Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

mit der Firma Eckert & Ziegler und dem Standort. Die Anfrage ist überschrieben mit „Atommüll im ‚radioaktiven Dreieck’ zwischen Eckert & Ziegler in Braunschweig, dem Zwischenlager Leese und der niedersächsischen Landessammelstelle in Jülich“.

Gemäß § 9 a Abs. 3 des Atomgesetzes haben die Länder Landessammelstellen für die Zwischenlagerung der in ihrem Gebiet anfallenden radioaktiven Abfälle einzurichten. Die Länder können sich zur Erfüllung ihrer Pflichten hierbei Dritter bedienen.

In Erfüllung dieser gesetzlichen Vorgaben wurde Ende der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts zunächst die Landessammelstelle GeesthachtTesperhude als gemeinsame Sammelstelle der Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen bestimmt. Hier konnten aus Platzgründen allerdings nur gut 100 Fässer aus Niedersachsen gelagert werden.

1981 entschied die damalige Landesregierung deshalb, eine eigene Landessammelstelle auf niedersächsischem Gebiet einzurichten. Hierzu wurden Lagerräume in einer ehemaligen Militärliegenschaft des Bundes in der Nähe des Fleckens Steyerberg angemietet und umgerüstet. Betrieben wurde die Landessammelstelle Steyerberg vom Landesamt für Immissionsschutz, dem heutigen NLWKN.

Bis Anfang 1998 konnten radioaktive Abfälle aus Niedersachsen an die Landessammelstelle Steyerberg abgeliefert werden. Nahezu alleiniger Ablieferer war die Firma Amersham-Buchler in Braunschweig. Mit Erreichen der Kapazitätsgrenze von 1 485 Fässern wurde der Standort Steyerberg schließlich geschlossen.

Nach Durchführung einer europaweiten Ausschreibung wurde der Standort Steyerberg schließlich im Jahr 2000 aufgelöst. Die Braunschweiger Firma AEA Technology, heute Eckert & Ziegler Nuclitec GmbH, erhielt den Zuschlag für die Umlagerung ins Zwischenlager Leese. Alle 1 485 Fässer, die zum Teil Alterungserscheinungen zeigten, wurden unter der Aufsicht des Landesamtes in das Lager Leese transportiert. Dort werden sie als sogenannte Altabfälle bis zur Abführung an ein Bundesendlager zwischengelagert.

In Leese lagert ein weiteres, der Landessammelstelle Niedersachsen zuzurechnendes Abfallkontingent. Es betrifft radioaktive Abfälle, die die Firma Amersham-Buchler, heute GE Healthcare Buchler GmbH, in den 1990er-Jahren bundesweit ange

nommen hatte und die nach der Schließung von Steyerberg dort nicht mehr eingelagert werden konnten. Dieses Abfallkontingent wurde zunächst als Rohabfall in das Eigentum des Landes übernommen. Zwischen 1998 und 2003 wurde es auf Kosten der Firma Amersham-Buchler in 3 400 Fässer konditioniert und in das Lager Leese transportiert.

Die Landessammelstelle Niedersachsen wurde schließlich im Jahr 2002 auf eine völlig neue Basis gestellt. Die damalige Landesregierung entschied sich für den Betrieb der Landessammelstelle entsprechend der gesetzlichen Option, sich eines Dritten zu bedienen. Diese Dienstleistung wurde europaweit ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt die Gesellschaft für Nuklear-Service, GNS. Die in Niedersachsen anfallenden radioaktiven Abfälle aus Medizin, Forschung und Gewerbe waren fortan der Betriebsstätte Jülich anzudienen. Dort werden sie von der GNS endlagergerecht konditioniert und anschließend in das Lager Leese der Firma Eckert & Ziegler Nuclitec transportiert.

Die aktuelle Konzeption der Landessammelstelle Niedersachsen hat sich nach nunmehr knapp zehnjähriger Betriebszeit bewährt. Das MU überwacht die Tätigkeit der GNS und praktiziert damit einen kostenneutralen und modernen Betrieb seiner Landessammelstelle.

Meine Damen und Herren, nach Darstellung der Historie möchte ich jetzt darauf eingehen, wie es mit den radioaktiven Abfällen der Landessammelstelle Niedersachsen weitergehen wird.

Gemäß § 76 Abs. 6 der Strahlenschutzverordnung führt die Landessammelstelle die zwischengelagerten Abfälle grundsätzlich an ein Bundesendlager ab. Wie Sie wissen, gibt es dieses Bundesendlager noch nicht. Nach jahrelanger Auseinandersetzung um den Planfeststellungsbeschlusses hat das BfS vor etwa vier Jahren mit der Umrüstung des Bergwerks Konrad zu einem Endlager für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung beginnen können. Konrad sollte nach den ursprünglichen Aussagen des BfS im Jahr 2014 in Betrieb genommen werden. Das verzögert sich und wird voraussichtlich bis mindestens 2019 dauern bzw. nicht vorher möglich sein.

Bis dahin müssen die LandessammelstellenAbfälle an ihrem derzeitigen Lagerort verbleiben. Die Landesregierung hat dementsprechend im Haushalt die entsprechenden Mittel für eine endlagergerechte Konditionierung der Altabfälle bereitzustellen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber auch noch einmal - weil Frau Heinen-Kljajić das in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen gestellt hat - zur Firma Eckert & Ziegler einiges sagen.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Zunächst ist festzuhalten, dass hier Recht und Gesetz einzuhalten ist. Dafür tragen wir auch die Gewähr. Wir machen dies über das Gewerbeaufsichtsamt. Selbstverständlich werden wir im Rahmen der Aufsicht des MU weiter darauf dringen und das natürlich überwachen. Das ist nach unserer Einschätzung auch gewährleistet.

Der weitere Punkt ist, dass von den bei Eckert & Ziegler gelagerten und auch verarbeiteten Materialien keinerlei Gefährdung für die Bevölkerung ausgeht. Außerdem ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich hier um ein ausgewiesenes Gewerbegebiet handelt. Ich möchte hier einem falschen Eindruck entgegenwirken; denn Sie, sehr geehrte Frau Abgeordnete, sprechen immer von einem Wohngebiet. Das suggeriert den rechtlichen Status eines Wohngebietes. Was ich aber nicht bestreiten möchte, ist, dass dort Menschen wohnen. Die Firma hat ihren Sitz aber in einem ausgewiesenen Gewerbegebiet.

(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Waren Sie schon einmal da?)

Meine Damen und Herren, viel wichtiger aber ist, dass Sie, nachdem Ihnen das Thema Kernenergie offensichtlich abhanden gekommen ist, nunmehr den Versuch unternehmen, die Entsorgung zu skandalisieren. Das ist doch die politische Absicht, die dahinter steckt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Auch Ihre Äußerungen, die Sie in den letzten Wochen zum dortigen Umgang mit Plutonium gemacht haben, können mit nichts anderem als mit Angstmacherei beschrieben werden. Mit einer sachlichen Diskussion über diese Thematik haben Ihre Äußerungen nichts mehr zu tun.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Nachdem Ihnen ein Thema abhanden gekommen ist, versuchen Sie nunmehr, sozusagen politischen Profit aus den Entsorgungswegen, die wir brauchen - darauf haben Sie hingewiesen -, zu schlagen. Ich rufe Sie auf: Kommen Sie zu einer sachlichen Diskussion zurück! Die werden wir selbstverständlich auch weiterhin gerne führen.

Im Übrigen verweise ich auf die schriftlichen Antworten der Landesregierung auf diese Große Anfrage.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Carsten Höttcher [CDU]: Die haben kein anderes Thema mehr!)

Herzlichen Dank, Herr Minister Dr. Birkner. - Für die SPD-Fraktion hat sich nun Herr Bosse zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank für die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dank aber auch an die verschiedensten Verwaltungen, die die Antwort erarbeitet haben. Diese Große Anfrage hatte sicherlich zum Ziel, ein wenig zur Klarheit beizutragen. Ich persönlich habe inzwischen aber auch in der Diskussion den Eindruck gewonnen, dass hier mehr Verwirrung entstanden ist als mehr Transparenz.

(Carsten Höttcher [CDU]: Falscher Eindruck! - Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Zuhören!)

Die Firma Eckert & Ziegler in Braunschweig verfügt über eine strahlenschutzrechtliche Genehmigung für den Umgang mit umschlossenen radioaktiven Stoffen und für den Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen. Das Unternehmen verstößt auch nach der Antwort auf die Große Anfrage auch nicht gegen irgendeine der Auflagen oder die verschiedensten Genehmigungen. Daher ist dem Unternehmen selbst zunächst einmal offensichtlich nichts vorzuwerfen.

Bei Eckert & Ziegler dürfen erhebliche Mengen an radiaktiven Stoffen gelagert werden. Das Betriebsgelände in Thune wird im Auftrag des Gewerbeamtes Braunschweig durch den NLWKN überwacht. Im Zusammenhang damit werden die Gamma-Direktstrahlung am Zaun und in der Umgebung sowie die Abluft aus den Kaminen und die Belastung von Böden und Pflanzen überwacht.

Die Strahlenbelastung am Zaun ist hier wohl ein wesentlicher Punkt. Am Zaun der sogenannten Kartoffelscheune in Gorleben - Frau Dr. HeinenKljajić ist darauf schon eingegangen - werden 8 760 Stunden für den Aufenthalt einer Person nach der Strahlenschutzverordnung angenommen.

Die Anlage dort liegt mitten im Wald. Bei Eckert & Ziegler hat das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig von der Ausnahme der Strahlenschutzverordnung Gebrauch gemacht, diese Aufenthaltszeit auf 2 000 Stunden zu reduzieren. Dabei liegt Eckert & Ziegler mitten in einem Wohngebiet. Eine Schule und ein Kindergarten sind in der Nähe. Diese Diskrepanz sollte hier noch einmal erklärt werden.

Frau Dr. Heinen-Kljajić hat auch darauf hingewiesen, dass in Thune 1 mSv gemessen wurde, in Gorleben aber nur 0,3 mSv. Angesichts dieser Zahlen stellt sich für mich natürlich die Frage: Wo halten sich die Menschen länger auf - im Wald oder zu Hause in der eigenen Wohnung? - Auch das müsste noch einmal geklärt werden.

Und: Wieso sind die Messwerte am Zaun jetzt schon so hoch, wenn sich doch nur ein Bruchteil der genehmigten radioaktiven Stoffe auf dem Betriebsgelände befindet? - Wie hoch wären die Messwerte eigentlich am Zaun, wenn alle Genehmigungen ausgeschöpft würden? - Auch diese Frage sollte beantwortet werden.

Die Forderung kann hier deshalb nur sein, dass das Land tätig wird und den unbefristet genehmigten Wert reduziert, nämlich möglicherweise auch auf 0,3 mSv wie in Gorleben.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt noch ein paar Worte zum radioaktiven Inventar. Welches Inventar liegt bei Eckert & Ziegler in Braunschweig-Thune und welches in Leese? Ist die Landesregierung gewillt, eine Abfrage bei EURATOM zu tätigen, um die in diesen beiden Atomanlagen lagernden Kernbrennstoffe über den Zeitraum der letzten zehn Jahre bilanziert zu bekommen? - Das wäre auch einmal ganz interessant.

Zu akzeptieren ist auch nicht - da pflichte ich der Fraktion der Grünen bei -, dass über dem Gelände unmittelbar am Braunschweiger Flughafen ständig Flugbetrieb herrscht. Erst gestern hatten wir eine Diskussion über die Sicherung von atomaren Anlagen. Von daher denke ich, dass es gilt, hier noch einiges nachzubessern, meine Damen und Herren.

Der Stadt Braunschweig ist übrigens bereits seit Jahren bekannt, dass bei Eckert & Ziegler auch Plutonium lagert. Herr Oberbürgermeister Dr. Hoffmann hat im Übrigen die Debatte um die Firma vor anderthalb Jahren selbst losgetreten. Er persönlich hat im Januar 2010 eine Veränderungssperre vorgeschlagen, weil er zunächst verhindern wollte,

dass in Thune Atommüll aus der Asse bearbeitet wird. Innerhalb weniger Monate ist dann jedoch - aus welchen Gründen auch immer - eine Kehrtwende eingetreten, sodass es im Juni 2010 zunächst zu einer Wiederaufhebung der Veränderungssperre gekommen ist.

Die neue Ratsmehrheit nach der Kommunalwahl hatte dann im Dezember 2011 aufgrund der bekundeten Absichten der Firma erneut eine Veränderungssperre auf Antrag der SPD-Ratsfraktion beschlossen, da anhand des von Eckert & Ziegler eingereichten Bauantrags mit massiven Erweiterungen am Standort Thune zu rechnen gewesen wäre. Die vom Geschäftsführer Dr. Eckert im Jahr 2010 gemachte Zusage, keinen problembehafteten Abfall aufzunehmen oder zu bearbeiten, war an der Stelle wohl relativ wenig wert.

Es ist daher an der Zeit, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger über den derzeitigen Sachstand genauestens in Kenntnis gesetzt werden.

Ich möchte jetzt noch auf einige andere Punkte eingehen, die wohl im Wesentlichen die Krux sind. Ein Firmenchef wie Herr Eckert, der 3 500 Bürgerinnen und Bürger in einem öffentlichen Hearing der Stadt Braunschweig am 25. Januar 2012 mehrfach mit „Liebe Kinder“ angesprochen hat, erweckt nicht unbedingt den größten Eindruck von Seriosität. Dies lässt im Übrigen auch die notwendige Professionalität vermissen, die ein Betreiber einer kerntechnischen Anlage doch an den Tag legen sollte. Außerdem hat er ständig eine halbe Tafel Schokolade hochgehalten, um deutlich zu machen, wie der natürliche Wert für die Radioaktivität von Lebensmitteln oder auch der Wert am Zaun sein könnte. Auch das macht deutlich, dass der Umgang mit radioaktiven Stoffen und Lebensmitteln zweierlei Paar Schuhe ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, oft sind Desinformation, Hinhaltetaktik, Leichtfertigkeit und Technikverblendung in Braunschweig - all diese Dinge kennen wir - und sicherlich auch noch anderswo im Dunstkreis künstlicher Radioaktivität gang und gäbe. Angesichts der Häufigkeit, mit der in letzter Zeit zum Teil erschreckende Informationen über Eckert & Ziegler ans Licht gekommen sind, ist jetzt tatsächlich ein gesundes Misstrauen angezeigt. Die Beweislast für angebliche Harmlosigkeiten muss jetzt bei Eckert & Ziegler, bei den Betreibern, liegen. Es ist für die Anwohner von Interesse, was genau in den Containern lagert und woher es stammt. Ob das unbedingt zu Betriebsgeheimnissen gehört, lasse ich einmal dahinge

stellt. Es geht hier auch nicht darum, Schuldige zu benennen, sondern es geht um Transparenz - um nichts anderes. Das wünschen sich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Die Klage der dort tätigen Bürgerinitiative BISS auf Herausgabe brauchbarer Inventarlisten ist wohl nur ein erster Schritt.

Klar ist - das ist auch richtig so -, dass Eckert & Ziegler Weltmarktführer ist und dass der Atommüll bei uns von einer kompetenten Firma verpackt wird, nicht aber in irgendeiner Bananenrepublik sonst wo auf dieser wunderschönen Welt. Ob das aber unbedingt in einem Wohngebiet geschehen muss, um das herum in einem Radius von 2 km 230 000 Menschen wohnen, sollte man sich einmal überlegen. Das Unternehmen hat eine hohe Kompetenz, was wir in keinster Art und Weise abstreiten. Das ist aber letzten Endes nicht alles. Was hier fehlt, ist offensichtlich das notwendige Fingerspitzengefühl in der Öffentlichkeitsarbeit, meine Damen und Herren. Entweder kann das Unternehmen dies nicht, oder es will es nicht - möglicherweise aber auch beides.

Ich persönlich halte das Thema für hoch sensibel, da die Informationspolitik offensichtlich eine ziemliche Katastrophe ist. Die einzelnen Informationen - insbesondere auch im Hinblick auf das auf dem Firmengelände lagernde Inventar - kommen wirklich immer nur scheibchenweise ans Licht. Außerdem scheint der Firmeninhaber die Sorgen und Bedenken der Bürgerinnen und Bürger in keinster Weise ernst zu nehmen oder möglicherweise auch nicht zu verstehen. Das hat u. a. auch sein Verhalten beim Expertenhearing, aber auch jetzt nach Bekanntwerden der Plutoniumlagerung gezeigt. Das Unternehmen versteht offenbar nicht die Grundängste der Bevölkerung vor Ort. Kurzum: Hier muss noch eine ganze Menge nachgearbeitet werden, insbesondere von dem Unternehmen in Sachen Transparenz.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Danke schön, Herr Bosse. - Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Mundlos das Wort. Bitte schön!