Protocol of the Session on December 6, 2011

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Lassen Sie mich hier nur ganz kurz auf einen Punkt besonders eingehen, der uns aktuell beschäftigt - das wird sicherlich auch während dieses Plenums noch mehrfach Thema sein -: Medikamente in der Tiermast, insbesondere Antibiotika. Niemals wurden mehr Antibiotika eingesetzt als heute. Alle unsere Tiere bekommen dreimal so viel verabreicht wie wir Menschen. Warum bekommen Rinder, Schweine, Hühner, Hähnchen und Puten so viele Medikamente mit all den unübersehbaren Folgen für uns alle? - Die Gründe liegen auf der

Hand und wurden hier auch immer wieder vorgetragen. Die Haltungsbedingungen stimmen in einigen Betrieben schon lange nicht mehr. Wenn Tiere in nasser Einstreu stehen, erkranken sie schneller, wenn Tiere überzüchtet sind, brechen sie unter der Last ihres Gewichts zusammen, wenn ein Truthahn nicht mehr 5 kg, sondern 21 kg Schlachtgewicht hat, dann machen die Beine und Füße irgendwann nicht mehr mit - das kann jeder nachvollziehen -, und dann gibt es Medikamente. Wenn das Personal nicht richtig geschult ist, leiden die Tiere und erkranken schneller; auch das ist eine Binsenweisheit. Wenn es für Tierärzte lukrativ sein kann, Medikamente zu verschreiben, dann tun sie es vielleicht eher, und wenn dann diese Medikamente auch noch dafür sorgen, dass die Tiere schneller an Gewicht zulegen, ist die Versuchung ungleich größer, auch wenn Arzneimittel Geld kosten.

Meine Damen und Herren, die Haltungsbedingungen müssen verändert werden, das Personal muss besser geschult werden, rechtliche Rahmen müssen gesetzt und stärker kontrolliert werden, und das ist auch möglich. Teile der Ernährungswirtschaft haben dies auch schon erkannt. Sie arbeiten an Verbesserungen, und das wissen Sie auch. Wir werden nur darauf achten müssen, dass das, was Geflügelwirtschaft und Handel angekündigt haben, jetzt auch umgesetzt wird, und dass das alles auch dazu beiträgt, dass der Tierschutz verbessert wird. Wir werden darauf achten, dass das nicht auf der Basis rein freiwilliger Vereinbarungen, sondern auf der Basis verbindlicher Regelungen, die kontrolliert werden, geschieht. Wir brauchen ein verbessertes System der Eigen- und vor allen Dingen auch der staatlichen Kontrolle und beides in einem viel größeren Umfang.

Was passiert, wenn man auf rein freiwillige Vereinbarungen setzt, haben die letzten acht Jahre der Regierungszeit von Schwarz-Gelb sehr deutlich gezeigt. Das geht so nicht weiter. Damit muss Schluss sein, und damit wird auch Schluss sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Schröder-Ehlers. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Meyer das Wort.

(Dr. Max Matthiesen [CDU]: Der so- genannte Landwirtschaftsexperte! - Jens Nacke [CDU]: Kann denn nicht einmal ein anderer reden?)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir bringen heute als Grüne gleich zwei Anträge für mehr Tierschutz zur Abstimmung. Einer bezieht sich auf bessere Vorgaben in der Putenhaltung, nachdem gerade dieser Bereich mit seinen Qualzuchten, hohen Besatzdichten und amputierten Schnäbeln besonders problematisch bleibt. Der andere Antrag ist unser grüner Zehnpunkteplan für mehr Tierschutz in Niedersachsen. Mit ihm wollen wir z. B. das Kürzen der Schnäbel bei Legehennen untersagen, wie dies Österreich seit 2005 erfolgreich praktiziert. Wir brauchen also nicht bis 2017 oder 2018 zu warten, sondern können in diesem Fall guten Gewissens vom Agrarland Österreich abschreiben und dessen Regeln einfach übernehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Anders als der Minister wollen wir das schnelle Verbot der Käfighaltung von Legehennen und keine Fortführung bis 2035. Es kann doch nicht sein, dass es in Deutschland länger dauert, aus der qualvollen Käfighaltung auszusteigen als aus der Atomenergie.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dabei hat der Verbraucher längst entschieden: Er lehnt Käfigeier - wenn diese klar als solche gekennzeichnet sind - überwiegend ab. Nur noch 5 % der gekennzeichneten Eier sind aus Käfighaltung.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Das große Schlupfloch für Qualeier aus dem In- und Ausland,

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

Herr Kollege Thiele, ist der nicht gekennzeichnete Bereich für Produkte, in denen solche Eier verarbeitet werden.

Der Minister hat ja angekündigt, ab dem 1. Januar diese dann illegalen Eier aus Polen oder Frankreich in Niedersachsen vom Markt zu nehmen. Unsere Unterstützung dafür hätte er. Aber ich bin sehr gespannt, wie er das machen will; denn es gibt keine ausreichende Kennzeichnung. Daher fordern wir in unserem Antrag eine vollständige Kennzeichnung aller Bestandteile nach der Erzeu

gungsform. Das wird gerade den tierfreundlichen Betrieben in Niedersachsen helfen.

Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, was ich aber vermisse, ist ein eigener Antrag - das wäre der fünfte Antrag -, in dem Ihre Position zum Tierschutz formuliert wird. Sie wollen heute viele Maßnahmen, die Ihr Minister vorschlägt, wie Wasserzugang für Enten, Beendigung der betäubungslosen Ferkelkastration und des Schwänzekürzens, durch das Parlament ablehnen. Denn das sind auch Teile unseres Antrags und des Antrags der SPD. Damit lehnen Sie heute auch Teile von Minister Lindemanns Tierschutzplan ab.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Herr Meyer, das funktioniert doch nicht in Teilen! - Weitere Zurufe von der CDU)

Das zeigt, dass bei Ihnen ökonomische Interessen der Mäster vor den Bedürfnissen der Tiere rangieren. Wir wollen die Ställe an die Tiere anpassen und nicht die Tiere an die Ökonomie.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Bringen Sie doch den Tierschutzplan von Herrn Lindemann als Antrag ein!

Wer die Welt am Sonntag gelesen hat, der hat in einem Artikel unter der Überschrift „Die Foltermethoden in deutschen Schweineställen“ auch gelesen, dass der Minister bereit ist, auf zentrale Forderungen seines Tierschutzplans zu verzichten, „um die erzürnten Mastbetriebe zu beschwichtigen“. Auch Herr Schönecke ist dort zitiert. Er hat gesagt, dass man es doch gar nicht so wild treiben würde.

Dieses Zurückrudern vom Tierschutzplan, der schon sehr langfristig angelegt war, verfolgen Sie auch im Landtag. Kein Wunder, dass Sie sich nicht trauen, hier und heute einen Antrag zur Unterstützung des Tierschutzplans des Ministers mit den gleichen Zahlen und Vorgaben vorzulegen!

Die Massentierhaltungslobby sitzt Ihnen im Nacken. Sie will an grausamen Praktiken wie das Abschneiden von Hoden, das Kürzen der Schnäbel und das Eliminieren der Ringelschwänze weiter festhalten, damit der Profit stimmt.

Die große Mehrzahl der Verbraucher und auch der Landwirte will eine andere, eine artgerechte Haltung mit mehr und nicht weniger Tierschutz. Das muss die Politik umsetzen.

Daher appelliere ich zum Abschluss an Sie: Geben Sie sich einen Ruck! Betrachten Sie die Tiere als Mitgeschöpfe, die nach der Landesverfassung eines besonderen Schutzes bedürfen! Und stimmen Sie den Anträgen der Opposition zu, damit sich in dieser Legislaturperiode noch etwas an der grausamen Realität in den Ställen ändert! Ansonsten müssen wir bis 2013 warten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Als Nächste hat sich Frau Weyberg für die CDUFraktion zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort, Frau Weyberg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können am heutigen Tag festhalten: Niedersachsen ist mittlerweile Maßstab für Innovation im Bereich Tierschutz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Tierschutzplan von Minister Lindemann setzt Maßstäbe. Und, Herr Meyer, das Letzte, was die CDU-Fraktion und Minister Lindemann brauchen, ist Nachhilfe von Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Der hat ge- sessen!)

Wenn Sie Größe hätten und politisch verantwortungsbewusst handeln würden, dann würden Sie das anerkennen und mit uns gemeinsam im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung konstruktiv an der Umsetzung des Tierschutzplanes mitarbeiten. Ich habe wohl gehört, dass Frau Schröder-Ehlers daran Interesse hat. Das war noch ein bisschen zaghaft, aber das kann ja noch ordentlich werden.

Frau Weyberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Meyer?

Na klar, wenn es der Wahrheitsfindung dient!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sie haben gesagt, Niedersachsen sei ein Vorreiter beim Tierschutz. Ich möchte Sie gerne fragen, wie denn Ihre Haltung zum Käfighaltungsverbot ist. Soweit ich weiß,

wollen die rot-grünen Länder bis 2020 aussteigen. Die schwarz-gelbe Landesregierung mit Herrn Lindemann will erst 2035 aussteigen. Verstehen Sie das unter einem Vorreiter beim Tierschutz?

Unter einem Vorreiter beim Tierschutz verstehe ich jemanden, der dazu beiträgt, Maßnahmen zu finden, die europaweit gelten. Es hilft uns überhaupt nichts, wenn wir in Niedersachsen einen Alleingang machen. Dann werden nämlich die Käfige woanders in Europa aufgestellt, und diese Eier werden dann hier eingeführt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Man kann auch mit gutem Beispiel voran- gehen!)

- Natürlich kann man mit gutem Beispiel vorangehen. Aber wir haben doch die Erfahrung gemacht, dass, sobald wir über die europäischen Richtlinien hinausgehen, nicht mehr bei uns produziert wird, sondern in anderen Ländern. Dann haben wir überhaupt keine Kontrolle mehr darüber. Aber die Eier landen trotzdem bei uns, und die Verbraucher kaufen sie trotzdem. Darauf müssen wir doch achten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und hier werden die Schwänze kontrolliert ab- geschnitten oder was?)

Es ist schon interessant, dass dieses Thema vonseiten der Opposition immer sehr emotional und nicht auf wissenschaftlichen Fakten basierend diskutiert wird. Da s Beste ist, Sie hören einfach einmal zu, dann können Sie noch viel lernen.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Dann finden wir vielleicht auch einen Weg, auf dem wir das gemeinsam machen können.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Es ist schon erschreckend, wie im Rahmen der Diskussion um den Tierschutz insbesondere von den Grünen - aber auch von den Linken, wie ich gerade gehört habe - eigene Erkenntnisse als Wahrheit verbreitet werden.

(Wiard Siebels [SPD]: Dass es tat- sächlich noch Kritik gibt von uns!)