

Weil das hier bisher überhaupt keine Rolle gespielt hat, möchte ich mich zunächst einmal bei den 238 Gymnasien und den 19 Kooperativen Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe sowie bei den Lehrkräften und den Schulleitungen in Niedersachsen dafür bedanken, dass 50 000 Abiturienten ihr Abitur in Niedersachsen völlig geräuschlos absolvieren konnten. 200 000 Klausuren wurden korrigiert, ebenfalls im Wesentlichen geräuschlos, ohne Probleme.

(Lothar Koch [CDU]: Sehr richtig!)

Im Kern können wir feststellen: In Niedersachsen wurde das doppelte Abitur so gut vorbereitet, dass wir jetzt wahrscheinlich einen Wettbewerb dahin gehend bekommen, ob die beste Abiturientin oder der beste Abiturient in diesem Jahr aus dem G8- oder aus dem G9-Abitur stammen wird. Das ist

eine ganz hervorragende Leistung all unserer Schulen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte noch etwas erwähnen, was hier zu wenig herausgestellt worden ist: Die Schülerinnen und Schüler, die sich in den letzten Monaten im doppelten Abitur befunden haben und sich in den letzten Jahren auf diese Prüfung vorbereitet haben, haben das sehr konzentriert gemacht. Sie haben das ganz überwiegend, Frau Korter, ohne das eingangs in Ihrem Statement dargestellte Wehklagen, ohne rote Augen gemacht. die Behauptung, wir hätten das G8 unter bewusster Inkaufnahme einer Gefährdung der Gesundheit von Kindern eingeführt, finde ich wirklich unangemessen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinz Klare [CDU]: Eine Unver- schämtheit! )

Wissen Sie, was ich mir wünsche? - Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann wäre es der, dass die Menschen in Baden-Württemberg relativ schnell erleben, was es heißt, einen grünen Ministerpräsidenten mit einer grün-roten Regierung zu haben, dass sie erkennen, was deren Bildungspolitik in der Realität bedeutet.

Ich fand es tatsächlich sehr erstaunlich, dass Ihr Gesetzentwurf hier in Niedersachsen von den Sozialdemokraten und selbst von der Linken quasi zerlegt wurde. Ich habe lange nicht mehr erlebt, dass sozusagen die versammelte Opposition gegen einen Gesetzentwurf der Grünen ist, der nach dem Motto daherkommt: Mehr Freiheit wagen! Mehr Bürgerrechte! Wir geben den Menschen in Niedersachsen zurück, was ihnen die böse CDU/FDP-Koalition genommen hat. - Dieser Gesetzentwurf wird sozusagen schlichtweg zu den Akten gelegt.

Frau Korter, vielleicht gestehen Sie sich einmal zu - das kann jeder für sich in Anspruch nehmen, auch ich -, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf einfach auf dem Holzweg sind, weil ihn niemand in Niedersachsen haben will.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, um mit Herrn Poppe zu sprechen: Das ist eine ziemliche Eselei, die hier auf den Weg gebracht wurde.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das hat er nicht gesagt!)