Protokoll der Sitzung vom 22.03.2012

Wir diskutieren hier im Landtag häufig über den Klimaschutz. In der Antwort heißt es, wenn Grünland in Acker umgewandelt wird, entweichen dadurch in den Folgejahren jährlich pro Hektar bis zu 163 t CO2. Wir können diese Folge des Grünlandumbruchs auch in Euro und Cent ausdrücken. Sowohl McKinsey als auch das Umweltbundesamt haben einen Preis ausgerechnet, den die Erreichung des Ziels, bis 2020 40 % der CO2-Emmissionen einzusparen, kosten wird. Das sind 25 Euro pro eingesparter Tonne CO2. Man könnte es auch so ausdrücken: Durch den Umbruch eines Hektars Grünland entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden von rund 4 000 Euro.

Noch eine Zahl will ich Ihnen nennen. Mit dem Grünlandumbruch werden in den ersten fünf Jahren rund 400 kg Stickstoff pro Hektar und Jahr freigesetzt. Das ist - wir haben ja gerade in der vergangenen Woche sehr viel über Düngung, Gülle usw. diskutiert - in etwa das Doppelte der Düngeempfehlung der Landwirtschaftskammer. Das

heißt, dass von dem freigesetzten Stickstoff durch den Grünlandumbruch ein erheblicher Teil im Grundwasser landet.

Ich will Ihnen eine Karte zeigen. Sie stammt vom NLWKN. Das sieht zwar sehr rot-grün aus - eigentlich sehr erfreulich -, aber die roten Flächen sind die Gebiete in Niedersachsen, in denen die Nitratbelastung so hoch ist, dass sie die Grenzwerte der EU-Empfehlungen überschreitet. Mittlerweile sind über 59 % unseres Grundwassers mit über 25 mg Nitrat je Liter belastet. In einigen Regionen nimmt das weiter zu.

Bis 2013 müssen wir nach der Wasserrahmenrichtlinie unser Grund- und Oberflächenwasser in einen guten Zustand bringen. Davon sind wir meilenweit entfernt. Das heißt, dass wir deutlich umsteuern müssen. Wir müssen die Stickstoffeinträge drastisch reduzieren, um den Gewässerschutz voranzutreiben.

Meine Damen und Herren, allein diese beiden Zahlen zeigen, wie wichtig die Erhaltung des Grünlandes auch für den Klimaschutz und für unser Grund- und Trinkwasser ist. Ich freue mich deshalb, dass es zumindest im vergangenen Jahr gelungen ist, den Grünlandverlust in Niedersachsen etwas zu stoppen, der zwischen 2005 und 2010 immerhin über 6,5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausgemacht hat.

Wir fragen uns, warum es so lange dauern musste, bis Sie den Grünlandumbruch überhaupt unter Genehmigungsvorbehalt gestellt haben. Das hätte unseres Erachtens bereits viel früher geschehen müssen. Wir hatten dazu Anfragen gestellt. Seit 2008 war Ihnen eigentlich klar, dass die Marke von 5 %, ab der die EU-Kommission zwingend Maßnahmen vorschreibt, überschritten wird. Aber Sie haben noch ein ganzes Jahr gewartet, genauer gesagt bis zum Oktober 2009, bis Sie in einer Verordnung den Grünlandumbruch unter Genehmigungsvorbehalt gestellt haben. In diesem Jahr ist der Grünlandanteil noch einmal um 1,5 % zurückgegangen. Für diese zusätzlichen Verluste trägt die falsche Agrarpolitik von CDU und FDP eindeutig die Verantwortung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch im vergangenen Jahr ist noch einmal auf fast 3 000 ha Grünlandumbruch genehmigt worden. Wenn man das umrechnet, kommt man auf einen volkswirtschaftlichen Schaden von 12 Millionen Euro, wenn es nicht ausgeglichen würde. Es geht

also um erhebliche Mengen, die auch für den Klimaschutz eine Rolle spielen.

Natürlich gab es die Verpflichtung, Ersatzflächen anzulegen. Aber diese - wenn man eine Grünlandneusaat anlegt - sind nicht mit Dauergrünland gleichzusetzen, was die CO2-Freisetzung oder auch den Stickstoffeintrag angeht. Nicht nur bei der Artenvielfalt, sondern auch bei der Kohlenstoffspeicherung im Boden ist Dauergrünland besser als ein Umbruch und eine Grünlandneusaat.

Auch gibt es angeblich 280 ha illegalen Umbruchs. So viel wurde festgestellt, aber wahrscheinlich ist es mehr; denn die Kontrollen sind, wie Sie ebenfalls schreiben, nicht sehr intensiv. Es wurden überhaupt nur 1,5 % der Betriebe kontrolliert. Die vorgesehene Sanktion, die Flächenprämien um 3 % zu kürzen, ist sehr dürftig und kaum ein Anreiz, auf Grünlandumbruch zu verzichten. Sie könnten deutlich schärfer herangehen, wenn Sie es nur wollten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf den Naturschutzaspekt des Grünlandumbruchs eingehen. Dort sieht es dramatisch aus, obwohl Niedersachsen eine besondere Verantwortung für den Wiesenvogelschutz europaweit trägt. Wer sich die Zahlen zu den Wiesenvögeln anschaut, kann daran Ihre verfehlte Agrarpolitik, die auf immer größere Anlagen und auf Intensivlandwirtschaft setzt, ablesen.

(Hans-Heinrich Sander [FDP]: Keine Ahnung!)

Ich will Ihnen ein paar Zahlen schildern. Seit 1990 gab es folgende Entwicklung: Kampfläufer - Brutbestand erloschen. Bekassine - Rückgang um 90 %. Uferschnepfe - Rückgang um 60 %. Starke Verluste beim Kiebitz und beim Brachvogel. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, das ist die traurige Bilanz Ihrer Agrarpolitik.

Es ist schon erstaunlich: Auf unsere Frage, wie hoch eigentlich der Grünlandanteil in FFH-Gebieten ist, kann die Landesregierung nichts sagen. Dabei muss sie eigentlich spätestens bis zum Frühjahr 2013 einen umfassenden Bericht zum Erhaltungszustand der FFH-Gebiete vorlegen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Da muss sie sich beeilen!)

Aber Sie sagen, Sie wüssten nicht, was dort passiert und was dort umgebrochen ist. Sie sagen, Sie könnten das nicht machen. Das erinnert mich ein bisschen an Arbeitsverweigerung nach dem Motto:

„2013 regieren wir eh nicht mehr. Die Berichte kann dann ja Rot-Grün machen.“

(Beifall bei den GRÜNEN - Jens Na- cke [CDU]: Genau das ist der Plan! Sie haben uns erwischt!)

An einem Punkt geben Sie auch offen einen Verstoß gegen europäisches Naturschutzrecht zu. Sie schreiben, es könne nicht prognostiziert werden, ob es gelinge, die rund 6 300 ha magere Flachlandmähwiesen in Niedersachsen in einem günstigen Erhaltungszustand zu erhalten. Meine Damen und Herren, Sie werden es müssen. Das ist das Ziel der FFH-Richtlinie, das Sie erreichen müssen. Alles andere wäre ein Verstoß gegen europäisches Recht. Es ist ein Skandal, wie lax Sie damit umgehen.

Wirklich Sorgen macht mir, wie wir die Erhaltung des Grünlandes mit seiner Nutzung in Einklang bringen. Denn nur durch eine extensive Nutzung können wir das Grünland weiter voranbringen.

(Silke Weyberg [CDU]: Wer sagt denn das?)

Für uns gehören Kühe auf die Weide. Mutterkuhhaltung und Weidemast lassen sich mit Grünland sehr gut in Einklang bringen. Auf unsere Frage, wie es mit regionalen Weidefleischprogrammen aussieht, weichen Sie mehr oder weniger aus und schreiben, das wüssten Sie nicht so genau. Sie nennen ein paar Zahlen: 1 000 bis 2 000 Schlachttiere. Aber Sie sagen nicht wirklich, wo das höherpreisig vermarktete Qualitätsrindfleisch eigentlich herkommt.

Mein Eindruck ist, dass dort einiges an Potenzialen verpasst wird, weil Sie in der Agrarpolitik nur eine Richtung kennen: Turbokühe, die mit Grünlandfutter gar nicht mehr gefüttert werden können, Höfesterben und Agrarindustrie. Kleinere Betriebe, die eben gerade auf Grünland setzen, werden von Ihnen kaum unterstützt. Damit schwindet auch deren Anteil am Grünland massiv.

Wir Grüne sagen ganz klar: Wir brauchen eine deutliche Aufstockung der Mittel zur Erhaltung und zum Schutz extensiv genutzten Grünlandes. Wir brauchen eine Weidehaltungsprämie. Interessanterweise fordert das auch das Landvolk, aber Sie nicht. Wir brauchen eine bessere Förderung der Mutterkuhhaltung und der Weidemast, auch in der Form, dass wir regionale Vermarktungsinitiativen für Qualitätsrindfleisch aus Weidehaltung fördern. Diese Dinge haben Sie bisher sträflich vernachlässigt.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Grünland ist ein elementarer Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Wir Grüne stehen zum Grünland. Wir müssen und werden ab 2013 zusammen mit der SPD alles dafür tun, den Negativtrend zu stoppen; denn Grünland hat sehr positive Klima- und Naturschutzeffekte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Wie bereits angekündigt, hat nun für die Landesregierung Herr Minister Lindemann das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grünland ist ein wichtiger Faktor für die Landwirtschaft und die Umwelt. Wir brauchen Grünland als Produktionsfaktor und als einen wichtigen Bestandteil unserer Ökologie.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die positiven Auswirkungen des Grünlands sind unbestritten.

(Hans-Heinrich Sander [FDP]: Ja!)

Grünland ist positiv für den Gewässer- und Klimaschutz, für die Lebensräume verschiedener Organismen und damit für die Flora und Fauna - und auch für die Erhaltung regionaltypischer Landschaften. Grünlandregionen können dort, wo die Voraussetzungen vorhanden sind, sanften Tourismus und landwirtschaftliche Produktion in idealer Weise miteinander verbinden.

Leider mussten wir in der Vergangenheit beobachten, dass der Anteil des Grünlandes an unserer landwirtschaftlichen Nutzfläche zurückgegangen ist. Im Rahmen der Gewährung der EU-Agrarbeihilfen konnten wir beispielsweise feststellen, dass die Dauergrünlandfläche - nach der maßgeblichen EU-Definition mindestens fünfjähriges Grünland - von 2005 bis 2011 in der gemeinsamen Förderregion des Landes Niedersachsen und der Freien Hansestadt Bremen um 6,11 % abgenommen hat. Einschränkend muss ich allerdings dazusagen, dass wir diesen Wert lediglich im Rahmen der landwirtschaftlich genutzten Flächen, die im Rahmen der EU-Agrarbeihilfen erfasst werden, berechnen können.

Im Rahmen der Gewährung von EU-Agrarbeihilfen - und nur in diesem Rahmen - haben wir dann auch ein Instrument, den Rückgang der Dauergrünlandfläche aufzuhalten. Bei einem zu starken Rückgang des Dauergrünlands wird die Umwandlung von Dauergrünland in Ackerland einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt. Diese gemeinhin als Umbruchverbot bekannte Verordnung zur Erhaltung von Dauergrünland ist Ihnen sicherlich ein Begriff.

Wenn der Grünlandanteil bezogen auf das Basisjahr 2005 einen bestimmten Auslösewert überschreitet, springt dieses EU-System an. Dies war in Niedersachsen der Fall, sodass mit Wirkung vom 22. Oktober 2009 das Umbruchverbot wirksam wurde. Herr Meyer, das konnte allerdings EU-rechtlich nur gemacht werden, nachdem die Auslöseschwelle von 5 % überschritten war. Die Verordnung hatte unser Haus längst vorher fertig.

Hierdurch wird zwar kein schlagbezogener Grünlandschutz und neben dem Alter des Grünlands auch kein vertiefter Schutz qualitativer Art erreicht. Der Flächenanteil von Dauergrünland an der geförderten landwirtschaftlichen Nutzfläche wird aber sehr weitgehend erhalten.

Sofern ein landwirtschaftlicher Betrieb auf den Umbruch von Grünlandflächen angewiesen ist, muss dies möglich sein, wenn dafür alternative Grünlandflächen geschaffen werden. Eine Umnutzung von Dauergrünland ist daher mit Genehmigung möglich - allerdings nur, wenn, wie angeführt, eine gleich große Ersatzfläche als Dauergrünland neu angelegt wird.

Im Jahr 2010 wurden in 830 Fällen - das entsprach 2 420 ha - und im Jahr 2011 in 1 026 Fällen - das entsprach 2 897 ha - Umnutzungen von Dauergrünlandflächen genehmigt - wie gesagt, mit der Auflage, gleich große Ersatzflächen mit Dauergrünland anzulegen.

Diese Ersatzflächen werden kontrolliert. Falls es zu Verstößen kommt, werden die EU-Agrarbeihilfen gekürzt, und der Betroffene wird zur Wiederansaat verpflichtet.

Bis Mitte Dezember 2011 wurde nach Angaben der Landwirtschaftskammer Niedersachsen bei 156 Betrieben mit einem Flächenumfang von 281,88 ha ein Dauergrünlandumbruch ohne Genehmigung festgestellt - mit den gerade dargestellten Folgen.

Das EU-System und die niedersächsische Verordnung zur Erhaltung von Dauergrünland funktionie

ren, und unsere Dauergrünlandfläche wird, wie beschrieben, erhalten. Die weitere Abnahme von Dauergrünland an der landwirtschaftlichen Nutzfläche ist damit EU-rechtlich seit 2009 gestoppt.

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Der beste Schutz von Grünland ist, glaube ich, die fördermäßige Gleichstellung von Grünland mit Ackerland, die bekanntermaßen schrittweise inzwischen einigermaßen erreicht ist.

Meine Damen und Herren, die Gründe für den Rückgang des Grünlandes sind vielfältig. Insgesamt haben wir einen Run auf landwirtschaftliche Flächen und natürlich insbesondere auf produktive Flächen, wie wir ihn in der Vergangenheit so nicht gekannt haben. Wir erleben heute, dass landwirtschaftliche Produkte stärker als jemals zuvor nachgefragt werden. Die Zunahme der Weltbevölkerung, die steigende Nachfrage nach tierischen Produkten und höherwertigen pflanzlichen Produkten sowie die Erzeugung von Bioenergie sind hier als primäre Gründe aufzuführen. Darüber hinaus geht nach wie vor wertvolle landwirtschaftliche Nutzfläche durch die Inanspruchnahme für Siedlungs- und Infrastrukturmaßnahmen verloren - täglich in einem Umfang von etwa 90 ha in Deutschland.

Die Anforderungen an die Produktivität in der Landwirtschaft sind gestiegen und haben u. a. dazu geführt, dass in vielen Fällen eine Neuausrichtung der Produktion erfolgte und Grünland in diesem Zusammenhang umgebrochen wurde.

Natürlich ist der Grünlandumbruch grundsätzlich zu bedauern. Aber nicht jede Veränderung des Grünlandbestandes ist automatisch klimarelevant. Es gibt dazu sehr gute wissenschaftliche Ausführungen.

Wir müssen uns die Ursachen allerdings schon ein wenig detaillierter anschauen, um das Ganze zu verstehen und um im Übrigen auch Schlüsse daraus zu ziehen.