Das VW-Gesetz ist damit ein gutes Stück bundesrepublikanischer Sozialgeschichte und beispielgebend für Europa. Damit sollte sich die EU-Kommission auseinandersetzen - nicht damit, wie man das
VW-Gesetz wegkriegt, sondern damit, wie man die Standards aus dem VW-Gesetz in Europarecht überführen kann.
Meine Damen und Herren, ich habe es vorhin schon gesagt: Deutschland hat alle Auflagen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2008 erfüllt. Nichts ist übrig geblieben, nichts ist es schuldig geblieben. Deswegen ist diese Klage vollkommen absurd. Man könnte auch meinen, dass Eitelkeiten Einzelner maßgebend dafür sind, dass diese Klage erneut eingereicht werden soll, weil sie den Eindruck haben, ihnen sei nicht genug für den Einsatz gedankt worden, den sie geleistet haben. Ich finde das ziemlich armselig. Die Kommission beweist, dass sie ziemlich neben der Spur liegt.
Meine letzte Bemerkung dazu ist ein Wort an den Kommissar Barnier: Bei VW gibt es den Käfer, den Golf, den Touareg, den Sharan und viele andere Modelle
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor vier Jahren standen wir bereits mit der gleichen Thematik an dieser Stelle. Wir haben damals genau die gleiche Debatte geführt. Seinerzeit gab es die Klage der EU-Kommission gegen das VW-Gesetz. Die EU-Kommission sah die Freiheit des Kapitalverkehrs verletzt.
Es gab ein EuGH-Urteil. Nicht das gesamte VWGesetz wurde infrage gestellt, sondern nur bestimmte Aspekte. Man kam zu dem Schluss, rechtliche Veränderungen vorzunehmen. Für uns ist jetzt klar: Das VW-Gesetz entspricht dem EURecht.
Nun, vier Jahre später, erwartet uns vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise ein erneutes Klageverfahren. Die erneute Klage ist für uns nicht nachvollziehbar. Die EU-Kommission zieht die völlig falschen Konsequenzen.
Ich will das begründen: Die Staaten, die über eine solide industrielle Basis verfügen, sind am besten durch die Krise gekommen. Die EU-Kommission hat dies selbst festgestellt. Sie hat daraufhin ihre industriepolitische Strategie neu festgeschrieben. Darin steht ausdrücklich, eine Stärkung langfristiger Entwicklungen und die Ausweitung strategischer Investitionen in europäische Industrieunternehmen seien das Ziel.
Meine Damen und Herren, der Volkswagen-Konzern sollte hierbei Vorbild und Exportschlager in der Zukunft sein und nicht Gegenstand von Angriffen.
Die EU-Kommission macht einen Fehler. Anstatt jetzt an die Umsetzung und Durchsetzung einer Finanzmarktregulierung zu gehen, anstatt jetzt die Kräfte auf die Überwindung dieser Wirtschafts- und Finanzmarktkrise zu konzentrieren, erfolgt ein erneuter Angriff auf das VW-Gesetz. Die Menschen verstehen überhaupt nicht, dass die EU-Kommission - vor dem Hintergrund der europäischen Entwicklung, vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Schwierigkeiten in der europäischen Integration, vor dem Hintergrund der schwierigen Krise, vor dem Hintergrund der Sorgen und Zukunftsängste, die die Menschen zurzeit haben - jetzt nichts Besseres zu tun hat, als die Kapitalverkehrsfreiheit über das Interesse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu stellen.
Der Volkswagen-Konzern ist der größte Automobilproduzent Europas. Er ist einer der führenden Automobilhersteller weltweit. Er ist mit einem Weltmarktanteil von über 11 % eine wirkliche Stütze nicht nur des deutschen Automobilmarktes, sondern des gesamten europäischen Automobilmarktes. Dieser Konzern hat eine hervorragende strategische Bedeutung.
Es geht hier um Standorte, keine Frage. Es geht um die Sicherung von Arbeitsplätzen im Konzern, aber auch in der Zulieferindustrie, keine Frage. Aber es geht für die Zukunft auch um eine Umsteuerung und Neuausrichtung der Automobilwirtschaft. Dabei geht es um die Fragen der Elektromobilität und der neuen Motorentechnik. Es ist einfach gut, dass wir diesen VW-Konzern in seiner jetzigen Verfasstheit und Verfassung haben, mit Mitbestimmung und mit Beteiligung des Landes.
Auch die EU-Kommission hat in ihrer Strategie 2020 ausdrücklich gesagt: Gesellschaftliche Verantwortung und praktizierte Nachhaltigkeit sind die Ziele einer zukünftigen Unternehmenskultur. - Die findet man ausgerechnet und in besonderem Maße bei Volkswagen.
Meine Damen und Herren, aus diesem Grunde fasse ich zusammen: Das VW-Gesetz muss erhalten bleiben. Die Klage in Luxemburg ist nicht sachgerecht. Sie ist sogar fundamental falsch.
Wir stehen solidarisch an der Seite der Betriebsräte, der Beschäftigten des Unternehmens, auch der Konzernspitze. Wir stehen an der Seite der Gewerkschaften. Wir bitten die Landesregierung ausdrücklich, nun weiter alles zu tun, um den Erhalt des VW-Gesetzes sicherzustellen. Unsere Unterstützung haben Sie dabei, Herr Ministerpräsident!
Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE spricht nun ebenfalls der Fraktionsvorsitzende. Herr Adler, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich habe gestern Morgen an der Betriebsversammlung in Halle 11 des VW-Werks Wolfsburg teilgenommen. Das war wirklich beeindruckend.
Ca. 15 000 Beschäftigte waren dort versammelt. Delegationen aller europäischen Betriebe waren dort vertreten. Felix Magath, der Trainer des VfL Wolfsburg, war zusammen mit seiner Mannschaft gekommen. Es war wirklich eine großartige Demonstration.
Die Beschäftigten haben Transparente hochgehalten, die ich sehr interessant fand. Auf einem Transparent stand: Kein zweites Nokia! Wir kämpfen für unser VW-Gesetz!
Wir erinnern uns: Das Unternehmen Nokia hatte in Bochum schwarze Zahlen geschrieben und trotzdem den dortigen Betrieb geschlossen, weil es sich eine höhere Rendite in Rumänien erhofft hatte.
Bei VW wäre das so nicht möglich gewesen; denn dort herrscht ein anderes Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit. Dieses andere Kräfteverhältnis ist durch den 20-prozentigen Anteil des Landes Niedersachsen in Kombination mit der Sperrminorität nach dem VW-Gesetz bestimmt. Das bedeutet, das private Kapital kann sich im Aufsichtsrat nicht allein durchsetzen; es muss immer entweder das staatliche Kapital oder die Arbeitnehmerschaft auf seine Seite ziehen. Das führt zu ganz anderen unternehmerischen Entscheidungen als in anderen Großunternehmen, zu einer anderen Unternehmenskultur. Deshalb ist VW für uns ein Beispiel für Wirtschaftsdemokratie.
Der Betriebsratsvorsitzende Osterloh hat in seiner Rede den Satz gesagt: Wir wollen das VW-Gesetz für alle.
Das finden wir sehr gut, weil wir auch in anderen Großbetrieben ein solches anderes Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit installiert haben möchten. Wir finden es sehr gut, dass sich alle Fraktionen des Niedersächsischen Landtages hinter VW gestellt haben. Aber wir müssen natürlich auch erkennen: An dieser Stelle haben wir unterschiedliche ordnungspolitische Vorstellungen. Strukturbestimmende Großbetriebe gehören nach unserer Auffassung in eine andere rechtliche Konstruktion eingebunden, z. B. so wie bei VW. Dann wären solche Entscheidungen wie bei Nokia nicht möglich; dann gäbe es dort eine solche Unternehmenskultur, wie wir sie bei VW vorfinden.
Auf einem anderen Transparent war ein Schutzwall aufgemalt. Auf dem Schutzwall stand „VW-Gesetz“. Dahinter waren die Beschäftigten versammelt. Vor dem Schutzwall stand eine Kanone, die sozusagen ihr Feuer auf diesen Schutzwall richtet. Auf der Kanone stand „EU“. Das muss uns zu denken geben. Herr McAllister hat gestern gesagt - da hat er auch meinen Beifall gefunden -: Haben die denn in Brüssel keine anderen Probleme, als ausgerechnet jetzt die Axt an das VW-Gesetz zu legen? - Das ist völlig richtig.
VW ist erfolgreich. Deswegen ist es ein Wahnsinn, in diesem Fall die Kapitalverkehrsfreiheit über die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Beschäftigten bei VW zu stellen. Wir müssen uns natürlich auch bewusst machen: Wenn die Kollegen bei VW ein solches Transparent malen, dann empfinden sie die Europäische Union als Bedrohung ihrer sozialen Rechte und nicht als Bereicherung.
Ich will mich jetzt nicht zu den Erfolgsaussichten dieses Antrages an den Europäischen Gerichtshof äußern. Wir wissen, dass dieser Europäische Gerichtshof schon manchmal Entscheidungen getroffen hat, die wir überhaupt nicht gut fanden, z. B. zum Landesvergabegesetz in Niedersachsen.
Man darf übrigens den Europäischen Gerichtshof bitte nicht mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwechseln, über den ich vorhin gesprochen habe; dieser Fehler wird häufig gemacht. Nein, beim Europäischen Gerichtshof in Brüssel sieht es durchaus anders aus. Daher habe ich ein wenig Bedenken, gar nicht so sehr aus juristischer Sicht. Man muss sehen, dass sich die Bundeskanzlerin gegenwärtig mit ihrer etwas arroganten Art, über andere herzuziehen und sie zu schulmeistern, in Europa nicht gerade beliebt macht.