Protokoll der Sitzung vom 07.12.2011

Ich will mit einem Zitat des Bundestagsabgeordneten Wellenreuther beginnen:

„Die NPD ist eine antisemitische, extremistische und rassistische Partei mit 7 000 Mitgliedern, die die freiheitlich

demokratische Grundordnung ablehnt, die parlamentarische Demokratie beseitigen möchte und darauf aus ist, die BRD“

- also die Bundesrepublik Deutschland -

„‚abzuwickeln’.“

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das weiß hier jeder! Dafür brauchen wir keine V-Leute!)

„Darüber besteht - auf Grundlage dessen, was wir gerade durch die V-Leute über die NPD wissen - unter den demokratischen Parteien Einigkeit. Eine solche Partei, die den Nazijargon verwendet, die die Nazidiktatur verehrt, die also den Ursprung des größten Verbrechens der Menschengeschichte verherrlicht und deren Mitglieder Hitler als großen Staatsmann preisen und den Holocaust leugnen, muss von allen demokratischen Kräften geächtet werden …“

Ich glaube, vor diesem Hintergrund wünscht sich natürlich jeder, dass die NPD verboten werden könnte.

Wir haben aber eben ausführlich gehört, welch hohe Auflagen das Bundesverfassungsgericht gemacht hat. Es geht aber nicht nur um die Auflagen, sondern auch die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben dafür gesorgt, dass eben in einer pluralistischen und freiheitlichen demokratischen Gesellschaft eine Parteienvielfalt garantiert werden muss, und hohe Hürden dafür eingezogen, damit es nicht zu leicht sein kann, eine Partei zu verbieten.

Andererseits habe ich eben gesagt, was dazu führen muss, eine solche Partei zu verbieten; denn die Freiheit geht natürlich nicht so weit, dass man in dieser Freiheit die freiheitliche demokratische Grundordnung abschaffen darf. Wer das will, missbraucht diese Freiheit in der Gesellschaft und muss verboten werden.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt haben wir gehört, wie schwierig das mit den V-Leuten ist. Dazu sage ich: Ich bin seit einigen Jahren Mitglied im Verfassungsschutzausschuss. Herr Limburg war dort insgesamt zweimal, andere waren noch gar nicht dort. Wie treffsicher diese Kollegen beurteilen wollen, was V-Leute an Informationen liefern, um aufzudecken, was innerhalb

der NPD, aber auch innerhalb der Kameradschaften und autonomen Gruppen passiert, ist mir schlicht schleierhaft. Herr Limburg war zweimal da.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Dreimal!)

- Ja, dreimal. Aber schlecht zugehört.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Nee, nee, nee!)

Man darf aus den Sitzungen des Verfassungsschutzausschusses jedoch auf keinen Fall zitieren, weil das so geheim ist, dass man kaum sagen darf, dass es ihn gibt. Wenn wir uns an das, was dort vorgetragen worden ist, insgesamt erinnern und das auch insgesamt werten, dann muss ich sagen, dass sich diese Landesregierung im Kampf gegen Nazis, gegen die NPD und auch gegen andere rechtsextremistische Gruppierungen von niemandem übertreffen lässt. Sie braucht dazu auch keine Belehrungen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, meiner Meinung nach müssen wir hinsichtlich der V-Leute sehr sorgfältige Überlegungen anstellen.

(Glocke des Präsidenten)

Natürlich sind die V-Leute nicht das Einzige, was beurteilt werden muss. Natürlich gibt es auch andere Quellen. Ich glaube jedoch, dass insgesamt sehr genau beobachtet werden muss; denn auch die Verbindungen der NPD zu den Kameradschaften und den gewaltbereiten autonomen Gruppen muss man sehr genau im Blick haben. Diese Verbindungen der NPD zu gewaltbereiten Gruppen und Terroristen können ein wesentliches Argument für ein Parteienverbot der NPD sein. Das alles trägt zu einem wesentlichen Erkenntnisgewinn bei. Hier wird nun aber einfach nur fahrlässig gefragt: Was leisten die denn? - Herr Wenzel weiß das natürlich wohl deshalb so genau, weil er in der ersten Reihe sitzt. Ansonsten hat er dazu aber sicherlich keine Erkenntnisse.

Meine klare Aussage ist: Wir sind dafür, dass im Rahmen der Innenministerkonferenz ein neues Verbotsverfahren geprüft wird, dass sich Experten zusammensetzen und alle Aspekte beobachten und dass dann entsprechend gehandelt wird.

(Glocke des Präsidenten)

Ich bin ganz sicher: Mit großer Einigkeit sollte etwas zustande gebracht werden können, was dann sicher zum Erfolg führt. - Das ist die erste Voraussetzung.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich bin gerade in der Schlusskurve. - Es darf nicht dazu kommen, dass die NPD verboten wird, die Kameradschaften aber weiterhin unbeobachtet ihr Unwesen treiben können. Der Vorschlag von Uwe Schünemann - - -

Das ist eine sehr lang gezogene Kurve, Herr Rolfes.

Ja, gut. - Der Vorschlag von Uwe Schünemann liegt beim Bundestagspräsidenten. Er zielt darauf ab, dass die NPD keine Steuermittel mehr zur Parteienfinanzierung bekommen soll. Der Bundestagspräsident hat eine Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes eingeholt. Er kann jetzt handeln.

Vielen Dank. Jetzt sind wir durch.

Der kann prüfen und das Verfassungsgericht anrufen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Rolfes. - Herr Minister Schünemann hat sich zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ermordung von neun ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und von einer Polizeibeamtin hat uns zutiefst schockiert. Darüber hinaus hat diese rechtsextremistische Terrorzelle eine Vielzahl weiterer Straftaten, von Banküberfällen, Bombenattentaten und anderem mehr begangen. Dass dieser NSU tatsächlich über zehn, zwölf, dreizehn Jahre lang diese Straftaten im Untergrund unentdeckt begehen konnte, wirft Fragen auf. Das ist etwas, was wir ohne Wenn und Aber auf den Prüfstand stellen müssen. Das ist, glaube ich, richtig und wichtig.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt ist die Stunde gekommen, um auch die Ermittlungen voranzutreiben und um zu sehen: Gibt es im Umfeld dieser drei, vier oder fünf Personen, die im Moment als mutmaßliche Rechtsterroristen geführt werden, ein weiteres Netzwerk, das wir aufklären müssen? - Insofern ist es ganz wichtig, dass der Generalbundesanwalt auf jede erdenkliche Weise unterstützt wird. Das muss an erster Stelle stehen. Ich kann verstehen, dass die gesamte Öffentlichkeit so schnell wie möglich Informationen haben will und vielleicht auch die Verantwortlichkeiten geklärt wissen will. Entscheidend aber ist, dass wir die Aufklärung jetzt so schnell wie möglich vorantreiben. Das ist Aufgabe der Innenminister der Länder, aber auch des Bundes. Auch der Generalbundesanwalt und das BKA haben hier eine ganz zentrale Aufgabe.

Ich glaube, gerade vor diesem Hintergrund - jetzt muss ich mich doch einmal an Herrn Bachmann wenden - ist es ganz wichtig, dass wir hier nicht voreilig irgendwelche Schuldzuweisungen vornehmen und schon gar nicht in einem Ton sprechen, der irgendwo vielleicht sogar etwas mit Wahlkampf zu tun hat. Das verbietet sich vor dem Hintergrund dieser schrecklichen Anschläge, die wir hier zu beklagen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin sehr froh, dass die Innenminister der Länder und des Bundes, aber auch die Justizministerkonferenz sehr schnell zusammengekommen sind und Änderungen dort, wo klar war, dass welche vorgenommen werden müssen, ganz schnell auf den Weg gebracht haben. Es ist richtig, dass der Informationsaustausch zwischen Staatsschutz und Verfassungsschutz im Bereich Rechtsextremismus nicht so funktioniert hat, wie es notwendig gewesen wäre.

Wir haben in Niedersachsen sehr schnell reagiert. Wir haben eine gemeinsame Informations- und Analysestelle geschaffen, in der nicht nur islamistischer Extremismus gemeinsam analysiert wird, sondern von Anfang an auch Rechtsextremismus und Linksextremismus. Dass dies jetzt auf Bundesebene umgesetzt wird und wir eine Zentraldatei bekommen, ist wichtig. Das aber reicht nicht aus. Wir müssen auch in anderen Bereichen prüfen, wie es passieren konnte, dass wir keine Informationen bekommen haben. Deshalb müssen wir die Ermittlungen abwarten.

Es ist sicherlich zu kurz gesprungen, wenn wir in den Mittelpunkt der Diskussion ein NPD-Verbotsverfahren stellen oder sagen, dass wir damit

die Probleme gelöst hätten. Das ist hier Gott sei Dank aber nicht gesagt worden.

Zusammenhänge zwischen den Rechtsterroristen und der NPD wären unerträglich. Deshalb sage ich hier eindeutig: Wenn es gelingen sollte - auch über die Ermittlungen des Generalbundesanwalts -, einen klaren Zusammenhang herzustellen, dass die NPD auch als Partei den Rechtsterrorismus unterstützt hat, dann ist ein NPD-Verbotsverfahren zwingend. Ich sage Ihnen: Dann wird es auch einen Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht geben. Daran gibt es keinen Zweifel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Papier und auch andere haben aber auch zu Recht darauf hingewiesen, dass man das nicht Einzelnen zuordnen muss, sondern der NPD insgesamt als Partei. Insofern müssen wir hier sehr sorgfältig vorgehen.

Ich schlage deshalb vor - das werde ich auch bei der Innenministerkonferenz tun -, dass wir uns anschauen, wer tatsächlich antragsberechtigt: die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat. Es macht auch Sinn, dass sich Mitglieder dieser Gremien zusammensetzen und alle Dinge zusammentragen und in die Ermittlungen des Generalbundesanwalts mit einfließen lassen, um zu sehen, ob wir genau dieses nachweisen können; denn genau das ist auf jeden Fall Erfolg versprechend.

Gelingt dies nicht, müssen wir uns bewusst machen, was das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2003 klar gesagt hat. Das ist in den letzten Tagen ja auch noch einmal veröffentlicht worden. Also: Wenn wir die V-Leute nicht abziehen, wird es aller Voraussicht nach nicht gelingen, ein Verbotsverfahren zum Erfolg zu führen.

(Glocke des Präsidenten)

Gehen wir einmal davon aus, wir würden es tun, dann würde das bedeuten, dass wir erst die neuen Erkenntnisse, die wir dann haben, heranziehen könnten, um ein Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen. Das bedeutet: Erst in den nächsten drei, vier oder fünf Jahren hätten wir eine Möglichkeit, zu einem Verbotsverfahren zu kommen und dieses Verfahren erfolgreich abzuschließen. Auch das gehört zur Wahrheit hinzu. Deshalb ist es sinnvoll, auch über Alternative nachzudenken.

Es muss aber auch die Frage beantwortet werden: Können wir auf V-Leute verzichten? - Herr Bachmann, Sie haben recht: Natürlich sind es Rechts

extremisten. - Wir müssen aber Informationen bekommen, die dazu dienen, Straftaten oder Skinheadkonzerte und auch Immobilienkäufe zu verhindern. Das gelingt nur, wenn wir frühzeitig von den V-Leuten Informationen bekommen. Die haben wir in Niedersachsen von ihnen bekommen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?