Protokoll der Sitzung vom 21.03.2012

Was fordern wir im Einzelnen? - Der sogenannte Große Lauschangriff soll für den niedersächsischen Nachrichtendienst gestrichen werden. Wohlgemerkt, wir wollen dem Verfassungsschutz die Möglichkeit zum Abhören nicht in Gänze nehmen, sondern es geht um das Verbot des Abhörens von privaten Wohnräumen.

Machen wir uns einmal klar, wer die Befugnis zum Abhören von Wohnungen hat: Das sind zunächst die Strafverfolgungsbehörden, also grundsätzlich alle Staatsanwaltschaften, dann die niedersächsische Polizei, die das zur Gefahrenabwehr darf, und natürlich dürfen dies auch die jeweiligen Bundesbehörden.

Meine Damen und Herren, daneben muss nicht auch noch der niedersächsische Nachrichtendienst in die Wohn- und Schlafzimmer der Bürgerinnen und Bürger lauschen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Wir wollen die Befugnis zur Speicherung von Daten über Personen daran knüpfen, dass diese mindestens 16 Jahre alt sind. Bislang liegt die Grenze bei 14 Jahren. In Akten dürfen sie sogar über noch jüngere Menschen Daten speichern. Meine Damen und Herren, was ist das für ein Nachrichtendienst, der Dateien und Akten über Kinder anlegt? Sollen wir wirklich glauben, dass Kinder unsere Verfassung bedrohen? - Das ist doch albern! Diese Vorschrift gehört gestrichen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN - Jan- Christoph Oetjen [FDP]: Das sind Ju- gendliche, nicht Kinder!)

Ein Grundsatz der Demokratie ist es, dass alles, jede Information und jede Maßnahme der Regierung, öffentlich bekannt sein und öffentlich diskutiert werden muss. Bei den Geheimdiensten wird dieses Prinzip durchbrochen, weil sie für ihre Arbeit notwendigerweise geheim tätig sein müssen. Die mangelnde öffentliche Kontrolle soll durch Ausschüsse der jeweiligen Parlamente ersetzt werden, die die Kontrollfunktion wahrnehmen.

Meine Damen und Herren, wie ist aber der entsprechende Ausschuss bei uns im Landtag ausgestattet? - Während in fast jedem anderen Themenbereich das gesamte Parlament und die Öffentlichkeit die Kontrolle der Arbeit der Exekutive übernehmen, soll das im Bereich des Verfassungsschutzes ausschließlich durch einen kleinen Landtagsausschuss und die G10-Kommisson gewährleistet werden. Wir fordern, dass genau so, wie es sich im parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages bewährt hat, auch ein eng definierter Kreis von Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern Zugang zu den Unterlagen und den Ausschussprotokollen erhält. Das würde die Arbeit erleichtern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zusätzlich muss der Ausschuss die Möglichkeit bekommen, Beauftragte einzusetzen, um bei seiner Arbeit unterstützt zu werden.

Meine Damen und Herren von CDU, FDP und SPD, die Sie als ganz große Koalition diesen An

trag ablehnen werden, Ihre pauschale Behauptung, die parlamentarische Kontrolle sei gut so, wie sie ist, und man müsse nichts verändern, spottet der Realität. In Wahrheit können wir kaum bewerten, wie gut die Kontrolle der Arbeit des Verfassungsschutzes ist, weil wir zu selten tagen, zu schlecht ausgestattet sind und zu wenig Einsichtsrechte haben.

Von CDU und SPD bin ich Jubelarien auf den Verfassungsschutz ja gewohnt. Aber dass die frühere Bürgerrechtspartei FDP keinen Wert auf verbesserte parlamentarische Kontrolle des Nachrichtendienstes legt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Bürgerrechte bei Ihnen, Herr Kollege Grascha, nur der Pausenclown zwischen zwei Steuersenkungsdebatten sind.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben bereits heute Vormittag eine Debatte über Beurteilungen geführt. Herr Limburg, ich würde mir wünschen, dass auch Sie sich daran halten. Aber Herr Oetjen winkt ab. Von daher können wir zum nächsten Redner übergehen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ich habe doch nicht gesagt, dass Herr Grascha der Pausenclown ist!)

Herr Adasch von der CDU-Fraktion hat das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion sieht keinen Handlungsbedarf für eine umfassende Reform des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Der Bund hat die Maßnahmen, die im Antiterrorgesetz festgeschrieben sind, eingehend geprüft und den überwiegenden Teil um weitere vier Jahre verlängert. Dies ist durch die weiterhin bestehende Bedrohungslage begründet. Die Beobachtung verdächtiger Personen ist weiterhin dringend geboten und befindet sich im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeit. Niemand kann Vorkommnisse wie beispielsweise die geplante Anschlagsserie der sogenannten Sauerlandgruppe für die Zukunft ausschließen.

Der Verfassungsschutz leistet eine hervorragende Arbeit. Die Aufgabe der Politik ist es, die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Der Antrag der Grünen erweckt jedoch den Eindruck,

dass die Arbeit des Verfassungsschutzes so weit wie möglich behindert werden soll.

Die Linkspartei hat in der Vergangenheit oftmals sogar betont, den Verfassungsschutz abschaffen zu wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies ist für eine wehrhafte Demokratie eine Ungeheuerlichkeit und zeigt Ihr gestörtes Verhältnis zu wichtigen Prinzipien unseres Grundgesetzes.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Nein, die Zivilgesell- schaft kann das viel besser!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, bitte überdenken Sie daher Ihre Positionen und stimmen Sie nicht in die Empörungsarien der Linkspartei ein! Viele Ihrer Vorschläge ändern entweder nichts an der bestehenden Situation oder erschweren die Aufgabenerfüllung, die dem Verfassungsschutz nach dem Gesetz zukommt, in einem unverhältnismäßig hohen Maße.

So soll die technische Überwachung in privaten Wohnräumen ersatzlos gestrichen werden. Gerade mit diesem Instrument wird es dem Verfassungsschutz ermöglicht, sich andeutenden Gefährdungslagen nachzugehen. Somit wird ein wichtiger Beitrag für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes geleistet.

Zudem wollen Sie die Bestimmungen verändern, die den Datenaustausch mit ausländischen Behörden sowie die Auskunftspflicht von Anbietern von Post-, Flug- und Telemediendiensten betreffen.

Auch die Beobachtung Minderjähriger wollen Sie, wie eben vorgetragen, beenden. Dies ist in Anbetracht der leider vorhandenen Problemlagen jedoch abzulehnen. Gerade Jugendliche werden oftmals instrumentalisiert und sind für extremistisches und fundamentalistisches Gedankengut empfänglich. Es wäre geradezu fahrlässig, die Augen vor dieser Realität zu verschließen.

Eine Absenkung der Schwelle für die Anrufung des Datenschutzbeauftragten erachtet die CDU-Fraktion für nicht zielführend. Bereits heute besteht die Möglichkeit, mit den Stimmen eines Viertels der Mitglieder des Verfassungsschutzausschusses eine Überprüfung einzelner Maßnahmen durch den Landesdatenschutzbeauftragten zu beantragen. Zudem ist die geforderte Einbindung des Staatsgerichthofes abwegig und wird von uns nicht unterstützt.

In dem Antrag der Grünen heißt es, dass die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes verbessert werde, wenn die Ausschussmitglieder aus der Mitte des Landtages gewählt würden. Dieser Argumentation kann ich nicht folgen, da sich im Vergleich zur aktuellen Situation faktisch nichts ändern würde. Einzig dem Punkt der angestrebten Stellvertreterregelung könnte die CDU-Fraktion zustimmen, um einen reibungslosen Arbeitsablauf bei Verhinderung eines Ausschussmitgliedes zu gewährleisten.

Fraktionsmitarbeiterinnen und Fraktionsmitarbeiter sollen weiter nicht an den Sitzungen des Verfassungsschutzausschusses teilnehmen. Neben dem Arbeitsablauf müssen schließlich noch die besonderen Geheimhaltungspflichten berücksichtigt werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Gleiches gilt für externe Sachverständige bezüglich der Unterstützung bei Kontrollaufgaben. Durch die Heranziehung eines derartig erweiterten Personenkreises wird das grundlegende Prinzip der Geheimhaltung unnötig gefährdet.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das klappt im Bundestag doch auch!)

Zudem wird hier Ihre in unverhältnismäßigem Maße kritische Einstellung zum Verfassungsschutz erneut deutlich. Es bedarf keiner externen Sachverständigen, damit der Verfassungsschutz die vorgesehenen Aufgaben erfüllen kann.

Alles Weitere, wie beispielsweise die Modifizierung des jährlichen Verfassungsschutzberichts zugunsten einer Unterscheidung von Verdachtsfällen und erwiesenen Fällen von Verfassungswidrigkeit, welche zudem noch nach ihrem Grad der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unterteilt werden sollen, lehnen wir ab. Der Verfassungsschutz kommt seiner Berichtspflicht bereits jetzt vollumfänglich nach und sorgt damit für Transparenz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Insgesamt ist also festzuhalten, dass die CDUFraktion die Skepsis, die dem Verfassungsschutz entgegengebracht wird, nicht teilt und somit die Forderungen der Grünen ablehnt.

(Zustimmung von Angelika Jahns [CDU])

Wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass dem Verfassungsschutz das für dessen Arbeit nötige Instrumentarium zur Verfügung gestellt wird. Eine verschärfte parlamentarische Kontrolle sehen wir ebenso wenig als notwendig an.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Rednerin ist Frau Leuschner von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Adasch, ich teile nicht Ihre Einschätzung, dass man nach den ganzen Erkenntnissen über die NSU Verfassungsschutzorgane nicht kritisch hinterfragen darf und dass das dann als Majestätsbeleidigung auszulegen ist. Dennoch wissen Sie auch, dass wir als SPD-Landtagsfraktion dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen werden. Wir haben uns im zuständigen Fachausschuss sehr intensiv mit den einzelnen Punkten ihres Forderungskatalogs auseinandergesetzt und sind zu einer anderen Überzeugung gekommen.

Ein Grund ist, dass wir in 2009 das Niedersächsische Verfassungsschutzgesetz novelliert haben. Wir hatten erst eine Vorlage, der wir nie zugestimmt hätten. Der GBD hat aber die Bereiche, die wirklich kritisch waren und so nicht durchgekommen wären, nachgearbeitet. Wir haben dann eine Vorlage bekommen, mit der wir aus unserer Sicht durchaus arbeiten können. Andererseits muss aber auch eine gewisse Zeit ins Land gehen, um auch Erfahrungen mit dem Gesetz zu sammeln. Es ist noch nicht so lange in Kraft, meine Damen und Herren.

Deswegen war für uns bei der Beratung immer auch zu berücksichtigen, dass wir einerseits prüfen müssen, ob Ihre einzelnen Vorschläge wirklich zu einer Verbesserung der Mitwirkungsrechte führen, und andererseits prüfen müssen, inwieweit es bezüglich der besonderen Geheimhaltungsvorschriften überhaupt praktikabel ist, Ihre Position umzusetzen.

Herr Limburg, Sie wissen, dass wir den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vergrößert haben. Wir tagen monatlich, und zwar in der Regel zwei Stunden. Hin und wieder wird übrigens auch gefragt: Müssen wir denn so häufig

tagen, und müssen wir denn so lange hier anwesend sein? - Das ist leider so. Dabei handelt es sich um Einzelfälle, Herr Limburg. Trotzdem glaube ich, dass hier ein großer Ausschuss einmal im Monat sehr umfangreich der Arbeit nachgeht. Sie wissen auch, was wir in den letzten Wochen und Monaten beraten haben.

Zu Punkt 1 Ihres Antrags, Ihrer Forderung in Bezug auf den Großen Lauschangriff, haben wir gesagt, dass wir diesen Bereich als Bestandteil des Verfassungsschutzgesetzes im Jahre 2009 novelliert haben und dass eine Überprüfung in 2014 stattfinden soll. Wir halten demzufolge daran fest, dass das darin steht.

Das Gleiche gilt für Punkt 2 Ihres Antrags. Dazu steht ebenfalls die Überprüfung drin. Wir lehnen auch Ihre Forderung ab, dass der Verfassungsschutz verpflichtet werden soll, Dienstanbieter, von denen er Auskünfte eingeholt hat, darüber zu informieren, wenn sich die Verdachtsmomente gegen Personen nicht erhärtet oder als unzutreffend herausgestellt haben. Ich denke, das ist eine Umkehrung der Sache. Dem können wir nicht zustimmen.