Protokoll der Sitzung vom 08.05.2012

Als inklusive Schule soll sie alle Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf aufnehmen und fördern. Zugleich wünschen sich immer mehr Eltern echte Ganztagsschulen, in denen die Kinder nicht nur betreut, sondern wirklich gefördert werden.

Die demografische Entwicklung führt längst dazu, dass mehr und mehr kleine Grundschulen von Schließung bedroht sind und insbesondere auf dem Lande immer längere Schulwege auf die Kinder zukommen.

Meine Damen und Herren, die Antwort der Landesregierung vermittelt nicht gerade den Eindruck, dass sie diese wichtigen Herausforderungen mit besonderem Elan angeht. Im September 2011 haben der Grundschulverband, die GEW und der VBE in einem gemeinsamen Papier ein Konzept für die inklusive Ganztagsgrundschule vorgelegt und deutlich gemacht, dass Inklusion, ein gutes Ganztagsangebot und die Arbeit in der flexiblen Eingangsstufe zusammen gedacht werden müssen.

In der Antwort der Landesregierung findet sich dazu nichts.

Die drei Bildungsverbände haben ein Ganztagskonzept gefordert, in dem die Aktivitäten der Kinder am Vor- und am Nachmittag in einen konzeptionellen Zusammenhang gestellt werden. Aber der Landesregierung reicht offenbar ihr Modell der Ganztagsangebote zum Billigtarif.

Ganze 2 von insgesamt fast 1 800 Grundschulen sind derzeit gebundene Ganztagsschulen - 2 von fast 1 800! -, also Schulen, die tatsächlich die Personalausstattung für ein integriertes, ganztägiges Konzept haben. 515 Grundschulen dagegen haben nur ein freiwilliges Nachmittagsangebot, das an den Vormittagsunterricht angehängt wird. Das ist pädagogisch weit weniger ergiebig und für niemanden wirklich attraktiv.

Und - das haben wir schon gehört - ganze 45 Sozialpädagogen finanziert das Land für die 522 Ganztagsgrundschulen im Land, um ihre Arbeit zu unterstützen. - Reichlich wenig.

Auch das Konzept der guten jahrgangsgemischten Eingangsstufe, das der Minister gerade erwähnte, bringt die Landesregierung nicht wesentlich voran. Noch immer arbeiten nur knapp 6 % der Grundschulen nach diesem Konzept.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Weil sie es beantragen müssen!)

Meine Damen und Herren, was die demografische Entwicklung betrifft, so lässt die Landesregierung die Schulen dabei erst recht im Stich. Das Problem haben Sie ja noch genannt, Herr Althusmann. Aber Konzepte?

Vor ungefähr zwei Wochen haben Sie, Herr Minister, an die Kommunen appelliert, auch kleine Grundschule zu erhalten - gerade auch wieder. Aber tun Sie irgendwas dafür, dass auch kleine Grundschulen wirklich mit Qualität arbeiten können?

(Zuruf von der CDU: Selbstverständ- lich!)

Fehlanzeige!

Unterstützen Sie die Schulen dabei, gute Konzepte für jahrgangsübergreifenden Unterricht zu entwickeln? - Fehlanzeige!

Sorgen Sie dafür, dass die Einrichtung von Schulverbünden attraktiv wird? Kümmern Sie sich darum, dass die Leitungsstellen auch an kleinen Grundschulen nicht monate-, manchmal sogar jahrelang unbesetzt bleiben? - Wieder Fehlanzeige! Im Gegenteil: Derzeit sind 139 Schulleitungsstellen über längere Zeit unbesetzt. Herr Althusmann, Sie machen es sich zu einfach! Sie lassen die Kommunen im Regen stehen. Sollen die doch die Schulen schließen, denken Sie, dann mache ich mich nicht unbeliebt. - Wenn man die Leitungsstellen nur lange genug vakant lässt, wenn man über die Schulbehörde verbreiten lässt, dass klei

ne Grundschulen nicht die gleiche Qualität liefern könnten wie große - wie es im Moment landauf landab geschieht -, dann sorgt man durch die kalte Küche dafür, dass Schulen geschlossen werden, und schiebt die Verantwortung auf andere ab.

Man könnte zur Antwort auf die Große Anfrage noch vieles sagen: zur Sprachförderung, über deren Wirksamkeit die Landesregierung nichts weiß, zum fehlenden Werte- und Normenunterricht und zu Kenntnissen über die Qualitätsentwicklung. Meine Redezeit reicht nicht aus, um alle Versäumnisse aufzuzählen.

Insgesamt, Herr Althusmann, müssen wir feststellen: In Ihrer Antwort gibt es zwar eine ganze Menge Zahlen, aber Konzepte für die Weiterentwicklung der Grundschulen findet man nicht - übrigens seit neun Jahren nicht. Das ist ein Armutszeugnis für diese Landesregierung. Um die Grundschulen hat sich diese Landesregierung seit 2003 so gut wie überhaupt nicht gekümmert. Herr Althusmann, dabei kommt es doch auf den Anfang an. Es reicht nicht, das nur zu sagen, man muss das auch ausfüllen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Ernst das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ehrlich gesagt absolut entsetzt: Die SPDFraktion hat eine umfangreiche Große Anfrage zur Situation der Grundschulen in Niedersachsen gestellt, die 9 Themenbereiche und 69 Einzelfragen enthält, die die Landesregierung beantwortet hat - herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kultusministerium für diese hervorragende Arbeit -;

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

und die einzigen Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden, sind: negativ, negativ, negativ.

Ich denke, ich brauche nicht mehr darauf einzugehen, welche große Bedeutung die Grundschulen für die Kinder haben, die dort auf die weiterführenden Schulen und ihr weiteres Leben vorbereitet werden. Das Fundament, das die Grundschulen für die Kinder schaffen, ist von großer Wichtigkeit. Und sie schaffen dieses Fundament, meine Da

men und Herren. Man kann sich doch nicht hier hinstellen, und alles nur negativ darstellen und schlechtreden! Denn so ist es nicht!

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Claus Peter Poppe [SPD]: Das ist gar nicht der Fall gewesen!)

Sie haben Zahlen abgefragt und Zahlen geliefert bekommen. Aber wenn Sie nach Konzepten fragen, muss ich fragen: Mein Gott, wann sind Sie denn das letzte Mal in einer Grundschule gewesen? Wann haben Sie sich mal mit den Leuten unterhalten?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Frau Ernst, Sie halten eine falsche Rede!)

Es sind Konzepte vorhanden; es werden selbstverständlich Schulkonzepte erstellt. Auch im Ministerium werden Konzepte erarbeitet. Ich möchte nur kurz aufführen, was wir in den letzten Jahren getan haben, um den Anspruch, dass die Kinder das notwendige Rüstzeug in der Grundschule bekommen, zu erfüllen: Verlässliche Grundschule, Projekt Brückenjahr, das nachfolgende Modellprojekt Kindertagesstätten und Grundschulen unter einem Dach, Sprachförderung, die hier nur negativ gesehen wurde, die aber ganz positive Erfolge erzielt,

(Zustimmung bei der CDU)

das Projekt DaZNet zur Förderung der durchgängigen Sprachbildung, Englischunterricht, herkunftssprachlicher Unterricht, Erhöhung der Förderstunden, neue Kerncurricula - der Minister hat es doch aufgezählt -, Fort- und Weiterbildung, gerade für die Inklusive Schule, die gut angenommen wird, Aufbau von Ganztagsschulen, Einführung der Eingangsstufe, Einsatz von Sozialpädagogen. Natürlich könnte es immer noch mehr sein, aber meine Damen und Herren, ich bitte Sie herzlich: Das kann man doch nicht alles einfach in Bausch und Bogen negativ darstellen.

(Zustimmung bei der CDU - Clemens Große Macke [CDU]: Frau Korter kann das!)

Die Grundschule ist für uns die wichtigste Schulform. Die Lehrerinnen und Lehrer leisten dort eine hervorragende pädagogische Arbeit. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Natürlich kennen wir auch die Probleme - Herr Kultusminister Althusmann hat darauf hingewie

sen - gleich, ob es um die kleinen Schulen, die Besetzung der Schulleiterstellen oder Entlastungen geht. Wir wissen um diese Probleme, und das Ministerium arbeitet daran, und zwar konkret.

(Ina Korter [GRÜNE]: Seit neun Jah- ren ist nichts passiert!)

Der Grundsatz ist doch richtig: Kirche und Schule sollen im Dorf bleiben.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Wir müssen die Entwicklung abwarten; das ist nicht Sache des Landes. Wir helfen doch, die Lehrerstunden werden aufgestockt, die Schulen werden unterstützt, sie werden beraten. Ich denke, auf dem Gebiet wird sich in den nächsten Jahren auch noch vieles ändern.

Das Gleiche gilt für die Schulleiterstellen. Natürlich brauchen wir kompetente Schulleitungen. Natürlich wird es schwieriger, in entlegenen Gegenden - so sage ich einmal; das ist ja sehr unterschiedlich - oder in kleinen Schulen Schulleiterstellen zu besetzen. Aber ich denke, auch hier werden in Zukunft in Kooperation mit den Gemeinden Anreize geschaffen. Der Kultusminister hat eben darauf hingewiesen: Hier sind die Kommunen, die Schulträger gefordert. Eines sage ich Ihnen noch einmal: Auch die Eltern haben hier ein Mitbestimmungsrecht.

(Zustimmung bei der CDU)

Dort, wo Schulen geschlossen werden, passiert das auch auf Wunsch der Eltern, weil sie es nämlich zum Teil ablehnen - in meinem Wahlkreis ist das der Fall -, ihre Kinder in Kombiklassen zu schicken.

(Ursula Körtner [CDU]: Abstimmung mit den Füßen!)

Wenn keine Kinder mehr angemeldet werden, ist eine Schule nicht mehr tragbar. Das hat sich dann erledigt.

Um das einmal zusammenzufassen: Ich bin wirklich entsetzt über das Gehabe der Opposition.

(Zustimmung bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Sie haben gar nicht zugehört! - Dörthe Weddige-Degen- hard [SPD]: Das hat keiner gemacht!)

Sich hier hinzustellen und das zu zerreden, ist stark. Liebe Dörthe, damit meine ich auch dich.

Ich sage es noch einmal: Man kann nicht eine solche Anfrage stellen, Zahlen anfordern und dann

sagen: Alles ist negativ. - Ich denke, Sie haben vielleicht vieles aus der Vergangenheit vergessen, oder vielleicht waren Sie auch nicht dabei, ich aber schon. Man muss doch auch einmal die Ausgangsposition sehen. Ich war in den 1990erJahren als Lehrerin an der Grundschule, bevor ich in den Landtag kam. Ich habe eine Unterrichtsversorgung von unter 90 % während Ihrer Regierungszeit miterlebt.

(Zustimmung bei der CDU)