Protokoll der Sitzung vom 13.09.2011

Meine Damen und Herren, insbesondere von der Opposition: Allen Unkenrufen Ihrerseits zum Trotz ist der Zukunftsvertrag ein großer Erfolg.

(Zuruf von Christian Grascha [FDP])

Weit über 100 Kommunen - wir hatten auch eine Unterrichtung im Innenausschuss dazu, Sie werden hoffentlich zugehört haben, und diejenigen, die nicht zugehört haben, können es nachgelesen haben - sind in Verhandlungen mit dem Innenministerium. Es liegen derzeit neun unterzeichnete Verträge mit einem Volumen von 250 Millionen Euro vor. Weitere Verträge stehen kurz vor dem Abschluss, sodass wir bei 350 Millionen Euro liegen werden. Sie sehen: Die „Kommunalos“ sind weiter als Sie hier in der Opposition.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist schon auffällig, dass sich gerade auch Kommunen, die SPD-geführt sind, in Verhandlungen mit dem Innenministerium über den Zukunftsvertrag befinden. Ich nenne nur den Landkreis Lüneburg mit Herrn Landrat Nahrstedt, den wir hier noch aus dem Landtag kennen. Ich erwähne die Stadt Lüneburg mit Herrn Oberbürgermeister Mädge, die Stadt Göttingen mit Herrn Oberbürgermeister Meyer.

(Patrick-Marc Humke [LINKE]: Schlimm!)

Ich nenne auch Herrn Landrat Reuter aus dem Landkreis Osterode, den ich im Wahlkampf in Göttingen live erleben durfte,

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Ein gu- ter Mann!)

der mit dem Entschuldungspakt Wahlkampf gemacht hat und ihn als große Chance für den Landkreis Osterode sieht.

Meine Damen und Herren von der SPD, bevor Sie hier dagegen stimmen, sollten Sie vielleicht mit Ihren Vertretern vor Ort das Gespräch suchen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Dort, wo wir die Verträge geschlossen haben - ich nenne als ein Beispiel nur den Landkreis Uelzen mit über 60 Millionen Euro -, gab es auch die Zustimmung der SPD vor Ort.

(Ursula Körtner [CDU]: Überall!)

Man sieht: Vor Ort ist die SPD weiter als hier im Landtag.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich nehme an, dass die Kollegen der SPD in der Debatte gleich wieder die gesamte finanzielle Lage der Kommunen ausbreiten und auf die 5 Milliarden Euro Kassenkredite hinweisen werden usw. Von daher hier nur die Anmerkung: Es ist wahr, dass 60 % aller Kommunen Kassenkredite in Anspruch genommen haben. Es ist aber genauso wahr, dass 40 % dieser Kassenkredite alleine von zehn kommunalen Gebietskörperschaften in Anspruch genommen werden, die im Wesentlichen unter SPDFührung stehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Von daher ist, glaube ich, festzustellen, dass manches vielleicht auch hausgemacht ist, was Sie hier nicht einsehen wollen.

(Johanne Modder [SPD]: Vorsicht! Ganz vorsichtig mit solchen Behaup- tungen!)

Schauen Sie sich doch einmal die Statistik über die Arbeitslosigkeit in Niedersachsen an! Nehmen wir die Landkreise: Die niedrigste Arbeitslosigkeit gibt es in fünf Landkreisen, die von der CDU geführt werden, und die höchste Arbeitslosigkeit gibt es dort, wo Sie von der SPD Verantwortung tragen, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit, und die sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Neh- men Sie doch mal den Landkreis Cuxhaven! Das ist ja abenteuerlich! - Weitere Zurufe von der SPD - Glocke des Präsidenten)

Sie werden gleich wieder lamentieren, dass der kommunale Finanzausgleich zu niedrig sei. Auch

dazu weise ich gerne darauf hin, dass er in der absoluten Höhe höher ist, als er war, als Sie an der Regierung waren. Selbst im Krisenjahr 2010 lag er bei 2,5 Milliarden Euro. Und wenn Sie Herrn Finanzminister Möllring zugehört haben, dann haben Sie gehört, dass er wieder bei weit über 3 Milliarden Euro liegen wird. Das sind weitaus höhere Zahlen als zu den Zeiten Ihrer Regierung.

(Johanne Modder [SPD]: Sie blenden ja alles aus!)

Wie kommunalfreundlich wir sind, sehen Sie auch an der Steuerverbundabrechnung, die wir vorziehen. In Kürze werden über 114 Millionen Euro vorzeitig an die Kommunen ausgeschüttet. Das zeigt: Wir sind die Kommunalpartei.

(Johanne Modder [SPD]: Ich glaube nicht!)

Wir stehen an der Seite der Kommunen. Unsere Politik ist kommunalfreundlich. Wir schaffen es mit diesem Zukunftsvertrag, Kommunen, die in schwierige Situationen geraten sind, wieder Handlungsspielräume zu eröffnen, damit sie Politik vor Ort gestalten können. Hören Sie auf die Vertreter der SPD vor Ort, und stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Frau Zimmermann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kern des Finanzausgleichgesetzes ist der Entschuldungsfonds für Landkreise und Gemeinden, der in der Form eines Sondervermögens aufgelegt werden und sich zu gleichen Teilen aus Mitteln des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften durch jährliche Zuführungen speisen soll.

Das Land erhebt den kommunalen Anteil der Zuführungen an den Fonds durch einen Umlage bei den Landkreisen und Gemeinden. Diese Zins- und Tilgungshilfe können Landkreise oder Gemeinden mit weit überdurchschnittlicher Liquiditätskreditverschuldung erhalten, die trotz erheblicher Konsolidierungsbemühungen keinen Haushaltsausgleich erreichen, wenn sie mittels einer Fusion oder Umwandlung in eine Einheitsgemeinde zu einer wesentlichen Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit

beitragen oder mit einer entsprechenden Zins- und Tilgungshilfe ohne Fusion oder Umwandlung ihre dauernde Leistungsfähigkeit wiederherstellen können.

Meine Damen und Herren, aus Sicht meiner Fraktion ist das der falsche Weg. Mit der Regelung, dass die kommunale Ebene an der Speisung des Fonds beteiligt werden soll, wird sich letztlich die sowieso schon katastrophale finanzielle Lage der Kommunen weiter verschärfen. Die Konsequenz daraus ist: Arme Kommunen sollen den allerärmsten Kommunen unter die Arme greifen. Das löst keines der finanziellen Probleme der Kommunen und wird von uns deshalb abgelehnt.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Grascha, Sie haben gerade in der Haushaltsdebatte von Gestaltungswillen gesprochen. - Ich sehe ihn gerade nicht; er ist nicht da - das interessiert ihn wohl nicht.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Er ist bei einer Besuchergruppe, Frau Kol- legin!)

Wenn Sie von Gestaltungswillen sprechen, ist das, wie ich finde, eine Farce. Außerdem reden Sie auch von einem fairen Miteinander von Land und Kommunen. Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass man den Kommunen zuerst den Hahn zudreht, ihnen alles nimmt und ihnen dann auch noch sagt, dass sie dafür aufkommen sollen, um das wiederzubekommen, was man ihnen genommen hat.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Absurd!)

Fair wäre letztendlich doch, wenn das Land einen solchen Fonds ganz alleine speisen würde. Damit wäre den Kommunen tatsächlich geholfen.

Mehr noch brauchen wir in diesem Land aber eine grundsätzliche Reform der Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Gemeinden, welche zum Ergebnis haben muss, dass die Einnahmeseite der Kommunen endlich auf stabile Füße gestellt und die chronische Unterfinanzierung und das damit einhergehende strukturelle Defizit beendet wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Kommunen müssen doch heute mehr und mehr auf Kassenkredite zurückgreifen. Die wenigen Kommunen, die das nicht machen müssen, werden es demnächst tun müssen. Ich kann Ihnen z. B. aus Wolfsburg berichten - dort mussten wir keine Kassenkredite aufnehmen -,

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das liegt aber nicht an der Politik der Lin- ken!)

da dort die Rücklagen in den aktuellen Haushalt eingestellt wurden. Das heißt doch, man ernährt sich sozusagen von hinten, aber irgendwann kommt der Nachschub nicht mehr. Auch solche Kommunen werden Kassenkredite aufnehmen müssen, um sich selbst zu finanzieren.

Dass jetzt einige Kommunen dem Zukunftsvertrag zustimmen und sagen: „Natürlich müssen wir so etwas machen“, ist doch nur der Tatsache geschuldet, dass es gar keine andere Möglichkeit gibt.

Wir stellen fest: Die kommunale Selbstverwaltung wird mit diesem Instrument zu einer Farce, weil die Kommunen überhaupt keine Mittel mehr haben. Sie können überhaupt keine Entscheidungen mehr treffen, weil die finanziellen Mittel zur Umsetzung der notwendigen Maßnahmen in einer Kommune gar nicht mehr vorhanden sind. Mit diesem Gesetz, meine Damen und Herren, öffnen Sie der Willkür des Innenministeriums Tür und Tor.

(Glocke des Präsidenten)

- Letzter Satz: Meine Damen und Herren, was Sie hier planen, ist aus unserer Sicht eine Scheinlösung. Meine Fraktion lehnt die Beschlussempfehlung deshalb ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt Herrn Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.