Protokoll der Sitzung vom 02.07.2008

Jetzt hat Herr Dr. Matthiesen das Wort.

Herr Kollege Humke-Focks, Sie haben von einem Thema gesprochen, das heute gar nicht zur Debatte steht. Ich bin versucht zu sagen: Thema verfehlt. Hier geht es nicht um die Höhe der Regelsätze, sondern um die Frage, wie Menschen am besten geholfen werden kann, Arbeit zu finden und sie dafür fit zu machen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Zu Ihrer Anmerkung. Die Regelsätze sind seinerzeit pauschal um 15 % erhöht worden. Sie haben in diesem Zusammenhang über die Sätze für Kinder gesprochen. Sie wissen genau, dass sich gerade eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe dieses Themas annimmt. Sie wird auch Lösungen finden. Dem sehen wir sehr optimistisch entgegen.

Abschließend beantrage ich sofortige Abstimmung über den gemeinsam getragenen Änderungsantrag; denn wir wollen unser Ziel möglichst zügig erreichen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Jetzt hat Frau Meißner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Humke-Focks, ich stelle fest, dass Sie den Antrag entweder nicht verstanden haben oder aber, wenn Sie ihn verstanden haben, Geld ausgeben wollen, das den Arbeitslosen entzogen wird. Mit unserem Antrag soll den Arbeitslosen in optimaler und effektiver Form weitergeholfen werden. Sie wollen dem nicht zustimmen, sondern sind für Doppelstrukturen, die viel Geld kosten, das den Arbeitnehmern entzogen wird. Ich frage mich, wie Sie das erklären wollen.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

So, Herr Humke-Focks, jetzt können Sie antworten.

Danke für die Vorlagen. - Zunächst zu Frau Helmhold und zu Teilen dessen, was Sie, Herr Dr. Matthiesen, kritisiert haben: Sie haben gesagt, das Thema sei verfehlt, heute ginge es gar nicht um die grundsätzliche Frage der Abschaffung von Hartz IV. Das ist zum Teil richtig. Aber Sie dürfen nicht einfach die ersten beiden Absätze ausblenden, die Sie Ihren Bitten an die Landesregierung vorangestellt haben. Dort zementieren und rechtfertigen Sie die Einführung von Hartz IV mit allen Konsequenzen. Genau das war unser Problem. Ich habe genau das kritisiert.

(Beifall bei der LINKEN - Stefan Wen- zel [GRÜNE]: Das ist Quatsch, Herr Humke-Focks! Das steht da gar nicht drin!)

Wir wollten eine gemeinsame Beschlussempfehlung erreichen. Deswegen habe ich darum gebeten, diese beiden Absätze zu streichen. Dann hätte es eine ganz andere Diskussionsgrundlage gegeben. Ich habe im Ausschuss gesagt, wenn nur die sechs Bitten an die Landesregierung formuliert worden wären, wäre die Situation eine andere gewesen.

Frau Meißner, Sie unterstellen uns, wir würden den Betroffenen Geld entziehen wollen. Das ist natürlich absoluter Unsinn. Ich bin selber ausgebildeter Fallmanager und kann sowohl die Arge in Northeim als auch die Optionskommune in GöttingenOsterode beurteilen. Deswegen kann ich sagen: Das sind Repressionsinstrumente. Die Kolleginnen und Kollegen, die im Fallmanagement arbeiten, werden nicht mit den Instrumenten ausgestattet, die Sie vorgeben, verbessern zu wollen. Die politischen Mehrheiten entziehen nämlich Gelder.

(Glocke des Präsidenten)

- Letzte Bemerkung: Sie sorgen dafür, dass immer mehr Menschen in Armut getrieben werden. Erzählen Sie hier nicht eine solche Mär. Seien Sie ehrlich, und geben Sie zu, dass es ein schlechtes Gesetz ist, das abgeschafft werden muss. Handwerklich gesehen ist es eine Sechs. Da kann man nur sagen: Sechs - setzen! Aber Sie rechtfertigen es sogar noch.

(Beifall bei der LINKEN - Gesine Meißner [FDP]: Sie wollen den Men- schen Geld wegnehmen!)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist Herr Watermann von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kolleginnen und Kollegen, die diesen gemeinsamen Antrag mit getragen haben, haben sehr deutlich ausgeführt, warum wir uns bereitgefunden haben, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren: Wir haben erkannt, dass Hartz IV eine gute und richtige Maßnahme ist, die wir im Lande in verschiedener Form umsetzen wollen bzw. müssen, und dass es einige Gemeinden und Gebietskörperschaften gibt, die das lieber mit einer Arge machen, und andere, die lieber optieren wollen. Wir wollen, dass der Bundesgesetzgeber diese Möglichkeiten durch eine Verfassungsänderung eröffnet. Wir haben das erreicht, was die Kollegen noch vor sich haben - die Sozialos haben nämlich Einigkeit gezeigt, die anderen sollen das ja noch beweisen. Wir haben Richtungen vorgegeben und deutlich gemacht, dass wir auch die kommunalen Spitzenverbände dazu gebracht haben, ihre unterschiedlichen Positionen zusammenzubringen.

(Zustimmung bei der SPD und von Gesine Meißner [FDP])

Deshalb muss ich das alles nicht wiederholen.

Aber ich kann das sagen, was ich schon in meiner Rede bei der ersten Beratung des Antrags gesagt habe: Ich habe nie erwartet, dass die LINKE diesem Antrag zustimmt. Denn dann hätte sie ja zugeben müssen, dass Hartz IV ein gutes Gesetz ist. Sie ist aber nicht bereit, das zuzugeben. Sie ist der Meinung, dass die Sozialhilfeempfänger, die bei der alten Gesetzgebung, die ungerecht war, benachteiligt wurden, weiterhin benachteiligt werden sollen. Deshalb haben wir nie erwartet, dass Sandfrauen und Sandmänner, die der Bevölkerung nur Sand in die Augen streuen, einem solchen Antrag zustimmen. Sie sind politikunfähig, weil Sie nicht in der realen Politik angekommen sind.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Ich will mich mit Ihnen gar nicht über große ideologische Fragen streiten. Aber ich will Ihnen Folgendes sagen: Vielen Menschen, die zum Teil über

lange Zeit Sozialhilfe bekommen haben - und ich hoffe, Sie haben Ihren Job als Fallmanager gut gemacht und den Leuten das gegeben, was ihnen zugestanden hätte -, geht es jetzt wesentlich besser. Es ist gut, dass die kommunale Ebene einbezogen worden ist. Wenn Sie mit Betroffenen geredet hätten und nicht nur über sie reden würden, dann wüssten Sie das auch.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜ- NEN - Zurufe von der LINKEN)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wer dieses System, das es gegeben hat, weiterhin verteidigt, verteidigt Ungerechtigkeit, verteidigt eine Situation, in der Sozialhilfeempfänger abgehängt waren. Sie sind jetzt herangeführt worden. Wir reden nun darüber, dass die Instrumente verbessert werden müssen. Ich sage Ihnen ganz deutlich, dass ich zu keinem Zeitpunkt sehe, dass Sie einer pragmatischen Politik zustimmen können; denn Sie leben davon, die Leute draußen für dumm zu verkaufen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜ- NEN)

Sie leben von einer Symbolpolitik, die sehr deutlich macht, dass Sie nicht in der realen Politik angekommen sind. Damit, meine Damen und Herren, können Sie vielleicht noch eine gewisse Zeit Wählerinnen und Wähler täuschen. Aber diejenigen, die inzwischen erkannt haben, dass Sie nur fordern und nichts einhalten, werden Ihnen auch irgendwann den Rücken kehren. Deshalb muss Ihre Politik entlarvt werden als eine Politik von Täuschung.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN - Zu- rufe von der LINKEN: Da sprach doch die nackte Angst! - David McAllister [CDU]: Wenn die SPD immer so wä- re!)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn HumkeFocks von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anrede werde ich trotz dieses unverfrorenen und beleidigenden Redebeitrags beibehalten.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Na, na!)

Sie können sicher sein, dass ich fast täglich mit Betroffenen rede. Sie können sich auch in Göttingen beim Job-Center erkundigen, dass ich meinen Job sehr gut gemacht habe. Ich kann Ihnen auch gerne das Zeugnis vorlegen. Es ist nur irgendwann dazu gekommen, als das Gesetz gewirkt hat und Mittel vorhanden waren, aber das Geld nicht richtig verteilt worden ist und lieber für Verwaltungswasserköpfe ausgegeben wurde. Das liegt in dem System dieses Gesetzes.

Sie haben unterstellt, wir wollten zur Ungerechtigkeit zurück, zur vorherigen Regelung nach dem Bundessozialhilfegesetz. Das ist falsch. Wenn Sie unsere Konzepte einmal lesen, dann wissen Sie, dass wir eine bedarfsgerechte Grundsicherung haben wollen, die finanziell deutlich über dem liegt, was die Hartz-IV-Regelungen vorsehen. Darüber hinaus haben die Hartz-IV-Regelungen die Gefahr für Arbeitslosengeld-I-Empfänger vergrößert, zu ALG-II-Empfängern zu werden. Das heißt, die Personengruppe, die jahrzehntelang gearbeitet hat, die sich vielleicht ein eigenes Häuschen gebaut hat, ist von dem Risiko, in Armut zu fallen, bedroht. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider ist meine Redezeit jetzt abgelaufen. Das nächste Mal werde ich 20 Minuten Redezeit beantragen. Dann werde ich einmal auseinanderbauen, was Sie hier an Frechheiten sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Humke-Focks, die Frechheiten sollten Sie anderen überlassen, wenn es denn sein muss.

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Das nehme ich zurück!)

Herr Watermann hat sich zu einer Erwiderung zu Wort gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie können 20 Minuten reden, Sie können eine halbe Stunde reden - eines werden Sie nicht auflösen, auch wenn Sie sagen, Sie seien für ein anderes System von Grundsicherung. Sie haben vorhin gesagt: Mit den Schulden, das wollen wir erst einmal ganz locker sehen. - Sie schaffen hier eine Mär.

Das können Sie deshalb tun, weil Sie das, was Sie fordern, niemals pragmatisch unterlegen müssen. Das unterscheidet uns.

(Zuruf von der LINKEN: Das stimmt nicht!)

Ich bin - das nehmen Sie bitte zur Kenntnis - positiv an die Sache herangegangen und haben Hartz IV verteidigt. Ich habe dafür gesprochen. Ich stehe dafür ein. Sie hingegen ducken sich weg. Sie sichern finanziell nichts ab, sondern Sie wecken bei den Leuten eigentlich eine Illusion, indem Sie ihnen etwas versprechen, was Sie niemals halten müssen.

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Deshalb sind Sie regierungsunfähig und politikunfähig.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Minister Schünemann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich für die Landesregierung für die breite Unterstützung hier im Parlament bedanken; denn - das ist gesagt worden - gerade die Arbeit der Argen und der Optionskommunen hat hervorragend gewirkt. Dass wir uns hier im Parlament bis auf eine kleine Minderheit einig sind, hat einen besonderen Wert; denn wir sind im Moment auf dem Weg, nicht nur die Bundesländer zu einen, sondern möglichst auch auf Bundesebene eine Unterstützung für eine Verfassungsergänzung zu bekommen; ansonsten wird es nicht möglich sein.