Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

Wir haben in Niedersachsen zahlreiche Kleinkunstbühnen, die Spielstätten für freie Theatergruppen, Singer-Songwriter, Kabarettisten, PoetrySlammer, Jugend- und Soziokultur und viele andere Kunstformen sind. Viele Veranstaltungsorte sorgen sich um den Erhalt und die Zukunftssicherung ihrer Einrichtungen. Wir erinnern uns an den schwarz-gelben Sozial- und Kulturkahlschlag in Braunschweig. Wir wissen um die Sorgen im SPDgrünen Hannover, um die bedrohliche Situation in Hildesheim. Diese Beispiele gelten für alle Teile des Landes. Da hilft ein neuer Preis herzlich wenig, meine Damen und Herren.

Viele Kulturschaffende sind von den intransparenten Förderstrukturen in Niedersachsen genervt. Das, was eigentlich fördern soll, fordert erst einmal viel Zeit und Energie, um zu klären, wer in welcher Region zu welchen Bedingungen und mit welchen Fristen ein potenzieller Mittelgeber sein könnte. Auch hier hilft ein Preis herzlich wenig.

Frau Ministerin, ich schlage vor, dass das MWK ein Internetportal einrichtet, das für jede Region die bekannten potenziellen Förderer aller Kultursparten auflistet. Das wäre eine konkrete Verbesserung ohne großen finanziellen Aufwand.

Was sagen uns die Künstler, meine Damen und Herren? - Die Deutsche Presse-Agentur berichtete am 5. August 2011 über den Hannoveraner Poetry-Slammer Tobias Kunze, der 2009 zum Europameister gekürt wurde. Kunze beklagt, dass den meisten Künstlern zur Weiterentwicklung die

Förderung fehle. Während in vielen Bundesländern Dichter mit Poetry-Slam-Hintergrund inzwischen von Literatur- oder Kulturbüros gesponsert würden, gebe es in Niedersachen immer noch eine klare Grenze zwischen sogenannter hoher Literatur und den Dichterwettbewerben. In Niedersachsen hätten es Künstler deshalb schwerer, sich zu etablieren. Das, Frau Heinen-Kljajić, erklärt dann vielleicht auch, warum die Zahl der bekannten hiesigen Künstler nicht so hoch ist.

Die Linke hatte dem Ausschuss auch mit Blick auf diese Kritik vorgeschlagen, sich mit den Förderstrukturen und Fördermöglichkeiten für Nachwuchskünstler eingehend auseinanderzusetzen. Am Ende dieses Prozesses kann auch ein Kleinkunstpreis stehen. Aber einen Preis auszuloben, ohne sich mit den Problemen und Nöten der Künstlerinnen und Künstler zu befassen und ohne für qualitative Verbesserungen zu sorgen, ist nach Auffassung der Linken unredlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Überhaupt nichts zu tun, so wie es CDU und FDP machen, ist aber auch kein Stück besser, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Professor Dr. Wanka. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, Kleinkunst genießt bei allen hier im Raum große Sympathie.

(Zustimmung bei der CDU)

Aber heute geht es nicht darum, wie es um die Kleinkunst in Niedersachsen bestellt ist, sondern ganz konkret um die Frage: Macht es Sinn, einen neuen Preis, einen Staatspreis für Kleinkunst, auszuloben? Welche kulturpolitische Relevanz hätte er? Was brächte er den Kleinkünstlern und den Kulturschaffenden in dem Bereich?

Unabhängig davon, ob wir dazu irgendwo eine Definition finden, Frau Behrens, bildet das, was zur Kleinkunst dazugezählt werden kann, auf jeden Fall einen bunten Strauß: Schwarzlichttheater, Jonglage, Zauberei, Comedy usw. Daran sieht man schon, dass die Grenzen zur Soziokultur, zu den Literaturclubs, zu den Amateurtheatern und zu

vielen anderen Dingen nur ganz schwer gezogen werden können. Und deswegen kann man auch nicht sagen, Herr Perli - Sie haben doch ein bisschen aufgepasst -, dass wir nichts für diesen Bereich der Kultur und der Kunst tun.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Richtig!)

Gerade wenn ich an die Soziokultur und das 2Millionen-Euro-Investitionsprogramm, an unsere Förderung für die Amateurtheater oder an die Literaturhäuser denke: Die Summen sind nicht nur konstant geblieben, sondern zum Teil gewachsen. Diese Rahmenbedingungen sind für die Kleinkünstler wichtig.

(Victor Perli [LINKE]: Ich habe Prob- leme benannt!)

Und nun noch eine Bemerkung dazu, dass keiner wüsste, woher man Geld bekommt und wie gefördert wird. Also, so viel Skepsis gegenüber dem Intellekt der Kleinkünstler habe ich noch nie erlebt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ob in Osnabrück oder in Oldenburg, die regionale Kulturförderung ist bei den Landschaften verankert.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Richtig! Die machen gute Arbeit!)

Lesen Sie einmal unseren ersten Kulturbericht, in dem die Förderstrukturen für Niedersachsen klar dargestellt sind. Ich bringe Ihnen gern ein Exemplar mit.

(Victor Perli [LINKE]: Die rufen bei mir an und fragen, wohin sie sich wenden sollen! Das ist die Situation!)

Ich komme jetzt zu der Frage, ob man einen Preis ausloben soll. Bei der außerordentlichen Breite der Kleinkunst würde es jedenfalls außerordentlich schwierig, eine Jury oder überhaupt Kriterien zu finden. Es gibt ja auch schon einige Preise, lokal in Wilhelmshaven und an anderer Stelle; ich denke, da hat man ein überschaubares Einzugsgebiet. In Baden-Württemberg existiert ein Staatspreis für Kleinkunst. Insgesamt sind es 37 Preise in Deutschland. Aber wenn man sich die Preisträgerlisten anschaut, findet man immer wieder dieselben arrivierten Künstler. Das heißt, die Gefahr, dass es zu einer weiteren Kommerzialisierung der Kleinkunst kommt, ist sehr groß. Auch aus diesem Grund sollte man, denke ich, keinen solchen Preis neu ausloben.

Außerdem, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD: Sie haben im vergangenen September einen Antrag eingebracht, in dem steht, dass Sie von der inflationären Entwicklung der Preisauslobungen die Nase voll haben. Und jetzt kommen Sie mit einem neuen Preis! Das passt irgendwie nicht zusammen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Daniela Behrens [SPD]: Aber doch nicht in der Kultur!)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/3917 ablehnen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Antrag der Fraktion der SPD abgelehnt.

Wir gehen jetzt in die Mittagspause und setzen unsere Beratungen wie geplant um 14.30 Uhr fort. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Appetit!

(Unterbrechung der Sitzung von 13.07 Uhr bis 14.32 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Sitzung nach der Mittagspause wieder eröffnen.

Wir fahren mit Tagesordnungspunkt 20 fort:

43. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 16/4450 - unstrittige und strittige Eingaben - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4491 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/4498 - Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4499

Wir kommen zunächst zur Behandlung der unstrittigen Eingaben.

Ich rufe die Eingaben aus der 43. Eingabenübersicht in der Drs. 16/4450 auf, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen.

Wer der Ausschussempfehlung zu diesen Eingaben zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann haben wir so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Behandlung der strittigen Eingaben.

Ich rufe die Eingaben aus der 43. Eingabenübersicht in der Drs. 16/4450 auf, zu denen die eben von mir erwähnten Änderungsanträge vorliegen.

Wir treten in die Beratung ein und versuchen, das etwas zu strukturieren. Zunächst erteile ich der Kollegin Korter zur Eingabe 02545/04/16, IGS Friesland, das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um die Landtagseingabe des Schulelternrats der IGS Friesland, Frau Martina Esser. Die Petentin ist Schulelternratsvorsitzende und kritisiert die Ablehnung des Antrags auf Umwandlung der IGS Friesland in eine gebundene Ganztagsschule zum Schuljahr 2011/2012. Sie fordert eine Gleichbehandlung mit den zwei im Landkreis zum Schuljahresbeginn 2011/2012 neu errichteten Oberschulen, die als teilgebundene Ganztagsschulen Lehrerstunden für ein verpflichtendes Angebot nachmittags an zwei Tagen, ergänzt durch ein freiwilliges Angebot an weiteren Tagen in der Woche erhalten.

Um fast gleichlautende Sachverhalte geht es in den Petitionen der IGS Kreyenbrück und der IGS Bovenden im Landkreis Göttingen.

In allen Fällen argumentiert das Kultusministerium, alles sei gerecht, und die neuen IGSen hätten gar keinen Grund, sich zu beschweren. Sie würden sogar noch besser ausgestattet als neue Ganztagsschulen. Meine Damen und Herren, wenn das so wäre, warum stellt dann das Kultusministerium den neuen Gesamtschulen eigentlich nicht frei, sich für die angeblich doch schlechtere Variante zu entscheiden? - Da stimmt doch etwas nicht.

Meine Damen und Herren, Sie müssen die Eltern nicht für dumm verkaufen, und das Parlament auch nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Sie können doch nicht im Ernst bestreiten, dass Sie den Gesamtschulen weniger Ressourcen für das Ganztagsangebot geben als den Oberschulen. Auch der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts von voriger Woche gibt Ihnen keinen Freibrief;

denn das Gericht hat nur überprüft, ob die Landesregierung mit der Festlegung der Mindestzügigkeiten ihren Gestaltungsspielraum überschritten hat. Es hat aber nicht gesagt, dass diese Ungleichbehandlung auch von der Sache her richtig ist, besonders nicht unter pädagogischen Aspekten.

(Jens Nacke [CDU]: Und das hat Ih- nen nicht gepasst!)

Herr Nacke, Sie können natürlich Ihren Gestaltungsspielraum weiterhin so nutzen - Herr Thümler und auch der Kultusminister sind leider nicht hier -, dass Sie immer mehr Eltern vor den Kopf stoßen. Aber ich kann Ihnen sagen: Dann werden wir das nach der nächsten Landtagswahl korrigieren und den Gesamtschulen genauso gute Chancen einräumen wie den anderen.