Protokoll der Sitzung vom 20.06.2012

Wie entspannt ist die Kundschaft, wenn nach Arbeitsschluss nicht noch schnell in Hektik das Nötigste vor Ladenschluss zusammengeklaubt werden muss oder wenn man noch vergessene Dinge in Ruhe erledigen kann. Das gehört auch zur Kun

denzufriedenheit und ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg eines Unternehmens. Lesen Sie einmal den Bericht der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim unter dem Titel „Zufriedene Kunden sind kein Zufall“.

Sie sagen immer, Sie wollen mehr Beschäftigung und weniger Arbeitslosigkeit. Aber wie das zustande kommt, interessiert Sie absolut nicht. Sie stilisieren die ganz wenigen Ausnahmen, bei denen sich Arbeitgeber nicht genug den Wünschen ihrer Mitarbeiter annehmen, zur Grundsätzlichkeit hoch und übersehen völlig - und zwar vorsätzlich -, dass sich die Masse der Unternehmer vorbildlich mit den Bedürfnissen ihrer Arbeitnehmer arrangiert.

Lassen Sie doch einmal die Menschen zu Wort kommen, die das System aus unterschiedlichen Sichtweisen mit Freude annehmen: die Frauen, die während der Familienpause dazuverdienen können, aber entspannt arbeiten möchten und ihre Arbeit ohne Hektik und ohne Sorge um die Versorgung ihrer Kinder angehen wollen,

(Zuruf von Ursula Weisser-Roelle [LINKE])

die Kunden, die nach Feierabend noch in Ruhe und ohne Zeitdruck einkaufen wollen, und nicht zuletzt die Unternehmen, die durch ihren Erfolg Arbeitsplätze schaffen und für zufriedene Kunden sorgen. Wenn man in andere Länder schaut, merkt man, dass Letzteres in Deutschland noch ausbaufähig ist.

Im Übrigen verweise ich auf die „Westfalentage“, wie wir sie nennen, also Feiertage in NRW, die es in Niedersachsen nicht gibt. An diesen Tagen gibt es einen Run auf unsere Innenstädte, der mit einem hohem Umsatz einhergeht. Hier wird mit den Füßen abgestimmt.

Bei Ihnen hingegen wird der Kunde nicht gefragt, sondern hat sich Ihrem Gesellschaftsbild anzupassen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Bei Ih- nen wird der Arbeitnehmer nicht ge- fragt!)

Das Wort „Dienstleistung“ scheint in Ihrem Wortschatz ebenfalls zu fehlen. So hängt man Deutschland im Wettbewerb ab. Den beneidenswerten wirtschaftlichen Erfolg hätte es mit Ihnen niemals gegeben.

(Beifall bei der FDP)

Aber diesen Erfolg schaffen CDU und FDP auch in Zukunft. Das haben wir in der Vergangenheit bereits bewiesen.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Auf den Beitrag der Kollegin König hat sich Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet. Bitte schön, sie haben anderthalb Minuten!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau König, am „Westfalentag“ zeigt sich wieder einmal, wie unterschiedlich man die Dinge sehen kann. Ich nämlich wundere mich jedes Jahr über diese „Westfalentage“. Wir selbst gehen an diesen Tagen nicht einkaufen, weil es wirklich eine Katastrophe ist. Ich kann auch nicht begreifen, dass Menschen an einem freien Tag nichts anderes einfällt, als einkaufen zu gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das machen sie aber! - Chris- tian Dürr [FDP]: „Die Menschen sind schlecht“ - beschimpfen Sie die Men- schen ruhig!)

Für manche Familien wäre es wirklich besser, dass die Läden zu wären, sodass sie sich einmal etwas anderes ausdenken müssten, als einkaufen zu gehen. Aber das muss jeder selbst wissen.

Ich möchte aber etwas zu einem anderen Thema sagen. Frau König, Sie haben eben wieder die Fluglotsen, Polizisten usw. aufgeführt. Ich glaube, hier im Landtag sitzen nicht viele Kolleginnen und Kollegen, die, so wie ich, schon einmal im Dreischichtendienst gearbeitet haben, also rund um die Uhr, 24 Stunden. Ich sage Ihnen: Das ist nicht besonders schön; denn da kann man sein soziales Leben fast abschreiben, weil man immer unregelmäßig Dienst hat.

(Beifall bei der LINKEN)

In manchen Bereichen muss das sein, z. B. da, wo ich gearbeitet habe, nämlich im Krankenhaus, weil die Menschen eben auch nach 16 Uhr noch krank werden und man sich um sie kümmern muss.

(Christian Dürr [FDP]: Gut, dass Sie das einsehen!)

Es muss auch bei der Polizei, bei der Feuerwehr und im Rettungsdienst sein. Das sehe ich alles ein. Aber daraus herzuleiten, dass es das auch dort geben muss, wo es absolut unnötig ist, das finde ich nicht in Ordnung, Frau König.

(Beifall bei der LINKEN)

Das muss eben nicht sein! Es gibt kein Menschenrecht auf Shoppen rund um die Uhr, für das andere Leute solche Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen müssen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion antwortet Herr Kollege Dürr. Sie haben das Wort für anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin König hat mir an dieser Stelle dankenswerter Weise die Antwort überlassen, weil ich es nämlich langsam wirklich unerträglich finde.

Frau Helmhold hat hier für die Grünen und Frau Weisser-Roelle für die Linken gesprochen. Ich will den Berufen, die Sie beide ausgeübt haben, nicht zu nahe treten. Ich habe es noch einmal nachgelesen: Frau Helmhold war Krankenschwester und Lehrerin, und Frau Weisser-Roelle war Betriebsrätin bei Siemens.

Aber ich will hier zwei Dinge deutlich sagen. Erstens: Keine von Ihnen hat Erfahrung im Einzelhandel. Und zweitens: Sie haben vorhin über Frauen gesprochen. Dazu, Frau Kollegin Helmhold, kann ich Ihnen aus meiner Familie sehr genau berichten; denn meine Mutter hat im Einzelhandel gearbeitet und mein Vater ganz genauso. Mir geht an dieser Stelle wirklich auf den Senkel, dass dauernd gesagt wird, es gehe nur um Frauen. Es geht natürlich auch um Männer! Diesen Sexismus lasse ich mir von Ihnen nicht bieten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Daran sieht man, wie weit weg Sie sind, liebe Kolleginnen und Kollegen von Grünen, SPD und Linken. Sie als ehemalige Betriebsrätin von Siemens und Sie als ehemalige Lehrerin reden über die

Lebenswirklichkeit von Menschen, von der Sie überhaupt keine Ahnung haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Ich habe das selbst in der Familie erlebt, meine sehr verehrten Damen und Herren, und deswegen lasse ich Ihnen das nicht durchgehen.

(Zurufe von der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Kollege Dürr, einen kleinen Augenblick! Ich kann Sie sonst nicht mehr verstehen. Wir warten, bis sich alle beruhigt haben. - Jetzt, bitte!

Meine Eltern, die ihr gesamtes Berufsleben im Einzelhandel verbracht haben, haben nie verstanden, warum ihnen nach 18 oder 19 Uhr ein Berufsverbot auferlegt wurde. Sie waren froh und glücklich, als in Niedersachsen endlich CDU und FDP regiert haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN - Zurufe)

Ich würde gerne jeden einzelnen Kommentar hören, aber wenn Sie alle durcheinander sprechen, kann ich gar keinen wahrnehmen. Sagen Sie mir es deswegen vielleicht, wenn wir die Sitzung beendet haben.

Ich gebe jetzt Herrn Kollegen Möhle von der SPDFraktion das Wort. Vielleicht nehmen Sie einige Anregungen mit auf. Herr Möhle!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Wahrscheinlich wäre es am sinnvollsten, wenn wir jetzt in einem Sitzkreis versuchen würden, das weitere Vorgehen in einem offenen Gespräch zu klären.

Ich stelle zunächst einmal fest, dass Tarifflucht nun gegendert werden muss. Das ist die Anregung von Herrn Dürr, die ich hier mitgenommen habe.

Zum Zweiten möchte auch ich gerne aus meinem Familienumfeld berichten. Meine Frau arbeitet im Krankenhaus im Schichtdienst, und ich bin von 1983 an bis zu meinem Einzug in den Landtag selbstständiger Facheinzelhändler mit einem inha

bergeführten Betrieb gewesen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass wir es damals nie geschafft haben, genügend Leute zu finden, die wir an unserer Stelle so richtig ausbeuten konnten. Wir mussten das immer selber machen.

(Christian Dürr [FDP]: Meine Eltern haben das auch selbst gemacht, na- türlich! Ich habe sogar im Laden ge- holfen!)

Ich komme zur Sonntagsöffnung. Ich habe auch als Einzelhändler nichts gegen die Sonntagsöffnung gehabt. Ein oder zwei Sonntage im Jahr konnte man das ganz gut hinbekommen. Aber wenn es dann vier oder mehr Sonntage wurden, wurde es eng. Und wenn die Frau an dem Sonntag, an dem man gerade frei hatte, arbeiten musste, war es mit dem Familienleben irgendwann vorbei. Ich bin übrigens nie auf die Idee gekommen, dann, wenn ich abends frei hatte, nachdem die Kinder ins Bett gebracht worden sind und man gemeinsam Zeit hat, einkaufen zu gehen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Hier sind also Interessen gesundheitlicher und sicherheitstechnischer Natur, also die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, mit der Lebenswirklichkeit im Einzelhandel und dem Verbraucherverhalten abzuwägen. Das unter einen Hut zu bekommen, scheint mir - da gebe ich Frau Helmhold Recht -, zum x-ten Male verhältnismäßig schwierig zu sein.

Aus persönlicher Sicht sehe ich hier drei Themen, die es nacheinander abzuarbeiten gilt.

Das erste Thema ist die Erosion des Sonntagsschutzes, die sich über die letzten Jahre ergeben hat und der wir dringend entgegentreten müssen. Aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass am Sonntag jeder das machen kann, was er will. Nach meiner Kenntnis gibt es zurzeit noch keine vernünftigen Daten, die es uns erlauben, wirklich aussagekräftige Rückschlüsse zu ziehen, inwiefern und wie sehr das am Sonntag - über das Maß hinaus, das wir alle vielleicht einmal bei zähneknirschend zustande gekommenen Kompromissen gefunden haben - Auswirkungen hat. Insofern denke ich, dass wir abwarten sollten, bis die Anfrage, die die Kollegin Renate Geuter freundlicherweise an die Landesregierung gestellt hat - dabei geht es um die Frage, wie es denn im Einzelhandel mit Wildwuchs bei Sonntagsöffnungen aussieht -, beantwortet wird. Das kann, Frau Prä

sidentin und meine Damen und Herren, dann in die Beratungen des Sozialausschusses einfließen.