Protokoll der Sitzung vom 09.05.2012

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das kommt aus unser Sicht bei Ihrer Beantwortung der Fragen ein bisschen zu kurz - wir haben diese Position auch beim Verfassungsschutzbericht kritisiert; meine Kollegin Johanne Modder hat sich ja dazu geäußert -: Es ist aus unserer Sicht einfach wichtig, dass man dem Rechtsextremismus mit allen Möglichkeiten den gesellschaftlichen Boden entzieht. Darüber müssen wir in erster Linie aufklären. Aber in zweiter Linie

müssen wir auch sensibel genug sein, dass wir rechtzeitig reagieren.

Ich will noch einmal auf Anfragen meiner Fraktion hinweisen, die wir in der Vergangenheit im Innenausschuss und im Parlament gestellt haben. Zu Waffenfunden wurde von Ihnen leider noch vor Kurzem gesagt: Na ja, die Rechten haben eine gewisse Affinität zu Waffen; das sei nicht so schlimm.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Genau!)

Spätestens die Morde durch den NSU haben gezeigt, dass es ein bisschen anders ist.

Wir haben auf Verbindungen „Hells Angels und rechte Szene“ hingewiesen. Dazu wurde gesagt: Na ja, das kann man im Grunde genommen noch nicht so genau darstellen. - Aber es ist anders dargestellt worden.

Tattoo-Studios, Beispiel Hildesheim, rechte Szene: Darauf haben wir hingewiesen.

(Zuruf von der CDU: Das ist aber haarscharf an der Wahrheit vorbei!)

Ich glaube, wir sollten da insgesamt sensibler werden und auch als Parlament gemeinsam vorangehen.

Mich hat auch Ihre Einschätzung, Herr Innenminister, von Anders Breivik überrascht. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass im Ausschuss gesagt wurde: Mensch, das ist ein gestörter Einzeltäter. Das hat nichts mit dem gesellschaftlichen Umfeld zu tun.

Es ist aber gut, wenn man dazulernt und auch das gesellschaftliche Umfeld berücksichtigt. Denn Breivik hat über Jahre in rechten Foren recherchiert, um sein menschenverachtendes Werk verfassen zu können, und andere machen das auch. Diese gesellschaftliche Dimension trägt im Endeffekt auch dazu bei, dass es radikalisierte Einzeltäter gibt. Ich glaube, wir müssen insgesamt sensibler werden und in diesem Bereich vorangehen. In diesem Zusammenhang reichen mir in vielen Punkten Ihre Antworten auf die Große Anfrage nicht aus.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Vielleicht noch einmal an meine Kollegin Zimmermann gerichtet: Sie haben im Vorwort zu Ihrer Anfrage gesagt, dass Neonazismus in unserer Gesellschaft längst kein Randphänomen mehr ist, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen

ist. - Frau Zimmermann, da haben Sie völlig recht. Das sind die Erkenntnisse von wissenschaftlichen Langzeitstudien. Ich glaube, darüber haben wir hier im Hause lange genug debattiert. Deswegen muss man auch ein gesellschaftliches Gesamtkonzept gegen Rechts auflegen.

Unsere Kritik geht mehr in die Richtung, dass viele Fragen beantwortet wurden, indem einfach darauf verwiesen wurde, dass man das schon in der Vergangenheit beantwortet habe. Viele Antworten sind leider auch ein bisschen im Unkonkreten geblieben. Ich hätte mir mehr davon versprochen. Aber vielleicht finden wir hier im Parlament noch gemeinsame Ansätze, um die Zivilgesellschaft massiv zu aktivieren und ein Zeichen gegen Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft zu setzen. Denn von Rechten gehen leider die meisten Gewalttaten gegen Menschen, die eine andere Hautfarbe oder eine andere Religion haben oder die sich einfach anders verhalten, aus. Das darf man nicht in irgendeiner Weise verharmlosen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Jahns für die CDU-Fraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Neonazismus in Niedersachsen ist Thema der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. Ich glaube, wir im Parlament sind uns alle einig, dass Neonazismus keinen Platz in den gesellschaftlichen Strukturen in Niedersachsen haben darf.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte zunächst einmal der Landesregierung ein herzliches Dankeschön im Namen der Fraktionen der CDU und der FDP für die ausführliche Beantwortung der Fragen aussprechen. Der Fragenkatalog war sehr umfangreich. Frau Kollegin Zimmermann, Sie haben hier gesagt, die Fragen seien nicht ordnungsgemäß bzw. nicht ausführlich genug beantwortet worden. Ich sage Ihnen deutlich: Wir haben dieses Thema in den vergangenen Monaten und Jahren - das hat die Kollegin Leuschner am Anfang zum Ausdruck gebracht - sehr oft besprochen. Wir haben in diesem Bereich sehr viele übereinstimmende Auffassungen, und

wir haben Anträge dazu fraktionsübergreifend beschlossen. Diese Landesregierung hat nicht nur diesen umfangreichen Fragenkatalog beantwortet, sondern in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit schon sehr viele Anfragen beantwortet und Unterrichtungen gegeben, sodass ich nur sagen kann: Die bisher bereitgestellten Informationen und Antworten, die in einer großen Ausführlichkeit erfolgt sind, sind eine gute Grundlage für die Arbeit in unserer Fraktion. Dafür noch einmal herzlichen Dank an die Landesregierung!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber ich möchte auch auf die Fragen der Fraktion DIE LINKE eingehen. Sie haben Fragen zur Entwicklung der Mitgliederzahlen in der neonazistischen Szene, zur DVU, zu rechtspopulistischen Gruppierungen, zu Immobiliengeschäften und den weiteren Aktivitäten der entsprechenden Gruppierungen, zur Internetpräsenz, zu medialen Tätigkeiten gestellt. Ich möchte auf einige spezielle Punkte eingehen.

Meine Damen und Herren, die Entwicklung der Mitgliederzahlen im rechtsextremen Bereich in Niedersachsen - das hat der Minister eben dargestellt - ist zum Teil etwas rückläufig, insbesondere bei den jungen Neonazis, aber auch bei der DVU. Das liegt insbesondere daran, dass sich die DVU und die NPD auf Bundesebene zusammengeschlossen haben. In Niedersachsen ist das nicht der Fall. Die niedersächsische DVU hat dagegen geklagt; das Verfahren läuft noch. Insofern gibt es in Niedersachsen noch eine Deutsche Volksunion. Aber sie hat mittlerweile Gott sei Dank - dafür sind wir sehr dankbar; ich glaube, da sind wir uns alle einig - nur noch etwa 50 Mitglieder.

Besorgniserregend ist die steigende Tendenz bei den Mitgliederzahlen der NPD; das ist auch deutlich geworden. In der Vergangenheit hat sich die Anzahl der Mitglieder etwas erhöht. Aber ich glaube sagen zu dürfen, dass nicht nur die Niedersächsische Landesregierung, sondern auch die Verfassungsschutzorgane, die Sicherheitsbehörden und auch die Polizei dieses Spektrum im Blick haben.

Sie haben auch nach der Beobachtung dieser Gruppierungen gefragt. Die Antwort ist, dass der Verfassungsschutz die NPD und auch die DVU beobachtet.

Zu Ihren Fragen zu rechtspopulistischen Gruppierungen ist zu sagen, dass es keine Aktivitäten gibt, die man als rechtspopulistisch bezeichnen könnte,

aber es gibt natürlich rechtsextreme Aktivitäten. Dort wird das Gedankengut der Neonazis nach den - sage ich einmal - Vorstellungen des Dritten Reiches propagiert, Stichworte „Gewaltherrschaft“, „Antisemitismus“, „Rassismus“ und „völkischer Kollektivismus“. Unsere Demokratie soll angegriffen werden, um diese Ideologien durchzusetzen.

Ich denke, in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es in Niedersachsen ganz viele Bündnisse in den einzelnen Kommunen gibt, die sich zusammengeschlossen haben. Es heißt ja immer: bunt statt braun. Ich denke, es hat sich gezeigt, dass es in Niedersachsen viele zivilgesellschaftliche Kräfte gibt, die sich gemeinsam aufmachen, um den Rechtsextremismus zu bekämpfen.

Frau Jahns, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Bachmann?

(Sigrid Leuschner [SPD]: Das ist aber eine schöne Frage!)

- Ja? Woher weißt du denn, was er fragen will? - Das kannst du doch gar nicht wissen!

Meine Damen und Herren, Sie haben auch nach den Aktivitäten der rechtsextremen und insbesondere neonazistischen Szene gefragt. Es ist schon angedeutet worden, dass diese Szene insbesondere darauf hofft, junge Leute über das Internet zu aktivieren, weil dort ein gewisser anonymer Raum besteht und jeder meint, er könne sich dort äußern, ohne dass das eine Verfolgung oder Ahndung nach sich zieht.

Ich glaube aber, man kann trotz der großen Gefahr, die natürlich von diesem Bereich ausgeht, feststellen, dass viele junge Menschen in Niedersachsen ein vernünftiges demokratisches Verständnis haben und sich nicht von diesen „Bauernfängern“ einfangen lassen.

Meine Damen und Herren, auf Landesebene gibt es sehr viele Aktivitäten, wie Sie eben gehört haben. Es gibt das Zentrum Demokratische Bildung in Wolfsburg. In Gifhorn, Wolfsburg, Braunschweig und Helmstedt gibt es ja auch die NPD.

Sie haben auch nach den Kommunalparlamenten gefragt. Einige Mitglieder der NPD - nicht der neonazistischen Szene, sondern der NPD - haben kommunale Mandate erringen können, auch in

unmittelbarer Nähe von Wolfsburg, in Helmstedt. Die Fraktion der Linken hat auch nach dem Verhältnis von Frauen und Männern in diesen extremen Organisationen gefragt. Erstaunlicherweise sind in diesen Gruppierungen etwa 10 % Frauen aktiv, aber es gibt keine einzige weibliche Mandatsträgerin. Ich frage mich als Frau immer, wie man als Frau diese Tendenzen vertreten kann. Aber Zeitzeugen aus dem Dritten Reich haben ja berichtet, dass es auch sehr aggressive Frauen in diesem Zusammenhang gab.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch zu dem Thema Immobiliengeschäfte von Rechtsextremen kommen. Wir hatten in den vergangenen Jahren oft Probleme in einzelnen Kommunen und mussten dagegen kämpfen, dass sich die NPD dort niederlässt, dass sie Grundstücke kauft und dass sie Schulungszentren errichtet. Die NPDSzene hat sich auch in Niedersachsen verändert; Sie haben ja auch nach Führungspersonen gefragt. Die Namen will ich hier natürlich nicht nennen. Aber durch den Tod des früheren Vorsitzenden hat sich die Aktivität der NPD in Niedersachsen verändert. In der Vergangenheit haben wir - „Gott sei Dank“ sage ich einmal - gerade auch in Wolfsburg verhindert, dass sich die NPD über Immobilienkäufe niederlassen kann. Ich glaube, das ist auch ein Zeichen dafür, dass wir alle Kräfte in Niedersachsen bündeln, um gegen diese rechtsextremistischen Aktivitäten vorzugehen und die Demokratie aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie haben aber auch nach der Zusammenarbeit der einzelnen Gruppierungen gefragt. Ich darf an dieser Stelle natürlich sagen: Eine Gefahr ist, dass sich nicht so viele geschlossene Vereine entsprechend betätigen, sondern - das wurde vorhin angedeutet - ca. 30 Organisationen.

Ich teile die Auffassung der Kollegin Leuschner, was die Aktivitäten des Vereins „Besseres Hannover“ betrifft. Was sich dort abspielt, ist zum Teil schon dramatisch. Ich weiß aber, dass die Verfassungsschutzszene das im Blick hat. Natürlich müssen wir vorsichtig sein und diese Aktivitäten beobachten.

Auch ansonsten sind die einzelnen Gruppierungen natürlich eine Gefahr. Zum Teil sind sie nicht vereinsgebunden; das ist eben deutlich geworden. Deswegen ist es relativ schwierig, solche Gruppierungen zu verbieten. Man muss sich nach den rechtlichen Bestimmungen unseres deutschen

Vaterlandes richten, nach dem Grundgesetz und den Strafgesetzen. Durch Beobachtung alleine kann man diese Vereine natürlich nicht aufheben. Man kann nur dann einschreiten, wenn Straftaten vorliegen.

Um auch auf diese Frage einzugehen: In der Vergangenheit sind keine Vereine verboten worden. Es sind einzelne Gruppierungen verboten worden, natürlich aufgrund ihrer Straftaten. Ansonsten ist es immer schwierig, in diesem Bereich tätig zu werden. Wir haben darüber diskutiert.

Die Sache mit dem NPD-Verbot hat Kollegin Leuschner eben dargestellt. Wir werden im Innenausschuss noch einmal darüber sprechen.

Zum Schluss möchte ich unseren Verfassungsschutzbehörden ein herzliches Dankeschön sagen. Sie auf der linken Seite hören das immer nicht gerne. Aber an dieser Stelle ist festzustellen, dass die Behörden sich mit aller Kraft dafür einsetzen, unsere Demokratie zu schützen, und zwar nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern auch gegen Linksextremismus, gegen Antiziganismus, gegen Antisemitismus und gegen den islamistischen Terrorismus.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir alle Kräfte hier in Niedersachsen bündeln, die sich diesem Ziel verschrieben haben. Wir werden unsere Demokratie gemeinsam aufrechterhalten.