Protokoll der Sitzung vom 08.05.2012

Viele junge Menschen wollen daher ihr Heimatland verlassen. Es gibt das Gefühl, Europa habe seine Kinder im Stich gelassen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Klar, es gibt auch eigenes Verschulden in den betroffenen Ländern. Reformbemühungen kamen zu spät und waren zum Teil zu halbherzig, und sparsame Haushaltsführung war oft nur ein Lippenbekenntnis.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland hatte eine bessere Grundvoraussetzung. Der Weg Deutschlands - auch zu Zeiten von Ex-Kanzler Schröder und Rot-Grün -, nämlich Industrie und verarbeitendes Gewerbe zu stärken und am Standort zu halten, war richtig. Das hilft uns heute, besser als andere europäische Länder durch die Krise zu kommen,

(Beifall bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Es könnte aber auch die Ar- beitsmarktreform von Schröder gewe- sen sein! Davon wollen Sie heute aber nichts mehr wissen!)

die allein auf Dienstleistungen statt auf Produktion setzen. Als dann 2008 die Finanzkrise heraufzog, haben insbesondere Olaf Scholz, Frank Steinmeier und Peer Steinbrück in der Großen Koalition in kürzester Zeit mit Konjunkturprogrammen, Kurzarbeitergeld und der Abwrackprämie dafür gesorgt, dass Deutschland eine weniger schwierige Zeit hatte als andere Staaten. Darauf können wir stolz sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Das hatte mit Frau Merkel gar nichts zu tun, oder was? Das ist ja un- terirdisch! Das ist ja unterirdisch!)

- Frau Merkel hat das ja sicherlich mit unterstützt.

Ausruhen können wir uns jedoch nicht. Denn was passiert, wenn uns die europäischen Absatzmärkte wegbrechen? - Herr McAllister, dieses Thema wird für Niedersachsen sehr wichtig. Wenn in Spanien, Italien und Portugal nicht mehr genügend Kaufkraft vorhanden ist, um deutsche Produkte zu kaufen, dann wird auch Deutschland von der Krise erfasst. Wir wollen das nicht.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sparen und Defizite eindämmen - das muss sein. Es muss aber auch einen Ausweg geben für die Länder, denen es jetzt schlecht geht. Dazu reichen Ihre Einlassungen, Herr McAllister, bei Weitem nicht.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen Wege für Wachstum, Wege für dauerhafte Beschäftigung, Wege für soziale Absicherung und Wege für anständige Arbeits- und Ausbildungsplätze, die sicher sind und Zukunftshoffnung geben können. Es müssen Programme für die Krisenländer erarbeitet werden, die die sozialen Grundrechte der Menschen deutlich werden lassen und die höher stehen und uns wichtiger sein müssen als der freie Kapitalverkehr und der freie Warenverkehr.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr McAllister und meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, endlich muss es in Europa wieder um die Menschen gehen. Europa muss 62 Jahre nach Kriegsende friedlich, frei und vor allem sozial sein.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Niemand in der Bevölkerung Europas kann verstehen, warum über Nacht Billionen für kriselnde Banken ausgegeben werden können, warum Abwehrschirme und Brandmauern mit Milliarden gegen Spekulanten, die auf den Niedergang einzelner Staaten oder gar unserer Währung wetten, kurzfristig ermöglicht werden, während Menschen, die nichts falsch gemacht haben, nicht geholfen werden soll.

(Jens Nacke [CDU]: Oh, wie platt!)

Denn wenn die Menschenwürde verletzt ist, wenn soziale Selbstverständlichkeiten auf Dauer eliminiert werden sollen, dann ist der Widerstand programmiert. - Ich finde das überhaupt nicht platt! Gar nicht!

(Jens Nacke [CDU]: Mit diesen platten Argumenten sind die Linken doch ge- rade erst gescheitert! Das können Sie hier doch nicht vortragen!)

Herr Kollege Nacke, die CDU-Fraktion hat noch genug Redezeit.

(Jens Nacke [CDU]: Gott sei Dank!)

Herr Nacke, meines Erachtens kann man, wenn man gesehen hat, wie Frau Merkel - in keiner Weise demokratisch legitimiert - mit Herrn Sarkozy verhandelt hat, an dem System Europa schon verzweifeln.

(Beifall bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Was wollen Sie denn? - Weite- re Zurufe von der CDU und von der FDP)

Dann braucht man sich auch überhaupt nicht zu wundern, wenn Regierungen ringsherum zerschellen oder sich selbst auflösen. Auch sollten Sie, Herr McAllister, einmal prüfen lassen, welche Auswirkungen der Fiskalpakt auf den Landeshaushalt haben wird.

(Heinz Rolfes [CDU]: Was wollen Sie eigentlich? Was wollen Sie denn ei- gentlich? Nur Rumgenöle!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es versteht auch niemand, warum diejenigen aus den Finanzmärkten, die die Krise mit verursacht haben, an der Bewältigung der Kosten nicht angemessen beteiligt werden können. Auch hier hätten Sie schon längst angemessen auf die Bundesregierung einwirken sollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird in Europa jedenfalls nicht einfacher. Herr Sarkozy ist der Kanzlerin abhanden gekommen, und der neue französische Präsident Hollande will andere Schwerpunkte setzen. - Sie haben ganz vergessen, ihm zu gratulieren, Herr McAllister.

(Beifall bei der SPD)

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was wir brauchen, ist eine Mischung aus Finanztransaktionssteuer, Nutzung der Strukturprogramme und gesondertem Einsatz der Europäischen Investitionsbank. Das ist der richtige Weg für Wachstum und Beschäftigung in den Krisenstaaten. Da ist Herr Finanzminister Schäuble schon etwas weiter als Sie, Herr McAllister. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Auch wir sind für einen strikten Konsolidierungskurs.

(Heinz Rolfes [CDU]: Wie denn? Das ist doch eine Nullnummer, die Sie hier abliefern! - Jens Nacke [CDU]: We- nigstens mal was Neues! - Heinz Rol- fes [CDU]: Einfach mal zuhören! - Weitere Zurufe)

Der wird in Europa aber nicht ohne Wachstum möglich sein.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen beides: Wachstum und Beschäftigung sowie die Konsolidierung der nationalen Haushalte.

(Jens Nacke [CDU]: Das erzählen Sie mal Frau Geuter! - Heinz Rolfes [CDU]: Eine Sprechblase nach der anderen!)

Vor allem aber wollen wir das soziale Europa mit zukunftsfähigen und sicheren Arbeitsplätzen in Niedersachsen, in Deutschland und in Europa. Wir verstehen daher die Landesregierung nicht, der es offenbar reicht, ohne eigene Vorschläge nachträglich von Frau Merkels Plänen in Kenntnis gesetzt zu werden. Wir jedenfalls wollen Europa mitgestalten.

(Heinz Rolfes [CDU]: Wie denn?)

Deshalb ist es sehr enttäuschend, dass Sie, Herr McAllister, zum notwendigen Strukturwandel und zur Strukturpolitik in Niedersachsen fast nichts sagen. Ein „Weiter so“ in der bisherigen Förderpraxis wird es nicht geben können. Ihre Förderpolitik ist extrem intransparent, sie ist extrem bürokratisch, und sie ist zum Spielball der Ressorts verkommen. Sie erreicht vor allem ihre Ziele nicht. Sie haben in fast zehn Jahren mit Ihrer Art der Förderpraxis dazu beigetragen, dass Niedersachsen auseinanderdriftet. Der Süden Niedersachsens wurde von Ihnen fast nicht beachtet. Die nationale Kofinanzierung wurde komplett auf die Kommunen abgewälzt, sodass arme Kommunen entweder gar kein Geld beantragen oder, falls doch, ihre Verschuldung noch höher wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, höherwertige Beschäftigung, die Schaffung neuer innovativer Arbeitsplätze mit Zukunft, die Erhöhung der Frauenerwerbsquote, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, der Transfer zwischen Hochschule und Wirtschaft, um neue innovative Produkte und Produktionen zu ermöglichen, all das wurde von Ihnen nicht ausreichend beachtet. Auch das steht in den Gutachten, die Sie vorhin zitiert haben.

Auch die Eindämmung von Zeit- und Leiharbeit sowie die Minimierung von Armut und prekärer Beschäftigung sind bei Ihrer Art der Förderung kein Thema.

Insofern stimmt es tatsächlich nicht, dass man Ihnen ausschließlich ein gutes Zeugnis ausgestellt hat; ganz im Gegenteil.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen das ändern: Mit uns wird es Förderung nur gekoppelt an verbindliche soziale Mindeststandards geben. Die Förderung von Betrieben mit Niedriglöhnen und hoher Leiharbeitsarbeitnehmerquote werden wir ausschließen. Wir werden die gesamte Wertschöpfungskette im Land halten wollen und ausbauen. Zur Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze werden wir die Stärkung von Forschung, technischer Entwicklung und Innovation, auch in dem für Niedersachsen so wichtigen Mittelstand, in den Vordergrund stellen. Die Zusammenarbeit mit den Hochschulen des Landes ist hierbei ein wesentlicher Punkt.

Uns geht es vor allem auch um die Umsetzung der Energiewende. Dabei wollen wir ganz vorne stehen. Die Möglichkeiten der neuen Unterstützung regionaler Entwicklung wollen wir verstärkt nutzen. Wir wollen die Strukturmittel bündeln und besser verzahnen. Auch in der Agrarförderung werden wir auf soziale und umweltgerechte Aspekte, wie von der Kommission vorgeschlagen, achten. Wir werden ein zentrales Fördermanagement einrichten, um das bisherige Abstimmungswirrwarr zu beenden. Gerade weil wir in Niedersachsen mit weniger Geld rechnen müssen, ist es richtig, Schwerpunkte zu setzen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Eine Koordination zwischen Regionalförderung, Sozialförderung und der Förderung des ländlichen Raumes ist daher unerlässlich. Auch werden wir die Stärken, die es vor Ort gibt, ausbauen und nutzen, die regionalen Kenntnisse frühzeitig in die Planung mit einbeziehen und verstärkt darauf achten, dass die operationellen Programme den Anforderungen der Zukunft gerecht werden

(Reinhold Hilbers [CDU]: Alles Sprü- che!)

- Sprüche hat gerade tatsächlich vor mir jemand gemacht -,

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

um ein Optimum für Niedersachsens Menschen und die Entwicklung der Wirtschaft zu erreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die Anpassung an den demografischen Wandel, die Qualifizierung von Fachkräften, die Sicherung des Fachkräftebedarfs, die Schaffung der Energiewende sowie des Strukturwandels mit einer neuen Förderperiode erreichen. Kurzum, wir wollen ein wetterfestes, sicheres und soziales Niedersachsen gestalten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und möchte daran erinnern, dass zum VW-Gesetz schon einige Entschließungsanträge und gemeinsame Resolutionen hier vorlagen. Insofern wissen Sie uns beim VW-Gesetz an Ihrer Seite wie auch an der Seite der Beschäftigten.