Kurzum: Das Anliegen, Netzsperren zu verhindern, ist begrüßenswert, jedoch für Deutschland nicht akut, und eine Verfassungslücke gibt es auch nicht.
Aber es freut uns, dass die Partei DIE LINKE nicht nur Wege zum Kommunismus sucht, sondern auch Meinungs- und Informationsfreiheit für sich entdeckt hat.
Also die Rede, Herr Zielke, hat mich jetzt schon zu etwas Widerspruch provoziert. Das, was Sie hier zum Besten gegeben haben, ist schlicht und ergreifend grundrechts- oder verfassungspolitisch falsch, dass der Grundrechtskatalog durch das Bundesverfassungsgericht nicht neu interpretiert werden kann und dass dadurch kein neues Grundrecht erwachsen kann. Wir haben dieses Grundrecht, und das nennt sich das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Das ist quasi das zentrale Grundrecht im Bereich des Datenschutzes, und das ist Ausfluss aus Artikel 1 und Artikel 2. Deswegen ist es natürlich völlig in Ordnung, dass man sagt, verschiedene Grundrechte, neu interpretiert, bedeuten auch ein neues Grundrecht. Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, die Interpretation verschiedener Grundrechte gibt
auch die Gewährleistung und das Vertrauen informationstechnischer Dienste. Es ist also ein neues Computer-Grundrecht geschaffen worden, auch durch höchstrichterliche Rechtsprechung. Insofern war das, was Sie hier zum Besten gegeben haben, ein bisschen oberflächlich, dass eine Neuinterpretation von Grundrechten ins Uferlose führen würde. Wir brauchen neue Grundrechte, gerade in diesem Bereich. Das ist absolut notwendig, damit wir das Vertrauen in eine ungestörte Kommunikation im medialen oder digitalen Zeitalter im 21. Jahrhundert weiter gewährleisten.
Es ist mit diesem hier insofern nicht zu vergleichen, als es zusätzliche Dinge zusammenfasst. Aber bei der jetzt in Rede stehenden Aufnahme eines neuen Rechts handelt es sich nur um eine direkte Übertragung, um einen direkten Ausfluss aus bestehenden Grundrechten ohne einen neuen Punkt, der dadurch nicht abgedeckt wäre. Das ist der Unterschied. Deswegen ist das überflüssig.
Außer der Wortmeldung von Herrn Minister Schünemann liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. - Bitte schön, Herr Minister!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus Artikel 1 kann man genauso auch schlussfolgern, dass es ein Grundrecht gibt, dass der Staat seine Menschen vor Verbrechen schützt. Wenn man das unterlässt, ist das übrigens auch etwas, was dann gegen die Verfassung und gegen unser Grundgesetz verstößt. Das muss man bei all der Diskussion, die man führt, auch immer im Auge behalten.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Und im- mer die Verhältnismäßigkeit berück- sichtigen! - Helge Limburg [GRÜNE]: Das habe ich doch gesagt!)
- Ja, deshalb ist es ja nicht verkehrt, dass ich das auch noch einmal sage, wenn es darum geht, welche Grundrechte man denn tatsächlich aus unserer Verfassung ableiten kann. Wenn man z. B. etwas unterlässt, womit die Strafverfolgungsbehörden die Menschen tatsächlich vor Verbrechen schützen könnten, dann ist das natürlich etwas, was einen nachdenklich machen sollte.
Dass das Internet eine große Errungenschaft ist, ist, wie dargestellt wurde, gar keine Frage. Aber es gibt im Internet eben auch Straftaten, und deshalb müssen wir sehen, wie wir darauf reagieren.
Löschen statt Sperren ist der eine Slogan. Dass Löschen auf jeden Fall immer besser ist als Sperren, ist überhaupt keine Frage. Die Zahlen, die uns vorliegen, zeigen, dass es durchaus auch über das BKA Erfolge durch Löschen gibt, auch im Kampf gegen Kinderpornografie. Wir haben uns die Daten einmal genauer angeschaut. Im Juni 2011 sind beispielsweise von 177 Seiten 63 innerhalb einer Woche gelöscht worden. Allerdings konnten 53 Seiten nicht gelöscht werden, weil sie sich auf russischen Servern befinden. Da ist klar geworden, Frau Flauger: Auch wenn Sie noch so viel Personal beim BKA einstellen, können Sie das vom BKA aus überhaupt nicht regeln. Insofern müssen wir sehen, was man zusätzlich tun kann, um die Bevölkerung zu schützen.
Wir haben uns ein Bündnis gerade im Kampf gegen Kinderpornografie vorgenommen - White IT -, das im Jahre 2009 gegründet wurde. Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, um einmal zu sehen, wie Kinderpornografie im Netz überhaupt verbreitet wird. Wir müssen feststellen, dass man bei denjenigen, die pädophil sind und die für Kinderpornografie gerade das Internet nutzen, über das Sperren natürlich wenig ausrichten kann, weil man es auch umgehen kann.
Allerdings haben wir festgestellt, dass man durchaus bei denjenigen - so will ich mal sagen, obwohl es nicht richtig ist -, die zufällig auf diese Seiten gelangen, d. h. die Einsteiger, über Sperren sehr viel erreichen kann. Insofern halte ich es für zu kurz gesprungen, einfach darzustellen, Löschen sei die einzige Möglichkeit, wenn wir Kinderpornografie nicht zu 100 % über Löschen bekämpfen können.
Es ist schon dargestellt worden, dass der UNSonderbeauftragte insbesondere auch Kinderpornografie betrachtet und dabei das Sperren durchaus als eine Möglichkeit dargestellt hat.
Abschließend will ich allerdings noch auf das eingehen, was Frau Flauger angedeutet hat, dass nämlich das Land Niedersachsen und insbesondere die Polizei im Kampf gegen Internetkriminalität nicht richtig aufgestellt seien. Wir waren unter den Ersten, die gesagt haben, wir brauchen auch auf Landesebene eine Internet-Recherchegruppe. Das war bisher nur in Bayern und auf Bundesebene zentralisiert. Wir haben die Bildung dieser Gruppe sofort nach Regierungsübernahme eingeleitet. Wir haben vor zwei Jahren ein Dezernat Internetkriminalität im Landeskriminalamt eingerichtet. Wir haben entschieden - das ist meines Erachtens richtig -, dass Internetkriminalität dezentral, d. h. in allen Polizeiinspektionen, bekämpft werden muss.
Wir haben deshalb das Personal im dritten Fachkommissariat geschult, und es wird in dem Zusammenhang fortlaufend geschult.
Ich habe erst vor Kurzem vorgestellt, dass wir insgesamt 42 zusätzliche Stellen in dem Bereich einrichten, und zwar jeweils sechs an den Polizeidirektionen und sechs zusätzlich im Bereich Landeskriminalamt.
Das heißt, mir vorzuwerfen, dass ich im Bereich Internetkriminalität nicht alles unternehme, um erfolgreich zu sein, und kein zusätzliches Personal zur Verfügung stelle, ist schlichtweg absurd.
Das heißt, Sie haben nicht zur Kenntnis genommen, was wir hier tun. Ich brauche natürlich einen rechtlichen Rahmen; ich brauche Löschen. Aber in Teilbereichen ist es auch sinnvoll, Sperren vorzunehmen. Vollzug ist aber genauso wichtig. Deshalb haben wir in Niedersachsen unsere Hausaufgaben in diesem Zusammenhang auf jeden Fall gemacht.
Vielen Dank. - Es liegen keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt vor. Damit sind wir am Ende der Beratung.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Zuständig soll der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien sein.
- So liegt es mir jedenfalls vor, Herr Kollege Rickert. - Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das ist so beschlossen worden.
Erste Beratung: Mobilität ist ein Grundrecht - Mobilität und soziokulturelle Teilhabe gewährleisten - Flächendeckende Sozialcard in Niedersachsen etablieren - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3855
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mobilität ist eine der zentralen Vorraussetzungen für soziale Teilhabe. Hieraus leitet sich für uns Linke ab, dass Mobilität als Grundrecht zu begreifen ist. Wir müssen allerdings feststellen, dass bei uns in Niedersachsen viele Menschen aus finanziellen Gründen weitgehend von Mobilität ausgeschlossen sind. Ihnen bleibt dieses Grundrecht wissentlich verwehrt.
In welchem Umfang sozial Benachteiligte am ÖPNV teilnehmen können, hängt in Niedersachsen sehr stark davon ab, in welcher Stadt oder Gemeinde sie leben. Das ist selbstverständlich. Einige wenige Kommunen haben bereits eine Art Sozialcard eingeführt, andere Kommunen hingegen erwägen deren Einführung, wie z. B. der Landkreis Verden.
Generell gilt aber: Für die ca. 18,50 Euro, die im Hartz-IV-Regelsatz für den ÖPNV vorgesehen sind, ist nirgendwo in Niedersachsen eine annähernd ausreichende Mobilität zu haben. In allen Verkehrsverbünden liegt schon die kleinste Tarifzone bei mehr als 35 Euro im Monat.
Wir fordern mit unserem Antrag die Landesregierung zunächst dazu auf, eine Synopse über alle bestehenden Sozialcardmodelle zu erstellen. Es geht uns dabei darum, die Innovationen der Kommunen nicht unter den Tisch fallen zu lassen, die sich vielleicht sehr gut für ein flächendeckendes Modell einer Sozialcard in Niedersachsen nutzen lassen.
Bezüglich der allgemeinen Standards haben wir in unserem Antrag konstruktive Vorschläge gemacht. Ich komme damit zu den Fragen, für wen diese Sozialcard zusätzlich sein sollte und wie dies zu finanzieren ist.
Im Grundsatz tritt meine Partei aus differenten Gründen für einen kostenfreien ÖPNV ein, keine Frage. Unser Antrag ist als schnell umsetzbarer Kompromiss zu begreifen, der zumindest den Menschen zugute kommen soll, für die Busse und Bahnen schon jetzt ein geradezu unerschwinglicher Luxus geworden sind. Neben den Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfängern nach SGB II und SGB XII sind auch die statistisch etwa 164 000 Personen in Niedersachsen mit einzurechnen, die Wohngeld beziehen. Wir halten es außerdem für notwendig, die Option auf eine Sozialcard auch Personen zu geben, die bisher keine Transferleistungen erhalten. Dies gilt nicht zuletzt für die Menschen, die zwar Arbeit haben und die hierfür auf Mobilität angewiesen sind, die aber dennoch als arm zu bezeichnen sind.