Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

(Beifall bei der SPD)

Bereits in den Stellungnahmen zu den Petitionen bezüglich der Streichung der Stellen für Schulpsychologen in Delmenhorst und Osnabrück aus dem Februar bzw. März 2008 hat das Ministerium seinerzeit darauf hingewiesen, dass eine Koordinierungsgruppe damit beauftragt ist, ein derartiges Konzept zu erarbeiten. Das ist drei Jahre her. Jetzt müssen endlich Taten folgen. Dazu gehört aber auch, dass schulische Sozialarbeit an jeder Schule unabhängig von der Schulform zur Verfügung stehen muss. Dazu gehören natürlich Konzepte, die mit den Trägern der örtlichen Jugendhilfe abgestimmt sind und eine Zusammenarbeit zwischen Sozialarbeitern an Schulen und der Jugendhilfe ermöglichen. Dazu gehören verlässliche Arbeitsbedingungen für Fachkräfte in der schulischen Sozialarbeit.

Meine Damen und Herren, wer kein gesichertes Beschäftigungsverhältnis hat, der wird sich bei erster Gelegenheit wegbewerben.

(Zustimmung bei der SPD)

Die besten Kräfte gehen dann als Erste verloren. Das ist einer der Gründe, warum wir meinen: Wer gute Arbeit leistet, hat Anspruch auf anständige tarifliche Leistungen inklusive eines unbefristeten Arbeitsvertrages.

(Beifall bei der SPD)

Neben der schulischen Sozialarbeit müssen aber auch die Aufgaben der Schulpsychologie in der Beratung, Begleitung und Konzeptentwicklung neu definiert werden. Wir wollen, dass die unterschiedlichen Systeme nicht nebeneinander, sondern miteinander und aufeinander abgestimmt Hand in Hand gehen. Dazu gehört eine gute regionale Verteilung schulpsychologischer Beratungsangebote. Nach unserer Auffassung fehlen dazu zurzeit landesweit 60 Stellen.

(Beifall bei der SPD)

Die Landesregierung hat das seit Langem angekündigte Ziel, die Schulpsychologie durch den Ausbau von Beratungs- und Unterstützungssystemen an den niedersächsischen Schulen zu ersetzen, bis heute nicht erreicht. Die Zahl der dringend

erforderlichen Beratungslehrerinnen und -lehrer ist bisher nicht erreicht worden und wird auch in absehbarer Zeit nicht erreicht werden. Deshalb muss die Stundenzahl bei den bereits vorhandenen Beratungslehrkräften aufgestockt werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, uns wird immer wieder erzählt, dass die Ausbildung einer Beratungslehrkraft lange dauert und teuer ist. Deshalb ist es unverständlich, warum eine Beratungslehrkraft mit einer teuren und aufwendigen Ausbildung diese Tätigkeit für nur drei Stunden ausüben soll, auch wenn an ihrer Schule ein höherer Fehlbedarf an Beratungslehrerstunden vorhanden ist. Das macht keinen Sinn.

(Beifall bei der SPD)

Wir waren mit fünf Stunden schon einmal besser aufgestellt. Diese Landesregierung hat die Stundenzahl im Jahr 2005 aber auf drei Stunden gesenkt. Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, wollten nach einer Haushaltsklausur im Februar 2009 die Stundenzahl sogar auf zwei Stunden senken. Immer wieder wurde uns der Ausbau der Unterstützungssysteme angekündigt. Nichts aber ist geschehen.

Ich sage Ihnen deshalb noch einmal das, was ich bereits am 6. Juni 2008 hier in diesem Hause gesagt habe - drei Jahre ist das inzwischen her -: Sie haben hier nach wie vor eine Baustelle, bei der die bisherigen Strukturen zerlegt, zukünftige angedacht, aber noch nicht ausformuliert worden sind. Dadurch ist ein Vakuum entstanden.

(Beifall bei der SPD)

Die hier im Landtag eingehenden Petitionen zu diesem Thema signalisieren ebenfalls Handlungsbedarf. Aber Sie handeln nicht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, mit diesem Antrag sprechen wir einen Bereich an, in dem sich engagierte Fachkräfte mit den täglichen Problemen in den Schulen auseinandersetzen, um sie zu lösen; sie arbeiten präventiv, damit das eine oder andere Problem gar nicht erst auftritt. Dabei sind sie Vertrauenspersonen für Schüler, Lehrer und Eltern. Diese wertvolle Arbeit hat sehr viel mehr Wertschätzung verdient.

(Zustimmung von Frauke Heiligen- stadt [SPD])

Meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hause, wenn Sie es wirklich ernst meinen mit Sprüchen wie „kein Kind darf verloren gehen“, dann sollten Sie in genau diesem Bereich endlich handeln.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD sowie Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Reichwaldt. Bitte schön, Frau Reichwaldt!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden heute über einen Antrag der SPD-Fraktion beschließen, der langjährige Forderungen aller Oppositionsfraktionen in diesem Hause aufnimmt, endlich Schulsozialarbeit und Schulpsychologie auf eine Basis zu stellen, die diesen Namen auch verdient, oder zumindest erste Schritte dorthin zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren, Vorfälle wie an der Nikolaus-Kopernikus-Hauptschule in Garbsen bei Hannover sind in Niedersachsen glücklicherweise Einzelfälle. Aber die Tatsache, dass diese Schule mit 1,5 Sozialarbeiterstellen nach den gegenwärtigen Richtlinien überversorgt ist und dass Psychologen nur fern vom Ort des Geschehens zu erreichen sind und eben nicht direkt beraten, zeigt, dass das Konzept dieser Landesregierung zur Schulsozialarbeit und zur Schulpsychologie völlig verfehlt ist und an den Notwendigkeiten unserer Schulen vorbeigeht.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich müssen wir verstärkt Beratungslehrkräfte weiterbilden. Aber keine noch so gut ausgebildete Beratungslehrkraft kann in bestimmten Situationen Schulpsychologen ersetzen. Ein solches Konzept von Schulpsychologie ist schlicht und einfach falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen Schulsozialarbeit an allen Schulformen, natürlich verstärkt in sozialen Brennpunkten, und wir brauchen ausreichend viele Psychologen, die auch direkt beratend tätig werden können. Insofern unterstützen wir die Forderung des SPDAntrages als notwendig und richtig. Zwar halten wir das Bildungspaket des Bundes nicht für die richti

ge Lösung, zum einen weil die Gelder für Schulsozialarbeit nur befristet, meiner Kenntnis nach nur bis 2013, zur Verfügung stehen - dann bricht die finanzielle Basis wieder zusammen -, zum anderen weil die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine ausreichende Versorgung der Hartz-IV-berechtigten Kinder nur durch eine eigene ausreichende Grundsicherung, die auch die gleichberechtigte Teilnahme an Bildung ermöglicht, umzusetzen sind. Aber wenn nun schon Gelder aus dem Bildungspaket zur Verfügung stehen, kann damit auch die Schulsozialarbeit und Schulpsychologie auf eine solidere Basis gestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: So sieht es aus!)

Allerdings sollte das Land hier wie auch in anderen Bereichen die Kommunen mit Organisation und Umsetzung nicht allein lassen. Wir werden also gegen die Ausschussempfehlung des Kultusausschusses stimmen, diesen Antrag abzulehnen.

Eine Bemerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, sei mir allerdings erlaubt. Dem ersten Absatz dieses Antrages direkt zuzustimmen - ich darf zitieren:

„Nach einer monatelangen Blockade durch die schwarz-gelbe Bundesregierung ist es der Bundes-SPD gelungen, im Bildungspaket durchzusetzen, dass Schulsozialarbeit verstärkt an Schulen ermöglicht wird.“ -,

(Beifall bei der SPD)

würde uns doch sehr schwer fallen. Was soll dieses Eigenlob? Wer hat das Problem der unzureichenden Regelsätze, die jetzt korrigiert werden müssen, denn erst erzeugt und die Hartz-IV-Gesetzgebung beschlossen?

(Beifall bei der LINKEN)

Das, was Sie für das Bildungspaket erreicht haben, kann man als Reparaturarbeiten an einem selbst gestalteten Zustand bezeichnen. Ich denke, Eigenlob wäre hier verfehlt. Mir fallen an dieser Stelle wieder einmal der Zauberlehrling ein und die Geister, die er rief.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Schulsozialarbeit und Schulpsychologie brauchen eine auf Dauer solide und aus ständigen Landesmitteln finanzierte Basis und müssen den Bedürfnissen der Schulen entsprechend gestaltet werden. Die Mittel aus dem Bildungspaket bieten eine

Chance, erste Schritte dorthin zu ermöglichen. Insofern bleiben die Forderungen Ihres Antrages richtig.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)

Nächste Rednerin ist Frau Staudte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen haben wir die sehr kontroversen Diskussionen gehört, die über das Bildungs- und Teilhabepaket geführt wurden. Es fielen Begriffe wie „bürokratisches Monster“ oder „Rohrkrepierer“. Nicht zuletzt seitens der Opposition, sondern auch von den Regierungsfraktionen wurde gesagt: Wir brauchen eine Reform der Reform. - Ich erinnere an Frau Haderthauer aus Bayern.

Wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann sehen wir, dass aktuell lediglich 25 % der Eltern von antragsberechtigten Kindern - das sind 2,5 Millionen - tatsächlich Anträge stellen. Wir müssen feststellen, dass dieses Bildungs- und Teilhabepaket anscheinend keine adäquate Antwort auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sein kann. Jeder vernünftige Mensch sieht, dass wir das zur Verfügung stehende Geld in die Infrastruktur stecken müssen, damit es bei den Kindern ankommt. Eine Möglichkeit, die Infrastruktur zu verbessern, ist die Schulsozialarbeit. Insofern unterstützen wir ausdrücklich den Antrag der SPD-Fraktion.

400 Millionen Euro werden bis 2013 zur Verfügung stehen, nicht nur für Nachhilfe, Sportvereine, Mittagessen und Musikunterricht, nein, es gibt jetzt auch die kleine Protokollnotiz „Schulsozialarbeit ist möglich“. Das Geld würde im Prinzip für 3 000 Schulsozialarbeiter bundesweit reichen.

Es ist Ansichtssache, ob eine Protokollnotiz ein Erfolg ist, für den man sich groß brüsten kann.

Im Ausschuss wurde dargestellt, dass das keine gesetzliche Verpflichtung ist, dass aber die Länder ganz ausdrücklich das Recht haben, eigene Schwerpunkte zu setzen. Die Frage ist, ob das Land Niedersachsen diese Spielräume nutzt. Wir müssen feststellen, dass das nicht der Fall ist. Das Land sagt: Wir wollen den Kommunen und Jobcentern freie Hand lassen. - Die Kommunen finden die Idee der Schulsozialarbeiter eigentlich nicht

schlecht. Das Problem ist allerdings, dass sie auf der einen Seite ganz richtig feststellen, dass Schulsozialarbeit Landesaufgabe ist und sich also das Land dafür zuständig fühlen müsste, sie aber auf der anderen Seite auch gebrannte Kinder sind und fragen, ob sie 2013, wenn das Geld ausläuft, die Gesamtkosten übernehmen müssen. Deswegen halten sie sich deutlich zurück.