Protokoll der Sitzung vom 28.06.2011

(Beifall bei der CDU)

Für die CDU und die FDP kann ich sagen: Wir befinden uns weiterhin im Dialog mit vielen Beteiligten und sind damit ebenfalls bei der Arbeit.

Eines steht heute schon fest: Erfahrungen mit diesem Gesetz werden für die Weiterentwicklung ambulanter, teilstationärer und stationärer Pflege von Nutzen sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen um die gesellschaftlichen Herausforderungen im Pflegebereich, und wir nehmen sie an. Dieses Heimgesetz ist ein Beleg dafür. Wir werden dieses Engagement fortsetzen, und zwar besonnen,

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Das ist eine Drohung!)

zielstrebig, konsequent und im Dialog mit allen Interessierten zum Wohle der Menschen in Niedersachsen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Frau Kollegin Mundlos. - Zu einer Kurzintervention hat sich die Kollegin Helmhold

von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Bitte schön, Sie haben für anderthalb Minuten das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Mundlos, Sie haben eben darauf abgehoben, dass es mit dem Heimgesetz, das Sie heute beschließen wollen, zu einer Weiterentwicklung neuer ambulanter Angebote kommen soll. Ich möchte Ihnen aus einer Schrift vorlesen, die mir in den letzten Tagen zugegangen ist. Sie bezieht sich auf den Passus, in dem es jetzt heißt, dass es sich dann um ein Heim handelt, wenn die Überlassung des Wohnraums und die Erbringung der ambulanten Betreuungsleistung durch Personen oder Unternehmen erfolgt, die rechtlich oder tatsächlich verbunden sind. Ich zitiere aus diesem Schreiben:

„Tatsächlich ist es so, dass in der Realität nicht plötzlich sechs bis zehn demente Senioren eine Wohnung anmieten, einen Pflegedienst beauftragen und ihren Alltag organisieren. Meist ist der Anbieter ein Pflegedienst oder ein Wohnungsgeber.“

Oftmals wollen Wohnungsgeber - ich fasse das jetzt einmal zusammen - nicht Mietverträge mit sechs bis zehn dementen Menschen abschließen, sondern sie möchten sozusagen einen Generalunternehmer haben, der sozusagen das Risiko für Mietausfälle übernimmt. Dann schreibt die Dame:

„Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes in der derzeitigen Fassung fallen diese Wohngemeinschaften unter das Heimgesetz und sind damit per se von Schließung bedroht. In meinem Fall ist es so, dass von den derzeit 70 Mitarbeitern des Betriebs 4 im Büro arbeiten, 12 im ambulanten Dienst, 2 in der Tagesbetreuung und der Rest - immerhin 52 Personen - in den fünf Wohngemeinschaften beschäftigt sind. Eine Schließung der WGs hätte also zunächst zur Folge, dass diese 52 Personen arbeitslos werden. Die würden dann Abfindungen kriegen. Der Betrieb würde liquidiert werden müssen.“

Sie schreibt am Ende: Neben dem Verlust von - - -

Das können Sie jetzt leider nicht mehr vortragen, Frau Kollegin Helmhold. - Frau Kollegin Mundlos möchte antworten. Anschließend haben Sie Ihre normale Redezeit. Frau Mundlos, für anderthalb Minuten!

Frau Präsidentin! Liebe Frau Helmhold, ich glaube, dass Sie mit diesen Ausführungen dem, was wir mit dem Gesetz bezwecken, nicht gerecht werden. Hier wird etwas an die Wand gemalt, was in der Form nicht greifen und nicht zum Tragen kommen wird.

(Norbert Böhlke [CDU]: So ist es! Schwarzmalerei!)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir lassen nicht zu, dass Sie dieses moderne, nach vorne gewandte Gesetz damit schlecht machen bzw. vermiesen wollen. Das Gegenteil wird bewiesen werden.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu diesem Tagesordnungspunkt Frau Kollegin Helmhold das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf den Beweis sind wir sehr gespannt!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich stelle erst einmal fest: Die Landesregierung hat sich mit diesem Heimgesetz fünfeinhalb Jahre Zeit gelassen und hat es wieder einmal geschafft, bundesweites Schlusslicht zu werden, wie übrigens schon beim Behindertengleichstellungsgesetz.

(Zurufe von der FDP: Das stimmt doch gar nicht! - Norbert Böhlke [CDU]: Das stimmt nicht!)

Wenn dieses Gesetz wenigstens besonders gut und innovativ geworden wäre, wenn es bundesweite Standards gesetzt hätte, dann wäre das ja noch in Ordnung gewesen. Aber davon kann überhaupt keine Rede sein.

Schon der Name des Gesetzes zeigt, dass es sehr traditionellen Vorstellungen verhaftet bleibt. Es soll überhaupt nur für Heime Regelungen geben. Da gibt es lange und komplizierte Ausführungen darüber, was ein Heim denn nun eigentlich ist. Das

heißt, es gibt hier in Niedersachsen künftig nur Heim oder Nicht-Heim. - Das entspricht nicht der Wirklichkeit der Landschaft!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenigstens wurde auf Drängen der Opposition der Bereich Tagespflege noch aufgenommen. Allerdings finde ich, dass die Tagespflegeeinrichtungen mit der Übernahme der vollen Regelungsdichte für Heime überreguliert sind.

Wir Grünen haben Ihnen bereits im Jahre 2008 nach einer Anhörung der maßgeblichen Akteure Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt und, nachdem sich das bei Ihnen nun gar nicht wiederfand, einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der sich nicht nur im Namen - kurz: Hilfe- und PflegebedürftigenSelbstbestimmungsgesetz - erheblich von Ihrem unterscheidet. Wir schaffen ein abgestuftes Rechtsregime für unterschiedliche Formen von Einrichtungen, abhängig von dem Grad der Selbstbestimmung.

Naturgemäß besteht das größte Schutzbedürfnis für Menschen in Heimen. Aber auch in Wohngemeinschaften lebende Menschen sollen nach unseren Vorstellungen z. B. ein Recht auf Mitwirkung erhalten. Uns geht es um die Stärkung der Selbstbestimmung der Menschen. Wir wollen die Charta der pflegebedürftigen Menschen im Gesetz verankern. Sie beschreibt deren elementare Rechte und ist in der Bundesrepublik sehr breit konsentiert. Dazu gehört beispielsweise der Anspruch auf kultursensible Pflege ebenso wie das Recht auf Unterbringung in einem Einzelzimmer. Zwangsweise Unterbringungen mit wildfremden Menschen, mit denen man sich die intimsten Dinge teilen muss, darf es in diesem reichen Land nicht geben, meine Damen und Herren. So einfach ist es.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Uns geht es um eine weitestgehende Teilhabe der Menschen. Ein Einrichtungsrat in stationären Einrichtungen, ein Wohngruppenrat in ambulant betreuten Wohngruppen, umfassende Aufklärungspflichten von Einrichtungen und Behörden sowie Aufklärung über Beschwerdestellen sollen die Betroffenen zu Partnern auf Augenhöhe machen.

Wir wollen größtmögliche Transparenz. Die Menschen müssen wissen, welche Leistungen sie sich einkaufen. Deswegen wollen wir, dass jede Einrichtung im Internet die Öffentlichkeit über ihre Angebote und das Preis-Leistungs-Verhältnis informieren muss. Die Aufsichtsbehörden sollen ihre Prüfberichte veröffentlichen. Daraus soll ein regel

mäßiger Bericht des Ministeriums über die Situation der Wohnformen erstellt und dem Landtag zugeleitet werden. Daraufhin haben Sie im Ausschuss schon wieder von Bürokratie gesprochen. Das ist das Totschlagsargument an dieser Stelle. Denn die demografische Entwicklung wird uns im Bereich der Alten- und Behindertenhilfe vor immense Herausforderungen stellen. Ich fände es angemessen, wenn der Landtag diese Herausforderungen annehmen und sich regelmäßig auf der Grundlage valider Daten mit der Entwicklung in diesem Bereich beschäftigen würde. Übrigens hat auch der Bund regelmäßig einen Heimbericht vorgelegt.

Wir wollen den Betroffenen das Recht auf Einsicht in ihre Pflegeplanung bzw. Hilfe- und Förderplanung geben. Es wird nämlich in der Praxis noch viel zu oft über die Betroffenen statt mit ihnen geredet.

Wir haben auch die Forderung des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung aufgenommen, die Anzahl der freiheitsentziehenden Maßnahmen zu veröffentlichen. Immer wieder - meine Damen und Herren, lesen Sie sich die Berichte durch! - klagen die Besuchskommissionen über massive Verstöße gegen die Menschenwürde der Betroffenen, die gegen ihren Willen und ohne richterliche Beschlüsse festgehalten werden. Das muss sich ändern!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch eine Sache gehört zur Transparenz: Es kann nicht angehen, dass die Kommunen, die noch eigene Einrichtungen betreiben, sich selbst kontrollieren. Hier soll nach unserem Vorschlag die Aufsicht auf das Land übergehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen die Pflege- und Betreuungsqualität verbessern, indem wir die Fachkraftquote im Gesetz - und nicht in einer fernen Verordnung - verankern.

Wir wollen die Einrichtungen von unnötiger Bürokratie entlasten, indem wir Anzeigepflichten reduzieren, eine Pflicht zur Zusammenarbeit der Behörden festlegen und ein einheitliches Prüfhandbuch für die Aufsicht etablieren.

Ihr Gesetz, meine Damen und Herren, wird unseren Anforderungen an Transparenz, Selbstbestimmung und Teilhabe nicht gerecht. Es kommt schlank daher, schickt aber alle Einrichtungen, die

nach Ihrer Definition nicht Heim sind, in den rechtsfreien Raum.

Noch schlimmer ist an Ihrem Vorschlag, dass umgekehrt - ich habe das eben in meiner Kurzintervention ausgeführt - sehr viele bereits bestehende, selbstbestimmte Wohngemeinschaften dem Heimbegriff unterfallen. Man wird sie nicht aufrechterhalten können. Sie werden schließen müssen. Neue wird es auf dieser Grundlage kaum geben. Das heißt, Ihr Gesetz verfehlt seinen Sinn und Zweck an dieser Stelle vollständig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention zu der Rede der Frau Kollegin Helmhold erteile ich Frau Kollegin Mundlos von der CDU-Fraktion für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens. Frau Helmhold, Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass wir zwar manche Punkte kontrovers diskutiert haben, am Ende aber zu einem breiten Kompromiss zwischen FDP, CDU und SPD gekommen sind. Ich denke, das ist ein sehr gutes Signal. Da können Sie meckern und schimpfen, wie Sie wollen - das ist einfach so.

(Beifall bei der CDU)