Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Es ist wohl unstrittig, dass gute Kindertagesstätten die Bildungschancen aller Kinder nachhaltig verbessern, weil sie ganz unten ansetzen. Gute Kindertagesstätten bringen auch volkswirtschaftlich schon kurzfristig deutlichen Gewinn. Sie ermöglichen die Erwerbstätigkeit beider Eltern und führen so zu Mehreinnahmen des Staates. Deshalb ist es einfach kurzsichtig, gerade bei den Kindertagesstätten zu sparen.
Unsere Anfrage hat sehr deutlich bestätigt, dass Niedersachsen im Bereich der frühkindlichen Bildung im Ländervergleich noch immer ganz hinten steht. Da nützt es auch nichts, die Lage schönzureden, wie das hier gleich geschehen wird, indem man den großen prozentualen Anstieg betont. Wenn man von ganz wenig kommt, sieht auch eine leichte Verbesserung prozentual nach ganz viel aus.
Letzter Satz: Die Landesregierung sollte endlich ihren schönen Worten Taten folgen lassen, damit die Kurzen in Niedersachsen nicht länger zu kurz kommen.
Meine Damen und Herren, nach unserer Geschäftsordnung spricht nach der einbringenden Fraktion die Landesregierung. Herr Dr. Althusmann hat ums Wort gebeten. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es überrascht nicht, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Frau Korter - entweder bewusst, zum Teil bewusst oder inzwischen fast unbewusst - ein völlig verzerrtes Bild von der Situation der frühkindlichen Bildung in Niedersachsen zeichnen.
Meine Damen und Herren Kollegen, Sie werden mir sicherlich recht geben, dass man in die Statistik sehen sollte, um herauszufinden, wie die tatsächliche Situation in Niedersachsen - auch im Vergleich mit anderen Bundesländern - aussieht.
Bevor ich auf die eigentliche Beantwortung eingehe, möchte ich vier Punkte aufgreifen, die Sie, Frau Korter, der Öffentlichkeit aus meiner Sicht völlig falsch oder zumindest missverständlich dargestellt haben.
Erstens. Sie haben die Kindergartenversorgung in Niedersachsen angesprochen und gesagt, dass wir da quasi Schlusslicht seien. Vielleicht sollten Sie dazu sagen, dass alle Bundesländer sich im Prinzip in einem Rahmen von 90 bis 95 % bewegen. Wir als Land Niedersachsen liegen ausweislich der Zahlen des Statistischen Bundesamtes bei den Drei- bis Sechsjährigen bei knapp 90 %.
Sie erwähnen dabei nicht, dass das Bundesland Bayern ebenfalls eine Kindertagesbetreuungsquote im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen von 90 % hat. Sie erwähnen auch nicht, dass wir immerhin 1 377 Kinder in der öffentlichen Kindertagespflege haben. Das sind dreimal so viele Kinder wie in
Bayern. Sie erwähnen in diesem Zusammenhang auch nicht, dass es zwischen den Bundesländern große Unterschiede gibt, was die Frage betrifft, ab wann die Eltern ihre Kinder tatsächlich in eine Kindertageseinrichtung geben. Sie erwähnen nicht, dass die Bundesländer unterschiedliche Strukturen in Bezug auf die Beitragsfreiheit haben.
Wer statistische Zahlen miteinander vergleicht, der stellt fest: Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 92,2 %. Das heißt, mit knapp 90 % liegt Niedersachsen keinesfalls im Nirvana, sondern wie viele andere Bundesländer auch in einem ordentlichen Durchschnitt. Im Übrigen darf man dies auch nicht mit den Zahlen vergleichen, die sich in den nächsten Jahren insbesondere durch die Verschiebungen zwischen dem Kita-Bereich, wo die Kinderzahlen eher zurückgehen werden, und dem Krippenbereich ergeben werden.
Zweitens. Sie sagen, das Niedersächsische Kindertagesstättengesetz sei in den letzen Jahren nicht angefasst worden und wir lägen immer noch bei einer Kindergartengruppengröße von 25. Auch da ist ein Blick in die Realität angebracht, und die Unterschiedlichkeit der regionalen Strukturen in Niedersachsen ist zu beachten. Es ist ein Unterschied, ob ich eine Kindertagesstätte im Raum Cloppenburg betrachte, wo teilweise noch ein Bevölkerungszuwachs herrscht, gerade was die Geburtenjahrgänge betrifft, oder ob ich eine Kindertagesstätte im Harz oder in Hannover betrachte.
Als Standard haben wir eine Gruppengröße von 25 vorgegeben. Aber die durchschnittliche Kindergartengruppengröße liegt bei nur 20 Kindern. Natürlich beträgt sie in einzelnen Regionen auch 25. Aber wir erleben, dass eine Vielzahl von Kommunen - ich kann das auch für meine eigene Kommune Lüneburg sagen - noch zusätzlich Voraussetzungen schafft, um unter dem Landesdurchschnitt zu bleiben.
Das heißt, man darf dabei nicht ausblenden, dass die Rahmenbedingungen im Bereich der Kindertagsstätten zum großen Teil mit den Trägern zusammenhängen und dass wir in Niedersachsen eine sehr unterschiedliche Trägerstruktur haben. Zwei Drittel aller Träger von Kindertagesstätten sind Private - Arbeiterwohlfahrt, DRK und andere -, ein Drittel ist in kommunaler Hand.
Frau Korter, wenn Sie hier Zahlen in die Debatte werfen, um ein verzerrtes Bild zu zeichnen, bitte ich Sie, das auch einmal zur Kenntnis zu nehmen und fair damit umzugehen.
Drittens. Frau Korter, Sie haben allen Ernstes behauptet, dass der Orientierungsplan, der von der Landesregierung für unsere Kindertagesstätten auf den Weg gebracht wurde, nicht verbindlich sei. Das ist schlichtweg falsch. Der Orientierungsplan ist sehr wohl verbindlich. Alle, die daran mitgewirkt haben - die Landesregierung, die beteiligten Verbände und die kommunalen Spitzenverbände -, haben ihn unterschrieben. Sie haben gesagt: Genau das ist der Rahmen, den wir brauchen.
Aber es gibt in der Tat ein Problem. Mit dem Orientierungsplan wird in den Kindertagesstätten nämlich durchaus unterschiedlich umgegangen. Ich selber habe in den letzten Jahren mehrere Kindertagesstätten besucht, auch ganztägig. Einige Kindertagesstätten gehen fast wissenschaftlich an die Umsetzung des Orientierungsplanes heran und geben den Eltern z. B. auch schriftliche Entwicklungsberichte an die Hand. Andere Kindertagesstätten hingegen - vornehmlich im ländlichen Raum - gehen etwas freier mit dem Orientierungsrahmen um.
Sie haben auch unerwähnt gelassen, dass wir in Niedersachsen in Kürze eine Novellierung des Orientierungsplans auf den Weg bringen werden, in deren Rahmen wir uns insbesondere mit der Frage der Sprachförderung auseinandersetzen werden.
Frau Korter, ich will es einmal so sagen: Wir leben im Bereich „frühkindliche Bildung und frühkindliche Erziehung“ nicht auf dem Baum. Wir sind auch nicht in der Steinzeit, sondern wir sind auf der Höhe der Zeit. Bitte nehmen Sie das endlich zur Kenntnis.
Viertens. Frau Korter, Sie haben unter Hinweis auf die Universität Trier gesagt, dass die Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten nicht mit dem Orientierungsplan umgehen könnten, dass es im Umgang mit dem Orientierungsplan große Unsicherheit geben würde. Wissen Sie, von wann die Zahl, die Sie genannt haben, stammt? - Sie wurde etwa ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Orientierungsplans im Jahr 2005 veröffentlicht. Das heißt, Sie stellen hier eine Zahl in den Vordergrund, die aus 2006 stammt.
Frau Korter, ich kann mich bei allem Bemühen um Fairness im Umgang nicht des Eindrucks erwehren, dass Sie versuchen, durch Heranziehung und
Vermischung einer Vielzahl von Daten und Fakten aus der Vergangenheit ein schlechtes Bild zu zeichnen. Ich finde aber, irgendwann sollten Sie sich auch selber einmal eingestehen, dass Sie in dieser Frage ein wenig offener und gesprächsbereiter sein müssten. Und Sie sollten vielleicht einmal anerkennen, dass diese Landesregierung in den letzten Jahren Erhebliches getan hat.
Es steht völlig außer Zweifel, dass eine der wesentlichen Herausforderungen künftiger Bildungspolitik ist, den Fokus auf die frühkindliche Bildung zu richten. Das gilt auch für den Einsatz unserer finanziellen Ressourcen Wir reden viel über Exzellenzinitiativen im Bereich der Hochschulen, aber ich finde, genau solche Exzellenzinitiativen brauchen wir in den nächsten Jahren auch im Bereich der frühkindlichen Bildung.
Sie ziehen tagein, tagaus durch die Lande - wobei ich mir nach der gestrigen Debatte nicht mehr ganz sicher bin, wohin Sie wirklich wollen -, um das Abitur nach 13 Jahren wieder einzuführen bzw. - gestern oder vorgestern haben Sie in dem Punkt aber eine Rolle rückwärts gemacht - ein chaotisches Wahlmodell auf den Weg zu bringen.
Ich möchte Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Ansatz, ein Jahr hinten dranzuhängen, vielleicht gar nicht der Ansatz ist, der tatsächlich zukunftsträchtig ist. Vielleicht ist es ja viel sinnvoller, früher anzufangen, also vorne ein Jahr dranzuhängen. Mit Ihrem 4 + 2-Modell sind Sie in Hamburg ja gerade erst gescheitert.
Wir wissen aus der Hirnforschung, von Herrn Roth und von Herrn Kordt, dass der Grundstein für den Spracherwerb im vierten bis sechsten Lebensjahr gelegt wird. Danach erfolgt nur noch die Feinaussteuerung.
Die Bildungspolitik muss ihren Fokus doch darauf richten, Probleme im Bereich der Sprachförderung früher anzugehen. Das ist doch besser, als zu versuchen, sie hinterher über ein großes Reparatursystem im Bereich Schule wieder aufzufangen.
Genau da wollen wir hin, genau in diese Richtung denken wir, und genau das habe ich heute Morgen im Rahmen der Mündlichen Anfrage versucht, Ihnen zu verdeutlichen. Es geht im Prinzip um einen Bildungsgang von 0 bis 10, also von 0 bis zum Ende der Grundschule.
Wer eine engere Verzahnung von Kindertagesstätten und Grundschulen will und wer eine weitere Zusammenführung der Grundschullehrerausbildung mit der Erzieherinnenausbildung andenkt, ist im Prinzip genau auf dem richtigen Weg. Aber das hat weitreichende Folgen. Bei diesen Überlegungen kann man die Kommunen nämlich nicht einfach außen vor lassen. Das Land trägt die Personalkosten schließlich nur zu 20 %, die Kommunen jedoch zu 80 %. Das heißt, wir müssen die Kommunen in unsere Überlegungen einbeziehen.
Ich habe kürzlich auf einer Veranstaltung zu fragen gewagt, warum wir eigentlich diese Unterscheidung zwischen 0 bis 3 und 3 bis 6 vornehmen. - Wenn überhaupt, gibt es dafür nur einen einzigen Grund, nämlich den finanziellen. Die Entwicklung der Kinder in diesem Alter ist, um es vorsichtig zu sagen, relativ heterogen. Insofern ist der Fokus der Bildungspolitik in den nächsten Jahren genau auf diesen Bereich zu legen.
Als KMK-Vorsitzender darf ich sagen, dass ich mir schon Gedanken darüber mache, dass in 14 Bundesländern 17 verschiedene Verfahren angewendet werden, um den Stand der Sprachentwicklung und um die Lesekompetenz bei Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren festzustellen. Wir in Niedersachsen machen ein Screening, wir machen einen „Fit für Deutsch“-Test, wir prüfen die Kinder sehr frühzeitig. Dazu haben wir ein standardisiertes Diagnoseverfahren, das vielleicht sogar besser ist als das, was in anderen Bundesländern gemacht wird.
In Nordrhein-Westfalen z. B. sind für die Sprachförderung die Erzieherinnen und Erzieher in der Kita zuständig. In Niedersachsen sind es die Erzieherinnen und Erzieher in Zusammenarbeit mit den Grundschullehrkräften. Davon höre ich eigentlich nur Gutes.
Die Unterstellung, wir würden hier nicht genug tun, ist nicht haltbar. Der Etat des Kultusministeriums für frühkindliche Bildung ist von immerhin 163,7 Millionen Euro in 2006 - ich habe schon deutlich gemacht, dass es hier nicht nur um Geld, sondern auch um Inhalte bzw. Qualität geht; Geld gehört aber natürlich auch dazu - auf 392,3 Mil
lionen Euro in 2010 gestiegen. Für 2013 weist die Mittelfristige Planung dafür mehr als 0,5 Milliarden Euro aus. Das ist nicht irgendetwas.
Gegen diese Zahlen können Sie nicht anbellen, Frau Korter. Wir haben unseren auch intensive Taten folgen lassen.