Aber ich will noch einmal sagen, warum das notwendig ist. Ich glaube, das kam eben etwas zu kurz. Das ist wohl auch die Aussage, die öffentlich gemacht wurde. Sie wissen genau, dass quasi Jahre verschenkt worden sind. Wir hätten schon längst fertig sein müssen. Jetzt müssen wir die Zeit wirklich nutzen. Wenn wir den Hafen in Betrieb nehmen und von einer zweiten Baustufe reden, aber darüber diskutieren, dass Gleise fehlen und Ertüchtigungen durchgeführt werden müssen, die nun einmal zu erheblichen Beeinträchtigungen führen, dann, Herr Bode, Herr McAllister, erklären Sie mir, warum wir heute nicht einen konsequenten Beschluss fassen können, der deutlich macht, dass wir die Hinterlandanbindung 2014 fertig haben wollen, mit dem Sie am Freitag und Samstag der Bundesregierung gegenübertreten, in dem wir hier gemeinsam sagen: Wir schaffen das! - Warum gelingt Ihnen das nicht? Das wäre einmal eine Aussage gewesen, indem wir einen gemeinsamen Beschluss fassen. Dann stehen wir auch gemeinsam hinter dem Projekt. Aber Ihre windelweichen Aussagen helfen niemandem weiter. Dahinter verstecken Sie sich. Das ist es, was Sie erreichen wollen.
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Lies, eben hatten Sie in einem Zwischenruf noch der zweigeteilten Finanzierungsvereinbarung zugestimmt. Wenn man der Teilung zustimmt, kann man natürlich irgendwann nur zwei getrennte Finanzierungsvereinbarungen übergeben bekommen. Es ist eine Sache zwischen Bund und Bahn. Wann die das machen, müssen sie unter sich ausmachen.
Ich fände es gut, wenn dieser Landtag ein geschlossenes, fast einstimmiges Votum - ein wirklich einstimmiges Votum werden wir wohl nicht erreichen - abgeben würde, dass uns stärkt und uns nach vorne bringt. Es liegt in Ihrer Hand. Sie
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält zusätzliche Redezeit von zwei Minuten, Herr Kollege Hagenah.
(Olaf Lies [SPD]: Ist das der Antrag des Ministers? Ich dachte, das wäre der Antrag der Fraktionen gewesen! Ich meine nur!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Bode, was Sie eben vorgeführt haben, ist ein klassisches Versprechen von Wolkenkuckucksheimen in die Zukunft hinein, um in der Gegenwart nicht liefern zu müssen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist ja eigentlich eure Spezialität!)
Der im Planfeststellungsbeschluss festgelegte Lärmschutz für Oldenburg mag vielleicht nicht klagerelevant sein. Er war aber eine politische Aussage, an die sich diese Regierung gebunden hat. Sie trägt seit acht Jahren die Verantwortung und hätte die Planung seit acht Jahren vorantreiben können. Sie sind vor zwei Jahren völlig von der Bahn überrascht worden als die Kosten explodierten. Sie haben es ganz offensichtlich die ersten sechs Jahre liegen lassen. Jetzt läuft Ihnen die Zeit davon.
Heute haben Sie das zaghafte neue Versprechen gegeben, bei bestmöglichem Verlauf könne die Alexanderstraße im Jahr 2016 fertig gebaut sein und dann könne mit dem Lärmschutz in Oldenburg begonnen werden. Das ist wieder ein völlig ungedeckter Scheck. Sie haben null Zusagen vom Bund für diese Finanzierung. Wir sind in der Situation, dass der Bund nach dem Bundesverkehrswegeplan 2012 kein einziges neues Projekt beginnt. Das macht deutlich, wie leer die Kassen dort sind.
Sie haben nichts in der Hand. Sie haben keinerlei Zusagen, weil Sie das schlichtweg nicht zur Bedingung gemacht haben. Ihnen ist von Bundesseite einmal das komplette Projekt zugesagt worden. Als die Kosten wegliefen, haben Sie gegenüber Ihrer Regierung, die dort sitzt, nicht die Daumenschrauben angesetzt. Sie müssen das in diesem Land vertreten. Sie sind dafür die Sachwalter. Sich hier hinzustellen und zu sagen, man könne den JadeWeserPort zum Experimentierfeld für Flüsterwagen machen - das sind die mit den neuen Kunststoffbremsen -, das kann nur jemand machen, der Nebelkerzen in den Saal werfen will.
Ein Hafen ist ein Betrieb, der von allen möglichen Plätzen Europas beliefert wird. Sie müssten überall ein Kontingent dieser Flüsterbremsenwagen haben, die nach Oldenburg fahren, damit ab Oldenburg saubere Wagen wegfahren, die nur mit Flüsterbremsen ausgestattet sind. Eine einzige Taigatrommel, ein einziger Wagen aus Altbeständen innerhalb eines ganzen Zuges macht Lärm, der alle Leute aus den Betten wirft. Die von Ihnen dargestellte Variante, das als Sonderprojekt mit Brüssel auszuhandeln, ist ein Witz.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/2517 in geänderter Fassung annehmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt.
Besprechung: Transport eines Castorbehälters mit hoch radioaktivem Müll in das Zwischenlager Gorleben: Bilanz 2010 - Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3281 - Antwort der Landesregierung - Drs. 16/3592
Wir kommen zur Besprechung. Nach § 45 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung wird zu Beginn der Besprechung einer der Fragestellerinnen oder einem der Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann
erhält es die Landesregierung. Zunächst erteile ich jetzt Herrn Kollegen Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Besten Dank, Herr Präsident. - Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen zu einem weiteren sehr schwierigen Gütertransport in diesem Staat. Wahrscheinlich ist er sogar noch schwieriger und anspruchsvoller als der Abtransport der Güter aus dem JadeWeserPort. Hintergrund unserer Anfrage war der größte Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Über 50 000 Demonstranten waren im Landkreis Gorleben. Hinzu kamen 20 000 Polizisten und Einsatzzeiten von über 30 Stunden mit Kosten von über 30 Millionen Euro. Wir finden nach wie vor, das ist ein sehr guter Grund, das noch einmal in aller Breite parlamentarisch aufzuarbeiten. Wir wollten wissen, wie viele Verletzte es auf beiden Seiten gegeben hat, welche Straftaten begannen worden sind, wie damit verfahren worden ist, welche Kosten der Einsatz nach sich gezogen hat, und natürlich auch - das ist die ganz entscheidende Frage - wie das dort eigentlich weitergehen soll, welche Alternativen geplant sind.
Am Ende der Debatte ist das entscheidende Fazit zu ziehen, welche Konsequenzen die Landesregierung eigentlich daraus zieht, dass sich eine Region, ein Landkreis seit über 30 Jahren gegen ein atomares Endlager wehrt. Ein erstes Fazit möchte ich gleich ganz am Anfang ziehen. Ich jedenfalls finde, dass Polizeieinsätze und Demonstrationen bzw. Versammlungen mit dieser Größe, mit diesen Problemlagen und Kosten den Menschen schlicht und ergreifend nicht mehr zumutbar sind. Wir müssen endlich Alternativen zu diesem HerkulesEinsatz finden. Wir müssen uns der Debatte stellen, dass wir eine komplett neue Endlagersuche in der Bundesrepublik brauchen.
Natürlich ist klar, dass wir eine Rücknahmeverpflichtung für die abgebrannten Brennelemente haben. Natürlich ist es klar, dass es Völkerrechtsverträge gibt, die einzuhalten sind. Natürlich müssen wir diesen gefährlichen Müll zurücknehmen. Das stellt niemand infrage. Ich habe aber ehrlich gesagt bis heute nicht wirklich verstanden, warum man den wiederaufgearbeiteten Müll aus Frank
reich unbedingt durch die ganze Republik in den Landkreis Gorleben karren muss, um ihn dort oberirdisch in einer Aluminiumblechhütte abzulagern. Das versteht der Mensch doch nicht wirklich. Das verstehen auch die Leute im Landkreis LüchowDannenberg nicht.
Deswegen besteht immer wieder der große Frust, weil man den Leuten immer wieder zusagt, das ganze Endlagersuchverfahren ist ergebnisoffen. Mit jedem weiteren Castor, den Sie in den Landkreis durchprügeln - so muss man es wirklich nennen -, werden die Leute das Gefühl nicht los, hier wird ein Endlagerstandort präjudiziert oder zementiert. Deswegen ist die Protestkultur auf der einen Seite nachvollziehbar, wichtig und notwendig, auf der anderen Seite aber auch nicht ansatzweise für die nächsten Jahre zur Ruhe zu bringen, wenn wir das ganze Verfahren nicht komplett neu aufrollen.
Seit dem letzten Castortransport hat es etwas welthistorisch zwar nicht ganz Neues gegeben, aber es hat neue Ereignisse gegeben, die uns alle sehr zum Nachdenken gebracht haben. Wir hatten nach der Katastrophe in Fukushima den zweiten Super-GAU auf der Erde. Wir hatten ein Risikoszenario der Stufe 7.
Deswegen haben wir momentan eine neue Energiepolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Das kann auch eine große Chance dafür bedeuten, wie wir zukünftig mit der ganzen Problemlage in Gorleben umgehen. Wenn wir es in dem momentan anstehenden Verfahren in der Bundesrepublik schaffen, zu einem breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens zu kommen und neu bedenken, was wir in der Vergangenheit mit der politischen Vorfestlegung auf Gorleben gemacht haben, dann kann man mit den Leuten in LüchowDannenberg ganz anders reden; denn dann haben wir ein verbindliches und festes Ausstiegsszenario, wenn wir sagen, wir wollen schnellstmöglich und frühzeitig mit konkreten zeitlichen Daten aus der Atomenergie ausscheiden. Daraus darf die Endlagersuche nicht ausgeklammert werden. Das Endlagersuchverfahren muss mit der Debatte verkoppelt werden. Dann haben wir eine ganz andere Ausgangslage dafür, wie sich die Leute im Landkreis Lüchow-Dannenberg zukünftig verhalten werden.
Zur Bilanz des Castortransportes 2010: Ich halte noch einmal fest, dass sich die weit überwiegende Menge sowohl der Demonstranten als auch der Polizisten friedlich, rechtstreu und verhältnismäßig
verhalten hat. Das wird aus der Anfrage, die wir an die Landesregierung gerichtet haben, überdeutlich. Das hatten wir auch in der ersten Debatte festgestellt. Das ist übrigens auch bei allen anderen AntiAtom-Demos in der Republik mit mehreren Hunderttausend Teilnehmern der Fall gewesen. Nach dem Castortransport hatten wir in der ganzen Republik viele Anti-AKW-Demos. Diese sind überwiegend sehr friedlich und gemäßigt verlaufen.
Für meine Fraktion will ich noch einmal ganz deutlich sagen, Gewaltaktionen gegen Sachen und Menschen haben keinerlei Berechtigung. Sie sind ganz klar zu verurteilen. Das stellt niemand infrage. Brandsätze und Feuerwerkskörper haben mit dem Friedlichkeitsgebot überhaupt nichts zu tun. - Herr Schünemann, es wäre schön, wenn Sie zuhören würden.
Herr Schünemann, es wäre sehr sinnvoll, wenn sich einzelne Polizeipräsidenten, die Ihrem Verantwortungsbereich unterstellt werden, nicht in der Öffentlichkeit mit der Positionierung zu Wort melden würden, dass bei den Protesten mit scharfer Munition geschossen worden sei. Das haben einzelne Polizeipräsidenten nämlich auch gemacht, insbesondere der Oldenburger. Bei diesen Protesten ist nicht mit scharfer Munition geschossen worden. Es gab teilweise fragwürdige Gewaltanschläge; das stelle ich überhaupt nicht infrage. Aber es ist natürlich nicht mit scharfer Munition auf irgendjemanden geschossen worden.
Friedliche Sitzblockaden sind demgegenüber eindeutig durch das Recht abgedeckt, und sie werden auch weiterhin - das kann ich Ihnen schon jetzt zusagen - in großer und breiter Masse praktiziert werden. Es ist das gute Recht der Versammelten, diese Aktionsformen zu nutzen.
Aber wie gesagt: Der Polizeieinsatz war in der Gesamtschau von Verhältnismäßigkeit und Professionalität gekennzeichnet. Teilweise haben die Polizisten - das haben wir übereinstimmend festgestellt - bis an den Rand der Erschöpfung gearbeitet.
Aber es gab natürlich auch - das ist aus unserer Anfrage auch deutlich geworden - Rechtsverstöße vonseiten der Polizisten. Es gab nicht nur Rechtsverstöße aufseiten der Demonstranten, sondern auch aufseiten der Polizisten. Teilweise gab es einen unverhältnismäßigen Einsatz - so will ich es einmal sagen - von Pfefferspray gegen wehrlose Menschen, und es gab auch nicht immer die gesetzlich vorgeschriebenen richterlichen Vorführungen bei Ingewahrsamnahmen. Das Problem ist übrigens nicht neu. Das gibt es immer wieder einmal. Immer wieder haben auch Obergerichte festgestellt, dass einzelne Einkesselungen schlicht und ergreifend rechtswidrig waren oder dass es rechtswidrig war, dass es nicht zu den schnellen richterlichen Vorführungen gekommen ist.