Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

Wenn Sie das Thema Senioren und Kultur vor dem Hintergrund des viel beschworenen demografischen Wandels wirklich vorantreiben wollen, dann dürfen die Themen Altersarmut und finanzielles Ausbluten der Kommunen nicht ausgeklammert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Teilhabe von Seniorinnen und Senioren an der Kultur wird durch die Altersarmut, die in den kommenden 10 bis 15 Jahren durch die Hartz-IV-Gesetzgebung weiter erheblich ansteigen wird, noch spürbarer werden. Die Senioren sind in der Teilhabe schon jetzt stark eingeschränkt. Aber wie sollte es auch anders sein, wenn viele Renten durchschnittlich bei unter 900 Euro pro Monat liegen?

Dieser Entwicklung setzen Sie nichts entgegen, das wollen Sie nicht in den Fokus Ihres Antrags rücken. Ihre Bundesregierung senkt das Rentenniveau weiter. Das hat jüngst zum wiederholen Male eine Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag belegt.

Niemand hier in diesem Raum stellt die sozialen, kreativen oder kommunikativen Potenziale der älteren Menschen infrage. Darum geht es nicht, mitnichten. Wir wollen aber erreichen - das sollte unser gemeinsames Ziel sein -, dass Menschen die Wahl haben, Kultur zu konsumieren oder sich in den entsprechenden Einrichtungen zu engagieren. Diese Wahl haben die älteren Menschen, die Sie erreichen wollen, in zunehmendem Maße nicht mehr. Außerdem sollten Sie einmal erklären, wie die Kommunen trotz des von Ihnen zu verantwortenden finanziellen Streichkonzertes künftig die von Ihnen so gelobten Einrichtungen und Projekte weiterfinanzieren sollen.

Letztlich betrügen Sie die Seniorinnen und Senioren und die Kultur im doppelten Maße: Einerseits schaffen Sie Armut, und andererseits bauen Sie Kultur und freiwillige Leistungen ab. Fortschrittliche Politik sieht aus unserer Sicht anders aus als der hier vorliegende Antrag mit den schönen und unverbindlichen Tönen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

In der vorliegenden Form findet er selbstverständlich nicht unsere Unterstützung. Und mir fehlt der Optimismus von Frau Behrens, zu glauben,

(Daniela Behrens [SPD]: Ich bin Op- timistin!)

dass wir es in der Beratung im Ausschuss erreichen, dass etwas Besseres zustande kommt. Es wäre einfacher und schneller, gemeinsam einen Alternativantrag zu formulieren, der dann in die Debatte geht, als diesen schlechten Antrag umzuschreiben.

Abschließend beantrage ich die Mitberatung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. - Das war ja eine Punktlandung.

(Beifall bei der LINKEN)

Das war eine Punktlandung, Herr Humke, Sie haben recht. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen damit zur Ausschussüberweisung.

Der Antrag soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wissenschaft und Kultur übermittelt werden. Sie haben gerade den Antrag des Herrn Kollegen Humke gehört, ihn auch in den Sozialausschuss zu verweisen; das kann aber auch ohne Probleme noch im Ausschuss beantragt werden. Die Anregung - das war ja kein Antrag, sondern eine Anregung - der Kollegin HeinenKljajić bezüglich der Mitberatung durch die Integrationskommission will ich zumindest nennen; darüber können Sie sich ebenfalls im Ausschuss verständigen. Höre ich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen. - Herzlichen Dank.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 21:

Erste (und abschließende) Beratung: Flexiblere Ausgestaltung des „Freiwilligen Jahres für Seniorinnen und Senioren“ (FJS) - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/4355

Zur Einbringung hat sich seitens der CDU-Fraktion Frau Kollegin Mundlos zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heutige Senioren können mehr. Sie sind länger

aktiv, und sie werden gebraucht. Es ist auffällig, dass viele sich nicht in den wohlverdienten Ruhestand zurückziehen, sondern sich mit ihrer Leistungsfähigkeit und ihrer Lebenserfahrung ehrenamtlich in den Dienst unserer Gesellschaft stellen. Der steigende Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung eröffnet somit reichhaltige Potenziale. Diesen Schatz gilt es zu heben.

Lassen Sie mich zunächst einmal an fünf Punkten in aller Kürze darstellen, dass die Seniorenpolitik in Niedersachsen bereits sehr gute, hervorragende Akzente setzt.

Erstens. Die Landesregierung hat die Landesinitiative Niedersachsen Generationengerechter Alltag ins Leben gerufen. Mit dem Portal www.lingaonline.de bietet das Land Seniorinnen und Senioren einen Onlineservice, der über altersgerechte Produkte, Dienstleistungen und seniorenspezifische Veranstaltungen informiert.

Zweitens. In Zusammenarbeit mit der Wolfsburg AG hat das Land die Niedersächsische Landesinitiative generationengerechte Produkte gegründet.

Drittens. 2006 ist Niedersachsen dem europaweiten Netzwerk Europäischer Regionen Seniorenwirtschaft beigetreten. Die Landesregierung verbessert in diesem Rahmen die Lebensqualität älterer Menschen und fördert gemeinsam mit dem niedersächsischen Handwerk, der Industrie und vielen anderen gerade diese Aspekte.

(Zustimmung von Norbert Böhlke [CDU])

Viertens. 2008 hat Niedersachsen als erstes Flächenland damit begonnen, Seniorenservicebüros aufzubauen. Bis Ende 2011 wurden bereits 45 Büros eingerichtet. Auch das ist ein sehr gutes Zeichen.

Fünftens. Bereits 2005 hat das Land zwei Modellprojekte „Freiwilliges Jahr für Seniorinnen und Senioren“ in Hannover und Osnabrück gefördert. Das FJS gibt den Teilnehmern die Möglichkeit, ihre Lebenserfahrung, ihr Wissen und ihre freie Zeit für die Mitmenschen einzubringen. Das ist eine Winwin-Situation. Das, was man gibt, bekommt man in anderer Weise wieder zurück. Ein positives Beispiel für Geben und Nehmen!

(Zustimmung von Norbert Böhlke [CDU] und Roland Riese [FDP] - Kreszentia Flauger [LINKE]: Kollektive Begeisterung in den beiden Fraktio- nen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Generation der Erfahrenen ist mit ihren zahlreichen Kompetenzen für unsere Gesellschaft essenziell und notwendig, gerade im Bereich des freiwilligen Engagements. Das freiwillige Engagement eröffnet für viele ältere Menschen die Möglichkeit, geistig und körperlich aktiv zu bleiben, vermittelt ihnen auch das wichtige Gefühl, gebraucht zu werden, und kann gleichzeitig vor Isolierung bewahren.

Die Ergebnisse lassen sich durchaus sehen. Derzeit liegt die Engagementquote in Niedersachsen bei sage und schreibe 37 %.

(Zustimmung von Norbert Böhlke [CDU] und Roland Riese [FDP])

Daher müssen die Ressourcen und Fähigkeiten der älteren Menschen künftig noch mehr gewürdigt und noch mehr und besser genutzt werden.

Hierbei wird es insbesondere darauf ankommen, dass die Rahmenbedingungen des Freiwilligen Jahres für Seniorinnen und Senioren deren individuellen Bedürfnissen noch stärker als bisher Rechnung tragen und noch besser auf diese abgestimmt werden.

Die flexiblere Ausgestaltung ist in diesem Rahmen ein wichtiger Schritt. Das heißt: Die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass die Potenziale auch zum Tragen kommen können.

Wir möchten daher, dass von der bisherigen Regelung einer Mindestverpflichtungsdauer der Teilnehmer von sechs Monaten sowie dem festgesetzten Stundenkontingent von acht Stunden pro Woche Abstand genommen wird. Dadurch wollen wir den unmittelbar Beteiligten ermöglichen, Vereinbarungen untereinander zu treffen, die passgenau auf den jeweiligen Teilnehmer zugeschnitten werden können.

Eine höhere Flexibilität kann ferner dadurch geschaffen werden, dass sogenannte Pool-Lösungen zugelassen werden. Verschiedene Teilnehmer eines Einsatzfeldes können sich dann stärker und nachhaltiger untereinander vertreten und vernetzen.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Sehr rich- tig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein wichtiger Gesichtspunkt ist darüber hinaus, dass das freiwillige Engagement noch stärker in der Bevölkerung anerkannt und gewürdigt wird. Mithilfe der Seniorenservicebüros sollen künftig vermehrt Zertifikate und Auszeichnungen wie beispielsweise der

Kompetenznachweis „Engagiert in Niedersachsen“ vergeben werden und damit erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen nach außen hin auch für andere sichtbar dokumentiert werden. Ich sage dazu dann auch: Anerkennung, wem Anerkennung gebührt!

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Richtig!)

Um den Bekanntheitsgrad des Freiwilligen Jahres für Seniorinnen und Senioren noch weiter zu steigern, setzen wir auch auf eine stärkere Werbung im Rahmen von persönlichen Informationsveranstaltungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, früher oder später ist jeder von uns im Seniorenalter. Wir sind quasi alle gemeinsam so, wie wir hier sitzen, der Nachwuchs.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das stimmt!)

Deshalb, weil wir alle in gewisser Weise davon betroffen sein könnten, freue ich mich in besonderer Weise auf die Beratungen im Ausschuss. Ich freue mich darauf, dass die Flexibilisierung des Freiwilligen Jahres für Seniorinnen und Senioren dann möglichst auf breiter Basis getragen wird und dazu beiträgt, dass noch mehr älteren Menschen ehrenamtliches Engagement ermöglicht wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Frau Kollegin Mundlos. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Groskurt das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ich habe Ihren Antrag altersentsprechend wirklich sehr wohlwollend gelesen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Die Einrichtung und finanzielle Unterstützung der Seniorenservicebüros war und ist eine gute Entscheidung.