Protokoll der Sitzung vom 07.12.2011

Aber zur ganzen Wahrheit gehört, dass der Kollege Schneck und ich vor Kurzem wegen einer Baumaßnahme im Braunschweigischen eine Anfrage zu den baulich notwendigen Investitionen in Polizeiliegenschaften gestellt und damit abgefragt haben, welcher Investitionsbedarf im ganzen Land besteht. Realität ist - dies muss eine zukünftige Landesregierung angehen; wir bekennen uns da

zu, dass wir das angehen werden -, dass wir ein Investitionsvolumen haben, das das Zigfache dessen ausmacht, wofür Sie sich jetzt rühmen und das Sie in den nächsten beiden Haushaltsjahren umsetzen. Das sind die Antworten Ihres eigenen Hauses in der von uns angeforderten Übersicht über Investitionsmaßnahmen! Das muss also immer relativiert werden. Hier besteht noch reichlich Handlungsbedarf und eine große Erwartungshaltung an zukünftige Landesregierungen.

Meine Damen und Herren, die Unsolidität dieses Haushalts will ich an einer weiteren Zahl aus dem Innenressort deutlich machen. Sie finanzieren einen Teil der Sachkosten im Haushalt des Innenministeriums mit einer globalen Minderausgabe in Höhe von 14 Millionen Euro. Eine solche Höhe hat es in einem Landeshaushalt im Innenministerium noch nie gegeben. Das bedeutet, von Ihnen kalkulierte und angesetzte Ausgaben sind in dieser Höhe bereits Makulatur, weil sie am Ende des Jahres eingespart werden müssen. Andere nennen das „Potemkinsche Dörfer“, dass hier schon wieder eine Mogelpackung mit 14 Millionen Euro aufgebaut wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch drei Bereiche nennen, in denen Sie den Kommunen weitere Kosten aufbürden oder ihnen Einnahmen vorenthalten, die ihnen zustehen. Das ist z. B. das Geld, das Sie für den kommunalen Brandschutz zwar bereitstellen, weil Sie verpflichtet sind, den Kommunen Katastrophenschutzmittel, die der Bund nicht mehr zahlt - so war die Absprache zwischen Bund und Ländern -, für Brandschutzkomponenten zur Verfügung zu stellen. Herr Schünemann, die ganze Wahrheit ist: Das ist kein zusätzliches Geld. Das Geld, das Sie an dieser Stelle an die Kommunen auskehren, haben Sie den Hilfsorganisationen im Rettungsdienst und Katastrophenschutz vorher gekürzt.

(Minister Uwe Schünemann: Nein!)

Das ist die Realität Ihres Haushalts. Vielleicht haben Sie selber es nicht durchschaut. Aber wenn Sie sich die Zahlen anschauen, werden Sie feststellen, dass es so ist.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Sie enthalten den Kommunen weiterhin Zuwächse aus den Brandschutzsteuereinnahmen vor, die Sie für die unkonventionelle Finanzierung der NABK verwenden, einer Landesaufgabe, sozusagen zulasten der Kommunen finanziert, obwohl die Kom

munen dieses Geld dringend benötigen, um z. B. ihre Anteile des Digitalfunks finanzieren zu können.

(Thomas Adasch [CDU]: Der SPD- Oberbürgermeister hat etwas ganz anderes gesagt!)

Das ist die Situation der Finanzierung. Es geht nicht gegen die Stadt Celle. Ich habe gesagt, dass man das seriöser finanzieren kann.

(Thomas Adasch [CDU]: Der Ober- bürgermeister hat die SPD kritisiert!)

- Seien Sie doch einmal ruhig! - Niemand spricht gegen die NABK, sondern es geht darum, dass Sie den Kommunen 3 Millionen Euro vorenthalten, die ihnen zustehen. Das ist unsolide!

(Beifall bei der SPD - Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das ist dummes Zeug!)

Erst vor Kurzem haben wir das Gesetz verändert, mit dem wir die Verwaltungsausgaben in Kapitel 03 26 im Bereich der Integration und der Zuwanderung finanzieren. Wir haben gemeinsam mit den Kommunen kritisiert, dass Sie zwar die Höhen der Fallpauschalen anpassen, dass diese aber auch aus Sicht der Kommunen wiederum eindeutig nicht auskömmlich sind. Auch hier gibt es Aufgabensituationen, die von den Kommunen wahrgenommen werden, die Sie aber nicht in dem Umfang gegenfinanzieren, wie Sie es müssten.

Noch einige Anmerkungen zur Polizei. Sie haben z. B. die Veränderung im Kampfmittelbeseitigungsdienst zu verantworten. Da konnten wir, weil Sie eingeknickt sind, weitestgehend durchsetzen, dass die hoheitlichen Aufgaben der Kampfmittelbeseitigung auch weiterhin als hoheitliche Aufgaben wahrgenommen werden, wenn auch in neuer Organisationsform. Aber im gleichen Zusammenhang wälzen Sie die Kosten, die in diesem Bereich für die systematische Suche und Kartografierung anfallen, auf die Kommunen ab. Das wurde in der Vergangenheit als Serviceleistung des Landes erbracht. Im Rahmen dieser Umorganisation bürden Sie das vollständig den kommunalen Kassen auf. Das ist keine kommunalfreundliche Politik. Auch das haben wir kritisiert.

Das sind viele kleine Bausteine, bei denen Sie entgegen Ihren Beteuerungen den Kommunen in die Taschen greifen. Das gehört zur ganzen Wahrheit dazu.

Meine Damen und Herren, im Bereich der Polizei haben Sie, Herr Schünemann, Strukturverände

rungen zulasten der Wasserschutzpolizei im Binnenland und eine Schwächung der Polizeihubschrauberstaffel zu verantworten. Ich will es nicht noch einmal im Detail deutlich machen, aber durch diese Kürzungen haben Sie sozusagen 100 Anwärterstellen refinanziert. Deswegen haben Sie Ihr Versprechen, 1 000 zusätzliche Stellen zu schaffen, nicht eingehalten. Denn Sie tun es zu Lasten der Substanz dieser beiden Fachpolizeien.

Im Bereich der Zentralen Polizeidirektionen haben Sie gerade gestern im Kabinett eine weitere Neuorganisation beschlossen. Auch das gehört zum Regierungshandeln und ist unverantwortlich. Uns geht es jetzt nicht darum, sofort zu prüfen, ob das sinnvoll ist oder ob man eher Zweifel haben muss. Das werden wir im Innenausschuss tun.

(Thomas Adasch [CDU]: Das ist sehr sinnvoll!)

Aber eines ist klar: Der Personalrat dieser Behörde hat es aus der Zeitung erfahren. So gehen Sie mit Mitbestimmung und mit der Interessenvertretung der Polizei um! Strukturveränderungen setzen Sie ohne den Diskurs mit Personalräten durch. Das zeigt, wie Sie als Arbeitgeber Mitbestimmung in dem von Ihnen zu verantwortenden Bereich wahrnehmen und ernst nehmen. Sei nehmen sie nämlich gar nicht ernst.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Auch das gehört zum Regierungshandeln.

Ich will auch darauf hinweisen - die Debatte ist schon geführt worden -, dass es angesichts von Kosten für den Castortransport in Höhe von 33 Millionen Euro bei einer veränderten Politik Ihrer Partei auf Bundes- und Landesebene sehr wohl gute Alternativen gegeben hätte und dass Sie diese Kostenentwicklung mit zu verantworten haben. Ich sage einmal: Welche Strukturverbesserungen in der Polizei hätten wir mit diesen 33 Millionen Euro alle finanzieren können! Das sind doch ernsthafte Alternativen, was zukünftige Haushaltsstrukturen angeht.

(Thomas Adasch [CDU]: Wer sitzt denn auf den Schienen? - Gegenruf von Detlef Tanke [SPD]: Ihr hättet den Transport absagen müssen!)

- Darüber diskutieren wir jetzt nicht. Das haben wir - - - Herr Kollege Adasch, Sie verstehen es sowieso nicht. Deswegen brauche ich Ihnen das jetzt nicht zu erklären.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Sie stel- len dummes Zeug in den Raum!)

Meine Damen und Herren, auf der anderen Seite werden wir in den nächsten Jahren sukzessive an ein Attraktivitätssteigerungsprogramm herangehen müssen, wie es z. B. die GdP vorgelegt hat. Es geht um eine verantwortliche und geplante Personalpolitik, was den Nachwuchs im öffentlichen Dienst im Land Niedersachsen angeht.

(Thomas Adasch [CDU]: Ihr habt doch über Jahre Stellen abgebaut!)

Auch das steht in unserem Entschließungsantrag. Wir stehen im Wettbewerb um die besten Köpfe. Aufgrund der demografischen Entwicklung werden uns immer weniger junge Leute für die Nachwuchsfunktionen zur Verfügung stehen. Deswegen brauchen wir hier eine höhere Attraktivität. Ich sage es einmal für den Innenhaushalt: Wir brauchen noch deutlich mehr Beförderungsperspektiven von A 9 nach A 10. Wir müssen wieder sicherstellen, dass polizeiliche Sachbearbeitung - sei es im KED, sei es im Einsatzdienst, oder sei es bei den Zentralen Kriminaldiensten - bis A 11 bewertet wird, dass jeder die Chance hat, nach A 11 zu kommen, und dass der Bereich von A 10 in Beförderungsämtern nach A 11 nicht nach anderen Kriterien ausgegrenzt wird. Das ist Bestandteil einer Attraktivitätssteigerung für den Nachwuchs. Die Leute müssen nach einem Bachelorabschluss oder einem Fachhochschulstudium die Chance haben, in kürzerer Zeit in Funktionen von A 10 zu kommen, als Sie das bisher realisieren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will jetzt noch etwas ansprechen, was auch in dem Haushaltsantrag der Grünen angesprochen wird und was ich für die einzige Möglichkeit halte, in den nächsten Jahren realistischerweise Veränderungen herbeizuführen. Aber selbst wenn der Landtag das heute beschließen würde, könnte es haushälterisch nicht im nächsten Jahr greifen. Ich meine eine Veränderung der Aufnahmepolitik.

Wir müssen ernsthaft überprüfen, ob wir zentrale Aufnahmebehörden noch in diesem Umfang brauchen. Sie wissen, dass wir bei Friedland eine Priorität und auf eine stärkere gemeindenahe Unterbringung setzen. Im Sinne schnellerer Integration, z. B. auch erleichterter Arbeitsaufnahme, wäre es sehr wohl möglich, die Kosten, die in diesem Bereich explodieren, deutlich zu verringern und hier zu Einsparvolumina zu kommen. Wir gehen davon

aus, dass das 8 bis 10 Millionen Euro pro Jahr sein könnten.

Durch eine veränderte, humanere Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik ist hier Einsparpotenzial gegeben. Aber Sie denken ja überhaupt nicht daran, an dieser Stelle Ihre Politik zu verändern. Auch das wird eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung nach 2013 konzeptionell angehen und damit gleichzeitig nicht nur zur Kosteneinsparung in diesem Bereich, sondern auch zu mehr Humanität in der Aufnahmepolitik und in der Flüchtlingspolitik beitragen.

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, das sollte deutlich machen, welche Strukturveränderungen im Innenhaushalt angegangen werden müssen, um die Zukunftsaufgaben wirklich zu lösen.

Die Restredezeit für den Innenhaushalt überlasse ich gerne unserem sportpolitischen Sprecher.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Güntzler zu Wort gemeldet. Herr Güntzler, ich erteile Ihnen das Wort.

(Ronald Schminke [SPD]: Er schon wieder!)

- Herr Kollege, Sie strahlen dabei. Deswegen will ich das einmal so zur Kenntnis nehmen. Er freut sich auch.

Ich kenne ihn. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben nun aufmerksam der wie immer mit lautstarker Rhetorik vorgetragenen Rede des Kollegen Bachmann folgen dürfen, in diesem Plenarabschnitt zum dritten Mal. Aber lieber Herr Bachmann, eines ist aber doch auch sicher: Nur gewaltige Worte erzeugen noch keinen Inhalt und auch noch keinen Haushalt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Thomas Adasch [CDU]: So ist es!)

Herr Bachmann, es war auch heute wie immer bei Ihnen: heiße Worte, heiße Luft. Aber ein Nadelstich, und Ihr Luftballon zerplatzt!

Kurt Tucholsky hat einmal gesagt

(Sigrid Leuschner [SPD]: Ja, der war gut!)

- der war wirklich gut -: „Aber was nützen die besten Worte, wenn sie über die Wirklichkeit hinwegtäuschen.“ Und so war es heute wieder. Die Opposition hat hier ein völliges Zerrbild der Wirklichkeit gezeichnet. Mit der Realität hat das rein gar nichts zu tun.