Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist gute Arbeit? Auf diese Frage antworten die meisten Menschen: Meine Arbeit soll sicher sein und anständig entlohnt werden. Sie soll meiner Gesundheit nicht schaden, und ich möchte mitbestimmen, wie und was ich mache. Von guter Arbeit kann also nur dann die Rede sein, wenn diejenigen, die sie verrichten, nicht nur gerecht dafür entlohnt werden, sondern auch keine gesundheitlichen Schäden befürchten müssen.
Nur CDU und FDP sehen dort keinen Bedarf. Für Frau König geht ein Gespenst um, wenn man von prekärer Beschäftigung spricht. Prävention wollen Sie nicht. Die Menschen sind selbst verantwortlich. Sie sagen, vieles in diesem Antrag sei überholt oder falsch. Von Ihnen kamen aber keine Änderungsvorschläge, nichts, von dem man sagen könnte: Lassen Sie es uns einarbeiten. - Sie haben einfach nur gesagt: Das wollen wir nicht, und die Menschen sollen selber sehen, wie sie gesund bleiben, bzw. sind selbst schuld, dass sie krank werden. - Ich spitze es bewusst so zu.
Als Grund für Arbeitsunfähigkeit haben insbesondere psychische Erkrankungen wie das sogenannte Burn-out-Syndrom in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Auf der Ursachenliste für Berufsunfähigkeit nehmen psychische Erkrankungen einen Spitzenplatz ein. Das Versicherungsunternehmen Swiss Life berichtete kürzlich, dass 28 % der als berufsunfähig eingestuften Arbeitnehme
rinnen und Arbeitnehmer wegen einer psychischen Erkrankung ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen können. Lediglich Erkrankungen der Wirbelsäule liegen mit 29 % knapp darüber. Symptome psychischer Erkrankungen sind u. a. Schlafstörungen, Depressionen und Herzinfarkte.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, was sind die Ursachen? - Die Antwort lautet: Überstunden, Zeitdruck und Stress. Sie prägen zunehmend die heutige Arbeitswelt. Man spricht daher auch von einer 24/7-Gesellschaft. Das heißt, an sieben Tagen in der Woche wird 24 Stunden täglich Leistung gefordert. Meine Damen und Herren, dass eine solche Überbelastung neben körperlichem Leiden auch psychische Folgeerkrankungen mit sich bringt, sollte doch niemanden verwundern.
Der rasante Anstieg psychischer Erkrankungen ist unweigerlich auf die enorme Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen zurückzuführen. Wenn wir die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fördern wollen, dann müssen wir die Ursachen, dann müssen wir prekäre Arbeitsverhältnisse bekämpfen.
Angesichts solcher Entwicklungen ist der SPDAntrag zu begrüßen. Wir haben trotzdem diskutiert, ob wir diesem Antrag zustimmen können oder nicht. Das muss ich leider immer wieder erwähnen: Die Punkte, die Sie in Ihrem Antrag aufgeführt haben, sind völlig richtig. Wir können sie alle nur unterstützen. Auch die Beschreibung der Ursachen ist richtig. Ich würde mir allerdings wünschen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie Ihre ganze Kraft dafür einsetzen, dass die Entscheidungen zur Agenda 2010, dass die HartzGesetze zurückgenommen werden. Dann werden Sie ganz glaubwürdig.
Trotz dieser eben von mir geschilderten Lage stimmen wir Ihrem Antrag zu, weil wir meinen, dass dieser Antrag als ein Schritt in die richtige Richtung gewertet werden kann, dass weitere soziale und arbeitsmarktpolitische Erkenntnisse auch bei Ihnen - ich hoffe das - folgen und dass Sie vieles von dem, was Sie gemacht haben, rückgängig machen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn die Zeit fortgeschritten ist, möchte ich auf diesen Antrag doch noch einmal inhaltlich näher eingehen und bitte Sie um Aufmerksamkeit.
Das ist es wert; denn in der Einschätzung der zentralen Bedeutung des Gesundheitsmanagements für die Erhaltung der Gesundheit der Beschäftigten, für mehr Arbeitsfreude und Zufriedenheit und die Senkung des Krankenstandes sind wir uns einig. Doch ich merke an: Die in Ihrem Antrag aufgestellten Forderungen sind auf Landesebene bereits umgesetzt, oder es wird intensiv daran weitergearbeitet, und das beinhaltet auch, dass diese Arbeit innovativ fortgesetzt wird. Es kommen ja immer neue Entwicklungen.
Die berufsbedingten Belastungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Vielfältige technische Geräte wurden und werden entwickeln, erleichtern körperlich schwere Arbeiten und helfen, die Krankenquote solcher berufsbedingter Krankheiten zu senken.
Dafür haben - das haben wir eben schon mehrfach betont - die psychischen Belastungen des Arbeitslebens zugenommen. Das belastet die Unternehmen und die Volkswirtschaft insgesamt und verursacht hohe Kosten. Es ist unser aller Anliegen, dies zu senken.
Es ist allerdings auch ein ganz schwieriger Bereich. Die psychischen Krankheiten sind medizinisch einfach viel schwerer zu behandeln, als wenn man sich ein Bein bricht. Das ist nun einmal so. Das ist ein schwieriger Sachverhalt.
Für die Mitarbeiter der niedersächsischen Landesverwaltung verweise ich auf den umfassenden und systematischen Ausbau des Gesundheitsmanagements, denn auch die wurden ja in Ihrem Antrag angesprochen.
In die Liste des Deutschen Netzwerkes für betriebliche Gesundheitsförderung der 16 bundesweit beispielhaften Leuchtturmprojekte wurde das niedersächsische Gesundheitsmanagement aufgenommen.
Die Internetseite „Gesundheitsmanagement Niedersachsen“ bietet Beschäftigten, Führungskräften und Interessierten umfassendes Material zum Beratungsservice der Landesregierung, stellt Hand
lungskonzepte bereit, veröffentlicht erfolgreiche Praxisbeispiele und benennt konkrete Ansprechpartner. Schauen Sie sich das einmal an.
Viele Ihrer berechtigten Feststellungen und Forderungen sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes tägliche Praxis. Das Projekt „Arbeit ‚fair’bessern“ bietet Landesbehörden an, mit Unterstützung von externen Beratern eine systematische Analyse der jeweiligen Arbeitsbedingungen zu erarbeiten und gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die Arbeitsabläufe gesundheitsförderlich und erfolgreich zu gestalten. Davon profitieren die Beschäftigten, das Land Niedersachsen als Arbeitgeber und die Bürgerinnen und Bürger durch gute Dienstleistungen.
Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität Göttingen sind führend tätig, Ursachen und Zusammenhänge psychischer Arbeitsbelastung zu verstehen und wirksame Präventionskonzepte zu entwickeln.
In niedersächsischen Unternehmen gibt es viele nachahmenswerte Beispiele für gutes betriebliches Gesundheitsmanagement. Die Unternehmer haben nämlich schon lange erkannt, dass sie das machen müssen; das ist erforderlich.
Im Übrigen sind dafür laut Gesetzgeber die Krankenkassen und nicht die staatlichen Gewerbeaufsichtsämter, wie Sie es darstellen, zuständig. Informationen, praktikable Lösungswege und Motivation sind erforderlich, um die Situation der Beschäftigten weiter zu verbessern, und nicht die Abänderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Bund und Länder und auch das Land Niedersachsen haben das Problem des demografiebedingten Mangels an Betriebsärzten mit dem Ziel aufgegriffen, gemeinsame Lösungen zu finden. Leider kann man sich diese ja nicht backen. Aktuell werden Maßnahmen erarbeitet, um die Nachwuchssicherung von Betriebsärzten zu verbessern. In der zweiten Jahreshälfte findet dazu übrigens ein Kongress statt.
Gewerbeärzte als Bestandteil der staatlichen Gewerbeaufsicht führen bereits intensive arbeitsmedizinische Beratungen durch. Davon habe ich mich schon in der Praxis überzeugen können. Hier besteht kein Handlungsbedarf.
Die Rentenversicherungsträger als selbstverwaltete Körperschaften wenden geltendes Recht eigenverantwortlich an. Gesundheitliche Präventions
maßnahmen gehören nicht zu den Pflichtaufgaben. Sie initiieren aber freiwillige Projekte. Rehabilitationsmaßnahmen werden sowohl von den Rentenversicherungsträgern als auch von den Krankenkassen durchgeführt. Einen Stau gibt es dabei nachweislich nicht.
Inzwischen existieren in elf Branchen vereinbarte Mindestlöhne. Jetzt muss es darum gehen, für Branchen, in denen keine Tarifverträge existieren, eine Untergrenze festzulegen. Wir stehen für eine verbindliche Lohnuntergrenze, die marktwirtschaftlich von den Tarifpartnern gefunden wird. Einen politischen Mindestlohn lehnen wir ab.
Ihr Antrag behandelt ein wichtiges Thema: die Erhaltung der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ihre Forderungen und Vorschläge sind von den aktuellen Entwicklungen in Niedersachsen allerdings schon überholt.
Meine Damen und Herren, ich darf mich im Namen des ganzen Hauses bei Frau Ministerin Özkan bedanken, die auf Ihre Rede verzichtet. Damit kann ich die Beratung für heute schließen.
- Wenn Sie darauf Wert legen: Ich darf dem Hause verkünden: Es gibt einen Fußballverein aus Hannover, der 1 : 0 führt.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/4041 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist mehrheitlich so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Sitzung für heute, wir sehen uns morgen früh um 9 Uhr wieder.